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45 – 11/12�  Altstadtverein Fürth

lizeipräsident und SS-Brigadeführer Dr. Benno Martin inne. Mit der Durchführung war SS-Sturmbannführer Dr. Theodor Grafenberger betraut. Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde wurden gezwungen Listen der Juden zu erstellen, die zum Abtransport anstanden und gleichzeitig hatten sie diese Menschen zu betreuen. Der Polizeipräsident Dr. Martin wollte die Deportation auf jeden Fall möglichst unauffällig durchführen, um in der deutschen Bevölkerung eventuell befürchtete Ausschreitungen auszuschließen. Daher suchte er nach „einem außerhalb der Stadt gelegenen Ort, der, von der Öffentlichkeit abgeschirmt, ohne großen Aufwand zu bewachen war und zudem noch möglichst direkten Anschluß an eine Bahnverladestelle hatte.“ Im Lager in Langwasser wurde er fündig. Es entsprach seinen Vorstellungen. Der unweit vom Lager gelegene „Abgangsbahnhof“ Märzfeld bot hierzu eine ideale Verkehrsanbindung. Der Aufenthalt im Lager Langwasser bildete für die für die Deportation vorgesehenen Juden einen traurigen Höhepunkt ihres langen Leidensweges. Nach langen Jahren der Ausgrenzung, Verhöhnung, Diskriminierung, Isolierung, Entrechtung und Menschenverachtung in ihrer Heimatstadt, standen sie kurz vor der Vertreibung aus ihrer Heimat und der zwangsweisen Abschiebung ins Ausland.

Um das Vermögen der Juden in letzter Sekunde „juristisch und bürokratisch unbedenklich“ zu berauben, wurde durch die „Organisationsanweisung zur Durchführung der Judenevakuierung am 29.11.1941“ von der Gestapo festgelegt, dass nach der Wiederankleidung und nach einer vorausgegangenen körperlichen Untersuchung, im Raum IV durch einen Gerichtsvollzieher der Einzug und die Beschlagnahmung ihres Vermögens durch amtliche Zustellungsurkunde bekanntgegeben wird. Gleichzeitig wurde der jeweiligen Kennkarte des Juden der Stempel „Evakuiert“ aufgedruckt. Hierauf wurde der Jude der SSWache übergeben, die ihn nunmehr in das endgültige Sammellager verbrachte. Die Juden verloren somit ihre deutsche Staatsbürgerschaft. Drei Tage lang, vom 27. bis zum 29. November 1941 mussten die Juden in dem Barackenlager ausharren, ehe sie mit dem Zug weggebracht wurden. Der Bahnhof Märzfeld lag ungefähr einen Kilometer vom Lager entfernt. Zu Fuß, in Reihe setzte sich die Menschenmasse mit ihrem spärlichen Gepäck zum Bahnhof in Bewegung: Männer, Frauen, Kinder und Frauen mit Babys. Der Paketabschnitt mit der Deportationsnummer ist an der Kleidung angeheftet. Der Zug steht bereits bereit. „Abgezählt vor jedem Abteil, genau nach Nummern geordnet, stehen sie vor den Wa-

gentüren. Das Einsteigesignal wird gegeben, da wird schon mit den KZ-Methoden angefangen. Es ist keine Einsteigerampe vorhanden. Frauen und Kinder und ältere Personen müssen hinaufgehoben werden und wer nicht schnell in seinem Abteil verschwindet, wird mißhandelt.“ Um 15 Uhr setzt sich der Zug mit 1008 fränkischen Männern, Frauen und Kindern in Bewegung: Ziel Riga-Jungfernhof in Lettland. Für die Insassen war das Ziel unbekannt. Der Personenzug 3. Klasse (es wurden keine Viehwagons eingesetzt, wie oftmals angenommen wird) wurde von der Deutschen Reichsbahn zur Verfügung gestellt. Der Sammeltransport mit der Nummer Da 32 umfasste nach neuesten Kenntnisstand neben 89 Fürther Juden, Juden aus Bamberg (118 Personen), Bayreuth (46), Coburg (25), Erlangen (4), Forchheim (8), Würzburg (202) und Nürnberg (516); zusammen 1008 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Das Ziel: Lager RigaJungfernhof

Das Ziel des Deportationszuges aus Nürnberg war das etwa 1200 Kilometer von Nürnberg entfernte Lager Riga-Jungfernhof, das sich etwa 6 Kilometer südöstlich der lettischen Hauptstadt Riga befand. Ursprünglich sollte dieser Transport in das Ghetto Riga geleitet werden. Es war jedoch kein Platz für die angekommenen Juden aus dem Reichsgebiet,

da das Ghetto erst von nahezu 30000 lettischen Juden „frei gemacht“ werden sollte. Schätzungsweise 26500 lettische Juden wurden im Wald von Rumbula am 30. November und am 8./9. Dezember 1941 ermordet. Die Ankunft des Transportzuges aus Nürnberg war am 2. Dezember 1941 auf dem Rigaer Verladebahnhof Šķirotava. Unterwegs wurde ein Mann erschossen. Weitere zwei Personen fehlten bei der Ankunft. Wahrscheinlich waren auch sie getötet worden. Die Männer, Frauen, Kinder, Alte und kranke und gebrechliche Menschen mussten den Zug verlassen und zu Fuß den anderthalb Kilometer langen Weg zum Lager marschieren. Es war bitterkalt und ein starker Wind blies über die weite trostlose Landschaft. Der Jungfernhof war ein großes Landgut, das einem Baron gehört hatte, jedoch verlassen war. Das Gut befand sich am Fluss Daugava. Dieses Landgut sollte als Ersatz dienen für die Unterbringung der für das Ghetto Riga vorgesehenen insgesamt 3984 Juden aus vier Deportationszügen aus dem Deutschen Reich (Stuttgart, Hamburg, Nürnberg und Wien). Der Gutshof war völlig ungeeignet, so viele Menschen in seinen vorhandenen Gebäuden aufzunehmen und ihnen eine menschenwürdige Unterkunft zu gewährleisten. Zumal die „Behausungen“, Scheunen, Ställe und Heuscho-

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