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10 JAHRE KIRCHENFÜHRER ST. MICHAEL Tief bewegt erklärte mir ein älterer Herr während einer Führung mit Konfirmations-Jubilaren: „Das hier ist der wichtigste Platz in der Kirche“. Dabei zeigte er auf das Kreuz der Gefallenen-Gedenkstätte mit dem Buch der Gefallenen – Menschen, die einmal in dieser Kirche zu Hause waren, so auch sein Vater. Leben, Erinnerung, Glaube, Halt, Trost, den Kontakt zu Gott, den Frieden mit sich selbst und seinen Lieben und vieles mehr suchen Menschen in der Kirche. Dazu kann zunächst einmal ihre Art und ihre Ausstattung gleichgültig sein, aber dennoch bietet die eigene Kirche Heimat. Ihre Ecken und Winkel sind vertraut, ihre Figuren, Bilder, Farben und Ornamente sind wie Freunde geworden.

Seit ihren Anfängen ist St. Michael eng mit der Geschichte der Stadt verflochten. Und so wie der Flecken Fürth sich im Laufe seiner Geschichte verändert hat, hat sich auch die Kirche verändert, ist größer, wehrhafter und festlicher geworden, entsprechend den Bedürfnissen der Menschen, die um sie herum lebten. Letztlich ist auch eine Kirche ein lebender Organismus, der vom Glauben, vom „Zeitgeist“ und vom Schicksal ihrer Gemeinde getragen wurde und wird und Spuren hinterlässt. Das ist ganz besonders bei alten Kirchen wie St. Michael der Fall. Wie in einem Buch ist manches dort verzeichnet. Doch will dieses Buch gelesen und verstanden werden. Genau dazu hat sich vor zehn Jahren ein Kreis von Kirchenführern gebildet. Holz, Metall, Glas, Tuch, vielfältig sind die Materialien aus denen eine Kirche und ihr Inventar besteht und mit dem sich die Kirchenführer beschäftigen: Ergründen, was wann, wo und wie gebaut oder umgebaut wurde und wozu eigentlich? Welche Bildwerke, Skulpturen, Inschriften birgt die Kirche und worauf gehen sie zurück? Besonders in den verschiedenen Generationen der mehrfach ausgewechselten Chorfenster klingen eine Vielzahl biblischer Geschichten an. Sie geben Anregungen zu Gebet und Meditation. Die Gruppe der Kirchenführer von St. Michael hat sich im Frühjahr 2011 gegründet. Sie setzt sich zusammen aus zwei Ehepaaren, drei Einzelpersonen mit jeweils sehr interessierten Ehepartnern und Dekan Sichelstiel. Aus diesem Spektrum ergeben sich teils beruflich, teils aus privatem Interesse starke Beziehungen zum Jüdischen Museum, zur katholischen Nachbarpfarrei Unsere Liebe Frau, zum Altstadtverein, zum Geschichtsverein und natürlich auch zur eigenen Gemeinde St. Michael. Die Kirchenführer sammeln Unterlagen und Pläne zur Gebäudestruktur, Literatur über St. Michael aus den verschiedensten Chroniken, Büchern, Heimat- und Geschichtsblättern etc. Natürlich müssen für eine Führung diese großen Mengen an Stoff verarbeitet und aufbereitet werden, bevor sie vor Ort einem interessierten Publikum dargeboten werden können. So haben sich bereits in den ersten Jahren einige Fixpunkte heraus kristallisiert, zu denen Führungen angeboten werden, wie z.B. für die Eltern der Konfirmanden, aber auch zu den Jubelkonfirmationen. Gerade die Jubelkonfirmanden haben eine enge Beziehung zu „ihrer“ Kir-

GEFALLENEN-GEDENKSTÄTTE: „DER TOD IST VERSCHLUNGEN IN DEN SIEG“

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Bilderrätsel: St. Michael zur Zeit Johann Alexander Boeners (1705) und heute. Wo sind wesentliche Unterschiede? che, mit der sie wichtige Zeiten ihres Lebens verbinden, wie der eingangs geschilderte Beitrag zeigt. Sie berichten immer wieder gerne aus eigenen Erinnerungen. Anfang September findet alljährlich der Tag des offenen Denkmals statt, zu dem auch die Kirchenführer von St. Michael Führungen anbieten. Diese Tage formulieren jedes Jahr neue Rahmenthemen, wie z.B. „Handwerk, Industrie und Technik“ oder „Moderne Umbrüche in Kunst und Architektur“. Deshalb kreist diese Führung Jahr für Jahr um einen anderen Kern. Das Motto der Stadtverführungen lautete in diesem Jahr „Wegweiser“. Das hatte uns zu einer Serie von fünf Führungen animiert, die – von verschiedenen Ausgangspunkten aus – alle zur gleichen Zeit auf verschiedenen Wegen mit unterschiedlichen Färbungen beim Läuten der Glocken in St. Michael ankamen. Auf diese Führungen folgt traditionell ein musikalisches Intermezzo mit Sirka Schwarz-Uppendieck am Klavier, in dem Interpret Michael Herrschel das vorgegebene Motto (diesmal „Wegweiser“) mit einer Reihe spannend vorgetragener Lieder umkreist. Zum Schluss des Abends greifen die Kirchenführer den Ball wieder auf und setzen sich im „Literarisches Finale“ auf ihre Art mit Auszügen aus Belletristik und sonstigen Texten mit dem Über-Thema der Stadtverführungen auseinander. (Dies musste leider zur Corona-Zeit ausfallen). Schließlich lassen sich zur Altstadt-Weihnacht jeweils samstags im Anschluss an den Nachtwächter noch eine Reihe Besucher animieren, an einer stimmungsvollen Führung durchs Dunkel der Nacht nach St. Michael teilzunehmen. Auch der Turm wird immer wieder gerne bestiegen. Durch die Glockenstube hindurch gelangt man auf die Aussichtsplattform mit dem Motto „Über dem Graffl“ – Turmführung zum Grafflmarkt oder zum Kerwa-Feuerwerk mit „Sektempfang unter den Glocken“. Was immer wieder ein besonderer Anreiz ist, das sind Anforderungen von außen, wie z.B. eine Themenführung zu Wilhelm Löhe oder für Gruppen mit bestimmten Wünschen. „Luther war nicht in Fürth“ hieß die Devise der Tourist-Info zum Luther-Jahr 2017 an dem sich die Kirchen-

führer bei Ausarbeitung und Durchführung maßgeblich beteiligten. Das Höfe-Fest 2018 mit Schwerpunkt „Kriegsende (14/18) und Neubeginn“ ließ auch an das Kriegsende im April 1945 denken, an dem die Umgebung von St. Michael dra(u)matische Stunden durchlebte. Sie sind in Führungen und Zeitzeugengesprächen aufbereitet worden. Bei der Eröffnung der Ökumenischen Friedensdekade „Klimafrieden“ haben die Kirchenführer natürlich ebenfalls mitgewirkt. Nicht nur Führen, sondern auch Vergleichen, Verinnerlichen, Nachempfinden sind wichtig. Deshalb haben sich die Kirchenführer immer wieder zu Exkursionen in den näheren und weiteren Umkreis aufgemacht. So wurde eine Pilgerfahrt zum ehemaligen Fürther Altar nach Nördlingen unternommen. Es wurden Sakramentshäuschen aufgesucht in den Kirchen von Kalchreuth, Langwasser, Schwabach, Heilsbronn und Ochsenfurt. Letzteres dient sogar wieder als Tabernakel. Weitere Kirchen mit Gemeinsamkeiten zu St. Michael haben wir in Erlangen-Bruck (Turm) und Neumarkt (StockhausenFenster) gefunden. Aber auch das Landesarchiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern haben wir kurz nach seiner Neueröffnung besucht. Konkrete normal unter Verschluss befindliche Schau-Objekte konnten anlässlich von zwei Ausstellungen besichtigt werden. Dies waren die beiden prachtvollen Ablassbriefe aus der Zeit von Pfarrer Konrad Held (1473) und die einzig erhaltene Originalscheibe aus der Erstverglasung des neu errichteten Chores (Tucher-Scheibe von 1485). Meditative Betrachtung mancher Ausstattungsstücke führte schließlich zum Gedanken, wie sie für den Gottesdienst verwendet werden könnten. Deshalb sind mehrere Gottesdienste in Zusammenarbeit mit den Kirchenführern vorbereitet worden, u.a. an einem Gründonnerstag. Vieles bleibt noch an St. Michael zu entdecken, manches zu verstehen. Deshalb haben wir Kirchenführer weitere zehn und mehr spannende Jahre vor uns. Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest! Hans-Otto Schmitz im Namen der Kirchenführer von St. Michael Nr. 55 – 2021/22

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