Vorwort 1932
Von den Ende 1932 in Fürth lebenden 80.280 Einwohnern waren schon zu Jahresbeginn
14.436 Personen arbeitslos. An den Volksschulen wurden die Kinder in 180 Klassen bei
durchschnittlich 43,3 Schülern und Schülerinnen pro Klasse unterrichtet. Das Schuljahr
endete an Ostern und man kannte nur die Notenstufen 1 bis 4. In den Stadtbereichen
Nürnberg und Fürth kam es aufgrund der allgemeinen Not zu 183 Selbstmorden. Die
durchschnittliche Patientenzahl im Fürther Krankenhaus betrug 188,4 Kranke. Die Stadt
Fürth war mit ihren Gebührensenkungen am Ende der Fahnenstange angekommen,
eingestellt wurde bei der Stadt im gesamten Jahr niemand. Nur 2.969 Fürther konnten sich
den Luxus eines Telefons leisten, für die meisten Arbeitslosen wurde dagegen der Gang zum
"Wolferla" (Wohlfahrtsamt) im alten Krankenhaus an der Schwabacher Straße zum
Spießrutenlauf. Von 21 konzessionierten Fürther Taxis verkehrten nur noch sieben. Die
wenigen Faschingsbälle organisierte man - um Kosten zu sparen - meist mit anderen
Sportvereinen gemeinsam. Für einen Stundenlohn von 1,50 RM kam der Musiklehrer damals
sogar ins Haus. Die schier unverkäuflichen Warenmengen in den Fürther Geschäften trafen
auf einen Mangel an Geld bei den potentiellen Käufern. Nächtliche Diebstähle auf
Gemüsefeldern und Entnahmen aus Fischweihern waren gang und gäbe. Fahrräder musste
man nach dem Abstellen mehrfach sichern. Bei allen wirtschaftlichen Widrigkeiten machten
1932 zwei Fürther Unternehmer auf sich aufmerksam: Dr. Otto Seeling, dem es gelang,
mehrere Glashütten zur "Deutschen Tafelglas AG" mit Sitz in Fürth zusammenzuführen
sowie der junge Unternehmer Gustav Schickedanz, der mit "Dukaten-Wolle" mit seinem
Quelle-Versandhaus erste große Erfolge erzielte. Der überwiegend von Geschäftsleuten
genutzte Fürther Flughafen im Ortsteil Atzenhof hielt sich 1932 bei weniger Starts und
Landungen in Deutschland statistisch auf einem beachtlichen Platz acht.
Den Urlaub verbrachte man im Fürther Flussbad oder im Freibad an der Dambacher Brücke.
Zu den angenehmen Abwechslungen im Jahresverlauf zählten der auf zehn Tage reduzierte
"Poculator", die noch 25 Vorstellungen (vorher 37) im "Fürther Stadttheater", Fahrten mit
dem "Schlagrahmdampfer" zum Kaffeehaus Weigel nach Kronach oder "Blütenfahrten" mit
dem Intra-Omnibus zu diversen Zielen in der fränkischen Region. Im Juni lockte der Bummel
über die "Schießhauskirchweih" am Schießanger. Höhepunkt des Jahres war für die Fürther
natürlich im Herbst der Besuch der Fürther Kirchweih einschließlich der umliegenden
Gaststätten, die musikalisch fest in der Hand der "Harfenzupfer" waren. Abgerundet wurden
die wenig angenehmen Seiten des Lebens durch eine Unzahl von "Fisch- und Ganspartien"
im Winter, für die man das Jahr über in "Fressvereinen" ansparte. Für die zwangsläufig viele
Freizeit zeigten sich die Fürther Sportvereine zuständig, wo beim TV Fürth 1860 der spätere
Olympiasieger Alfred Schwarzmann mit herausragenden Leistungen schon jetzt auf sich
aufmerksam machte.
Die Liebe der Fürther zum Fußball blieb jedoch unübersehbar. Die Besucher sahen bei
Spielen der SpVgg im Ronhof erstklassiges Niveau. Auch 1932 erreichte man die Endrunde
zur Süddeutschen Meisterschaft. Spieler wie Hagen, Leinberger, Franz und Kießling kannte
damals fast jedes Kind.
Auch in Fürth dominierte 1932 wie auch anderswo das "Völkische": Die Fürther Ortsgruppe
der NSDAP feierte schon mal das "Julfest" und veranstaltete "Deutsche Tanzabende". Bei
Beerdigung eines Parteimitgliedes erschienen Angehörige und Freunde vereinzelt sogar in
Parteiuniform. Das Elend der Masse geriet zum Nährboden zugunsten der Nazis, zumal sich
Sozialdemokraten und Kommunisten gegenseitig bekämpften.
Die hier aufgeführten Ereignisse stellen nur einen stichwortartigen Überblick zum Jahr 1932
dar. Alle Ausführungen beziehen sich auf den Fürther Lokalteil der "Nordbayerischen
Zeitung" (NZ). Bei Mehrfachaufführungen im Stadttheater Fürth wurde zur Vermeidung von
Wiederholungen nur der jeweils erste Vorstellungstag erfasst.
Der Verlag und der gemeinnützige Verein "Fürther Geschichtswerkstatt e.V." bedanken sich
sehr herzlich bei dem Leiter des Fürther Stadtarchivs, Herrn Dr. Martin Schramm, sowie
seinen Mitarbeiter(inne)n, hier insbesondere Frau Ingrid Baier und Herrn Maximilian Brandl,
Seite:Kuntermann 1932.pdf/1
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