Schaechterle-Plan
Der sog. Schaechterle-Plan war ein Straßenverkehrsplan des Verkehrsexperten und ADAC-Funktionärs Prof. Dr.-Ing. Karlheinz Schaechterle (geb. 1920; gest. 2008) von der TU München. Anfang der 1960er Jahre legte er auf Wunsch der Stadt Fürth einen Verkehrswegeplan vor, der das Gesicht der Stadt Fürth radikal verändert hätte. Der Plan sah vor, mehrspurige Verkehrstrassen in die Flussauen von Pegnitz, Rednitz und Regnitz zu legen.[1] Auf Grund des noch fehlenden ökologischen Bewusstseins und dem Anspruch, die Städte "autogerechter" zu gestalten, fiel sein Entwurf bei der Stadtverwaltung und den Stadträten auf Wohlwollen. Der Plan existierte, wenn auch immer in abgewandelter Form, noch bis Anfang der 1980er Jahre.[2]
Der Schaechterle-Plan
- Eine neu geschaffene "Pegnitztalstraße" sollte parallel zur Nürnberger Straße durch den Wiesengrund verlaufen, beginnend von der Kurgartenstraße im Osten bis zur Ludwigsbrücke im Westen. Aus der Innenstadt sollte diese Trasse durch Querverbindungen angebunden werden, die den Stadtpark durchschnitten hätten. Die Jakobinenstraße sowie die Gustav-Schickedanz-Straße wären bis ins Flusstal verlängert worden.
- Eine "Westspange" sollte von der Dambacher Straße aus die Siebenbogenbrücke unterqueren und etwa auf der heutigen Uferpromenade bis zur Maxbrücke verlaufen. Allerdings hätte es die Maxbrücke dann gar nicht mehr gebraucht, denn die Rednitz, so sah es die Schaechterle-Planung vor, sollte nach Westen verlegt werden und nahe der Billinganlage fließen. Statt des Flusses würde somit heute eine Hauptverkehrsstraße an der Terrasse des Kulturforums vorbeiführen.
- Die neue "Regnitztalstraße" wäre als nächste Straße parallel zur Vacher Straße bei der Billinganlage durch den Wiesengrund nach Norden geführt worden.
- Zusätzlich sollte die Verlängerung der Herrnstraße von der Südstadt quer über den Talgrund bis nach Dambach durchgeführt werden.[1]
Kritik und Widerstand
Der Entwurf stieß in der Bevölkerung zunächst auf wenig Widerstand. Lediglich der Bund Naturschutz (BN) positioniert sich von Beginn an gegen die Pläne der Stadt Fürth. In einer Resolution schreibt der BN im März 1961, dass er sich gänzlich gegen die "Autoringstraße" im Pegnitztal stelle. Der BN beklagt die "radikale Zerstörung des Stadtparks", der doch für die "werktätige Bevölkerung" als Naherholungsgebiet dient. Die Stadtverwaltung und der Stadtrat werden "ebenso höflich wie dringend" gebeten, andere Lösungen für die "zugegeben schwierigen Verkehrsverhältnisse" zu finden.[2]
1962 schreiben die Fürther Nachrichten, dass der BN weiterhin gegen den Schaechterle-Plan kämpft. So steht in den Fürther Nachrichten: "Noch ist der Schaechterle-Plan nicht durch das Stadtparlament gegangen, da will der BN nichts unversucht lassen, um den Stadtpark vor dem Zugriff der Verkehrsplaner zu bewahren". Den Naturschützern schlagen keine Sympathiewellen aus der Bevölkerung entgegen, ganz im Gegenteil. So mussten sich der BN-Vorsitzende Martin Wißmüller sowie der Stadtgartendirektor Hans Schiller allgegenwärtig vorwerfen lassen, dass sie "altmodische Romantiker und Querköpfe" seien.
Die Kritik verhindert nicht, dass der Schaechterle-Plan in den Flächennutzungsplan der Stadt Fürth aufgenommen wird. Somit sind wesentliche Teile zur Realisierung des Planes auf verwaltungstechnischer Seite bereits umgesetzt worden, lediglich die Baurealisierung steht Anfang der 70er Jahre noch aus. So geht die Fürther SPD 1972 mit dem Schaechterle-Plan als einer seiner Hauptthemen in den Kommunalwahlkampf unter dem Titel "alles für fürth". Der Ton wird im Wahlkampf rauer, Kritiker und Befürworter schenken sich nichts. Auch der heutige BUND-Vorsitzende und Anfang der 1970er Jahre als Naturschutzbeauftragter für Nordbayern bestellte Hubert Weiger kommt nach Fürth und sagt in der aufgeheizten Diskussion: „Wann denken endlich die Stadtplaner an die Leute, die auf die letzten Grünflächen im Stadtgebiet angewiesen sind?“
Aus für Schaechterle-Plan
Ende 1978 ist der Schachterle-Plan fast schon Geschichte, denn der Frankenschnellweg und der Ausbau der Südwesttangente sorgten für die dringend notwendige Entlastung der B 8 bzw. der Nürnberger Straße und somit für eine deutliche Verkehrsberuhigung der Innenstadt. Auch die Kapellenstraße trägt hierzu mit bei, dass der Schaechterle-Plan zunehmend in Vergessenheit gerät. Lediglich der BN erinnert von 1980 bis 1983 im Wiesengrund am Badsteg durch ein Sommerfest an die ursprünglichen Pläne der Stadt Fürth.
In einer vom Bund Naturschutz initiierten Podiumsdiskussion unter dem Titel: Braucht Fürth einen neuen Verkehrswegeplan? beantworteten viele Verantwortliche der Stadt Fürth die Frage mit "Ja". Unter ihnen waren viele Stadträte, aber auch der Bürgermeister Heinrich Stranka. Auch Karlheinz Schaechterle war gekommen und musste zugeben: "Man müsse heute von ganz anderen Realitäten ausgehen als noch 1962."
Der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz, Reinhard Scheuerlein, sagte rückblickend: "Nur wenige Jahre, nachdem die Pläne zu den Akten gelegt worden waren, konnte sich das alles kaum noch jemand vorstellen.... Jeder freut sich über die Talauen, aber kaum einer wisse, wie sehr um sie gerungen wurde... Es gibt ja nirgendwo einen Hinweis darauf." Einen Hinweis gibt es inzwischen: In dem 2015 erschienen Wanderführer "Gerettete Landschaften" sind die Fürther Talauen als Wanderweg aufgeführt, als Beispiel für ein landschaftliches Schmuckstück, dessen Existenz nur durch das Engagement der Naturschützer erhalten geblieben ist.[2]
Fürth - kein Einzelbeispiel
Der Schaechterle-Plan ist heute ein Synonym für zum Teil völlig katastrophale Verkehrsplanungskonzepte bzw. einer völlig "Auto-fixierten" Verkehrsplanung. So wurde u. a. auf Grund der Empfehlung von Karlheinz Schaechterle der Hauptbahnhof der Stadt Ludwigshafen aus der Innenstadt verbannt, um den "modernsten Bahnhof Europas" weit außerhalb der Stadt völlig neu zu bauen.[3] Experten bewerten diese Entscheidung heute wie folgt: Das Empfangsgebäude des neuen Bahnhofs ist „nicht mehr als eine Fußgängerunterführung mit angrenzenden Läden, Fahrkartenschaltern und einigen wenigen Diensträumen“. Mit der Überbrückung des Bahnhofs durch die Hochstraße hätten „Straßenbau- und Eisenbahningenieure ein nicht mehr zu übertreffendes Sinnbild für die Verkehrsentwicklung der 1960er- und 1970er-Jahre geschaffen: Die Kfz-Lawine überrollt den Schienenverkehr und mit auf Strecke bleibt die Architektur“.[4] Der Ludwigshafener Stadtplaner Piske verwies 2002 auf eine Veröffentlichung des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts UPI, in der die Bahnhofsverlegung für die Abwanderung von Kaufkraft aus der Ludwigshafener in die Mannheimer Innenstadt mit verantwortlich gemacht wird. Damit versinke der an den Stadtrand verdrängte Bahnhof in eine gewisse Nutzlosigkeit, so Lars Piske gegenüber der Presse.[5]
Ähnliche Pläne wie für Fürth wurden zum Teil in Heidelberg realisiert, indem ebenfalls bestehende Talauen mit vierspurigen Verkehrstraßen zugebaut wurden.
Lokalberichterstattung
- Johannes Alles: Als die Blechlawine durch Fürths Talauen rollen sollte. In: Fürther Nachrichten vom 20. Juni 2013 - online abrufbar
- Johannes Alles: Straßen an jedem Fluss. In: Fürther Nachrichten vom 20. Juni 2013 - online verfügbar
Siehe auch
Weblinks
- Schaechterle-Biographie der TU München, Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt - im Internet
- Auto-fixierte Verkehrsplanung am Beispiel Ludwigshafen/Rhein - Umwelt- und Prognose-Institut e. V.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Johannes Alles: Straßen an jedem Fluss. In: Fürther Nachrichten vom 20. Juni 2013
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Johannes Alles: Als die Blechlawine durch Fürths Talauen rollen sollte. In: Fürther Nachrichten vom 20. Juni 2013
- ↑ Wikipedia: Hauptbahnhof Ludwigshafen Wiki
- ↑ Martin Schack: Neue Bahnhöfe 1948 bis 1973. VBN Verlag Bernd Neddermeyer, 2004
- ↑ Lars Piske: Das Rhein-Neckar-Dreieck. In: Ulrike Kaufmann (Red.): Architektur im Rhein-Neckar-Dreieck. awf-Verlag, Heidelberg 2002