Schniegling - Poppenreuths 2. Kirchensprengel

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Am 1. Mai 1934 wurde die evang.-luth. Kirchengemeinde Schniegling gegründet und damit eigenständig [1]. Bis dahin war sie Teil der Poppenreuther Kirchengemeinde St. Peter und Paul und zuletzt als 2. Sprengel geführt.

Selbst im Jahr 2021 gibt es in Schniegling noch versteckte Hinweise auf die alte Verbindung zur Poppenreuther Kirchengemeinde und damit zum Dekanat Fürth. Im sogenannten "Kranichsaal" im hinteren Teil des Hofes Kranichstraße 4 in Schniegling weist die Gestaltung des Eingangs auf eine besondere Baulichkeit hin, die im Lauf der Zeit schon einige Veränderungen erlebt hat.

Der „Evangelische Arbeiterverein Schniegling – Poppenreuth“

1890 gründete der Poppenreuther Pfarrer Karl Andreas Gutmann den „evangelischen Arbeiterverein Schniegling-Poppenreuth“. Damit wollte er in erster Linie die Handwerker des Ortsteils und auch die Arbeiter in den Hammerwerken an der Pegnitz ansprechen. Es war ihm ein Anliegen deren Entfremdung von der Kirche in dieser Industrialisierungsphase so weit wie möglich zu verhindern. 50 Gemeindeglieder gründeten den Verein und wählten dabei einen achtköpfigen Vorstand, in dem aber neben Handwerkern und Bauern aber lediglich zwei Arbeiter vertreten waren. Es ging ihnen in erster Linie weniger um gesellschaftspolitische Anliegen, als um die „Förderung geistiger und sittlicher Bildung nach den Grundsätzen der evang. Kirche und die Pflege anständiger Geselligkeit“, wie die Statuten ausführten.

Das Vereinshaus "Poppenreuth - Schniegling"

Das Vereinshaus

Das Vereinshaus wurde vier Jahre später fertig gestellt. Vorträge, gute Literatur, Gesang und Musik kennzeichneten das Vereinsleben der ersten Jahre. Die Reden endeten meist mit einem Hoch auf Kaiser und Prinzregent. Bierausschank und Bewirtung waren nur für die Dauer der Bibelstunden eingeschränkt. „Kirchliche Dinge ja – aber mit Maß“ lautete das Motto. Frauen hatten nur Gaststatus. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden vornehmlich Kriegsthemen behandelt wie: "Barbarossa erwacht", "Hollands Stellung zum Weltkrieg" oder "Schlachtbilder von allen Kriegsschauplätzen" [2].

Fenster im Kranichsaal mit Poppenreuther Kirche und Widmung: „Gew. D. Stifterin D. Erweit. Baues D. Ges. Kirchenverw. Fürth 1927“

Kranichsaal wird Beetsaal

Nach dem ersten Weltkrieg wurde dann der „Evang. Arbeiterverein“ 1922 in „Gemeindeverein“ umbenannt. Er beschränkte sich mehr und mehr auf die kirchliche Organisation im Ortsteil. Der Kranichsaal wurde im gleichen Jahr erweitert und bekam zwei Glocken vom Fabrikbesitzer Heunisch (von der sogenannten „Kapsel“) gespendet. Für den Erweiterungsteil spendete Heunisch auch noch zwei Fenster auf der Nordseite. Diese Glasgemäldescheiben existieren selbst 2021 noch. Auf dem einen ist die Poppenreuther Kirche abgebildet, darunter Szenen die Wort (Verkündigung) und Sakrament (Taufe und Abendmahl) versinnbildlichen. Damit wurde der Kranichsaal immer mehr zum Zentrum eines 2. Sprengels der Poppenreuther Kirchengemeinde. In der nationalsozialistischen Periode traten die geselligen Veranstaltungen noch mehr in den Hintergrund und aus dem Kranichsaal wurde ein reiner Betsaal. Bierausschank war nun gar nicht mehr gestattet.

Nürnberg zahlt an Fürth Ablösesumme für Schniegling

1937 - also drei Jahre nachdem Schniegling sich als selbstständige Kirchengemeinde von St. Peter und Paul in Poppenreuth gelöst hatte - wurde Schniegling vom Dekanat Fürth (zu dem ja Poppenreuth gehört) ins Dekanat Nürnberg umgelegt. Darüber entbrannte ein Streit, da kurz zuvor die Gesamtkirchenverwaltung Fürth noch die Erweiterung und Sanierung des Kranichsaals finanziert hatte (vgl. auch die Inschrift im Glasgemäldefenster). Fürth forderte von Nürnberg einen finanziellen Ausgleich. Als dieser gewährt wurde, stand dem Dekanatswechsel nichts mehr im Wege. In den Annalen des ersten Schnieglinger Pfarrers Heinrich Lauter findet sich die Anmerkung: „Die werdende Kirchengemeinde Schniegling hatte mit viel Widerständen und Schwierigkeiten zu kämpfen; möge ihre Zukunft sich erfreulicher gestalten.“

Das mittlerweile erweiterte Gemeindehaus Kranichsaal blieb von den Zerstörungen im 2. Weltkrieg verschont – im Gegensatz zur katholischen Konradskirche in Schniegling. Deswegen wurde der Kranichsaal nach 1945 zum Gottesdienstraum für evangelische und katholische Schnieglinger. Als beide Konfessionen ihre Kirchen errichtet hatten (die evangelische Gemeinde baute dann die Versöhnungskirche), war er als Sakralraum nicht mehr vonnöten. Es entwickelten sich dort erneut Vereinsaktivitäten – allerdings diesmal auf dem Gebiet der Gemeindearbeit und der häuslichen Krankenpflege.

Der Kranichsaal als serb.-orth. Kirche

Konversion zur Orthodoxie

Im Jahr 1999 wurde der Kranichsaal der Serbisch-Orthodoxen Kirche überlassen. Sie hat ihn nach den Gepflogenheiten der orthodoxen Liturgie umgestaltet – jedoch die alten Kirchenfenster aus dem Jahr 1927 hinter der Ikonostase belassen. Die orthodoxe Gemeinde nennt sich heute nach den beiden Mönchen Kyrill und Method und ist eine serbisch-orthodoxe Gemeinde. In den neu erstellten Fenstern an der Längsseite finden sich aber genauso Peter und Paul und damit eine späte Reminiszenz an alte Poppenreuther Zeiten. Es dürfte wenig Kirchenräume geben, in denen die drei großen christlichen Konfessionen friedlich nebeneinander zum Gottesdienst gerufen haben.

Einzelnachweise

  1. Rainer Mordhorst: Die evangelische Versöhnungs-Kirchengemeinde Schniegling in "Schniegling, Wetzendorf und Alt-Doos", 2006, Seite 111
  2. Matthias Murko: "Bet´ und Arbeit", Evangelische Arbeiterbewegung in: "Im Anfang war das Wort - Nürnberg und der Protestantismus", Ausstellungskatalog, 1996, Seite 58

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