DAS WESTWERK
VON ST. MICHAEL
ZU FÜRTH
Der älteste Teil von St. Michael ist das um 1100 erbaute romanische Langhaus. Um 1400 wurde hinten ein
Westwerk mit wehrhaftem Turm angefügt. Dieser ist
stark außermittig angelegt, dass er derart deutlich
aus der südlichen Langhauswand hervortritt, als ob
ursprünglich eine Doppelturm-Fassade geplant gewesen wäre.
Der Turm wirkt kräftig und beherrschend. Vorspringende Gesimse gliedern seine nach oben hin
wachsenden Geschosshöhen. Erst weit oben in der
Glockenstube öffnen sich große gotische Fenster. Ecklisenen strecken ihn optisch in die Höhe.
Ihm zur Seite steht ein mächtiger Giebel mit Pultdach, das sich an den Turm anlehnt. Wo sich beide berühren, erkennt man eine deutliche Trennfuge. Sie
reicht fast ein ganzes Turmgeschoss hinab, während
von unten die linke Ecklisene des Turms mit diesem
gleichzeitig hochgezogenen Giebel ohne Vor- oder
Rücksprung einen glatten Mauerverband bildet.
Die Ursache der Fuge offenbart sich im Innern des
Dachgeschosses: Dort kragt ein schräger Sockel aus
der nördlichen Turmwand ins Innere des Dachbodens
hinein. Seine Oberseite dürfte einmal als Basis für
Dachsparren gedient haben.
Ein Stück weit darüber setzt sich innerhalb des
Dachbodens das Gesims des zweiten Turm-Obergeschosses fort. Es umrundet den gesamten Turm. Allerdings ist es außen, genau dort abgeschnitten, wo die
Trennfuge zwischen Turm und Giebel verläuft (weiß
strichliertes Oval in Abb. 1), obwohl es eine Etage tiefer eine saubere Ecke ausbildet und dann erst im Giebel verschwindet.
Alle diese Anzeichen weisen darauf hin, dass das
Westwerk in Verlängerung des Langhauses ursprünglich ein Satteldach hatte, wie in Abb. 1 angedeutet.
Doch drückte offenbar das Regenwasser gegen den
Turm, was zu Schäden geführt haben dürfte. Jedenfalls hatte man die linksseitige Dachfläche in der Art
eines Pultdaches über den First hinaus bis zum Turm
hochgezogen. Dabei verschwand das ursprünglich frei
liegende Turmgesims unter dem Dach (weißes Oval).
Die heutige Dachspitze erreicht fast die Sohlbank der
unteren Glockenstube. Dadurch verliert der Giebel seinen eigenen Charakter und mutiert zum Turmanbau.
Da man aber die Fassade nur aus geringem Abstand
betrachten kann, springt dieser Effekt kaum ins Auge.
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Altstadtverein Fürth
Nr. 56 – 2023
Einziger Schmuck des mächtigen Westwerk-Giebels ist das reich verzierte Portal. Es wird vom Gesims des unteren Turmgeschosses umrahmt, das beide Gebäudeteile zusammenklammert. Erst in der Barockzeit sind zwei Ochsenaugen und zwei rechteckige Fensterschlitze wenig einfühlsam über die Mauerfläche verstreut in den zuvor fensterlosen Giebel eingebrochen worden. Die Westfassade ist, abgesehen von den FensterEinbrüchen und der Dachänderung noch nahezu ungestört erhalten, wie sie um 1400 errichtet worden ist. DOCH WESHALB IST DER TURM SOWEIT AUSSERMITTIG ERRICHTET WORDEN? War vielleicht doch im Anfangsstadium ein zweiter geplant? Um diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, wurden Grundriss und Südturm einmal versuchsweise nach Norden gespiegelt und in das Westwerk hineinmontiert (Abb. 2). Dabei ergibt sich der Abstand zwischen den Türmen aus der Anbindung des Portals gemäß Abb. 1. Der vorhandene Turm ist um 1,51 Meter gegenüber der Langhauswand nach Süden versetzt. Beim Nordturm ergäbe sich noch ein etwas größerer Versatz von zwei Metern da der Wandanschluss des gespiegelten Turms an die nördliche Langhaus-Wand um die halbe Wandstärke auseinanderklafft (ca. 48 cm, vgl. Abb. 2, rote Pfeile). Das wäre zwar ein kleiner Schönheitsfehler gewesen, aber kein Hindernis. Befürchtet wurde vielmehr, dass der Giebeltrakt zwischen den Türmen optisch erdrückt würde, denn nur selten ist dieser Bereich schmäler als Turmbreite. Das Ergebnis der Fotomontage zeigt jedoch eine erstaunlich ausgewogene Fassade, wenn auch der Giebel etwas mehr Struktur vertragen könnte (Abb. 2). Der bauliche Befund spricht aber nicht dafür, dass sich im aufgehenden Mauerwerk ein Turmstummel verbirgt. Die Umfassungsmauer ist mit 95 Zentimetern Stärke nur halb so dick wie das vorhandene Turmgemäuer (Abb. 1, Grundriss) und erreicht nirgendwo dessen Stärke, nicht einmal im Giebelbereich. Stattdessen dürfte dieser Raum ursprünglich als Verlängerung der linken (nördlichen) Seite des Langhauses gedient haben. Später wurde er durch eine Querwand vom Langhaus abgetrennt und dient heute als Eingangshalle (Abb. 1, schraffierte Wand im Grundriss). RESULTAT: Ein zweiter Turm war nie ernsthaft vorgesehen, bzw. ist im aufgehenden Mauerwerk nicht einmal ansatzweise realisiert worden und dürfte daher auch nicht fundamentiert worden sein. Man hatte den Turm offenbar soweit seitwärts angelegt, um mehr Platz im Langhaus zu gewinnen. Die heutige Trennwand zwischen Langhaus und Eingangshalle ist