17. Dezember 1947 Wenn der Gasmann läutete, verhieß dies den Haushalten meist nichts Gutes. Jetzt aber kam der Gasmann der Stadtwerke als eine Art Weihnachtsmann, denn er ließ den vielgeplagten Hausfrauen wissen, dass sie im Gasverbrauch an den Feiertagen über die Stränge schlagen durften, vorausgesetzt, dass nicht ganz übermäßig gesündigt wird. Der Bericht des Kreisbeauftragten für das Flüchtlingswesen stand im Zeichen wirtschaftlich immer schlechter werdender Verhältnisse. Der Mangel an Kleidung, Wäsche, Schuhe und Wohnraum machte sich besonders in Flüchtlingskreisen bemerkbar. Der Gesundheitszustand war noch gut, der Ernährungs- und Kräftezustand jedoch schlecht. Das Lager an der Dynamit war nunmehr vollständig als Dauerwohnlager eingerichtet, die Bewohner zahlten dafür Miete. Die Lager im Schloss Burgfarrnbach, am Espan sowie das Obdachlosenheim an der Badstraße bereiteten dem Gesundheitsamt Probleme, denn viele dort lebende Flüchtlinge waren demoralisiert und entwickelten Depressionen. Die Evangelische Bahnhofsmission Fürth, die in den letzten Monaten Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer betreute und verpflegte, rief für den 20. Dezember zu einer letzten Spendensammlung am Fürther Hauptbahnhof auf. Service pur! Die „Zentral-Lichtspiele“ hatten bisher an Sonntagen stets vor Beginn der Abendvorstellung die wichtigsten Sportergebnisse mündlich dem Kinopublikum verkündet. Ab sofort veröffentlichte man die Ergebnisse (vor allem natürlich die Sonntagsergebnisse der Süddeutschen Fußball-Oberliga) oft schon vor 18 Uhr übersichtlich geordnet auf einer Anschlagtafel am Kinoeingang an der Schwabacher Straße. 20. Dezember 1947 Die Non-Stop-Schau konnte als Weihnachtsüberraschung am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag den Filmkomiker Theo Lingen nach Fürth verpflichten. Es war das erste Auftreten des nach Wien übergesiedelten Künstlers nach dem Kriege in Deutschland. Theo Lingen hatte inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen. In zunehmenden Maß weigerten sich in letzter Zeit die Vermieter, Untermieter in beschlagnahmte Räume aufzunehmen. In den meisten Fällen musste sogar polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Das Wohnungsamt ließ über die Presse mitteilen, dass derartige Vermieter Gefahr liefen, ihre gesamte Wohnung zu verlieren. Wo polizeiliche Hilfe zur Einquartierung notwendig war, wurde außerdem eine empfindliche Geldbuße für die Verweigerer ausgesprochen. Der Christbaumverkauf in Fürth verlief zur Zufriedenheit der Händler. In der Innenstadt kam es zeitweise sogar zu Schlangenbildungen. Zwar gab es keine Weihnachtsbuden mit Spielwaren oder Christbaumschmuck, wohl aber Heringsbrater und Verkaufsstände mit Sardinenbroten. Die Fürther Preisbehörde deckte immer wieder Betrügereien auf. So kam es im letzten Halbjahr zu Untergewichten bei Brot oder Überpreisen bei Nudeln und Salz. Wie es möglich war, dass eine Privatperson in Einzelhandelsgeschäften größere Mengen von Haushaltswaren zum Ladenverkaufspreis einkaufen und sie mit 300 bis 400% (!) Aufschlag absetzen konnte, blieb der Behörde ein Rätsel. 24. Dezember 1947 Eine Flut von Weihnachtsveranstaltungen gab Flüchtlingen und Minderbemittelten das Gefühl, nicht im Stich gelassen zu werden. So luden Amerikaner und Deutsche zu einem Krippenspiel ins Stadttheater ein, die Jungsozialisten feierten im Heim an der Hirschenstraße und verlosten Päckchen an die Besucher, im überfüllten Logenhaus hielt der 21. Flüchtlingsteildistrikt ein Notweihnachtsfest ab und der „Red Castle Club“ lud 800 Fürther Kinder zu einer Weihnachtsfeier in die Turnhalle des Engineer Depots ein. Ein Weihnachtsgeld erhielten nach einem Beschluss des Stadtrats alle Beamten, Angestellten und Arbeiter mit einem monatlichen Einkommen bis 220 RM (ohne Kinderzuschläge). Die steuerfreien Zuwendungen betrugen 25 RM für Verheiratete, 20 RM für Ledige. Die städtischen Ämter, Dienststellen und Betriebe waren von Mittwoch, 24. Dezember, ab 12 Uhr bis 28. Dezember geschlossen. Am 31. Dezember wurde nur vormittags gearbeitet. Am Samstag, 3. Januar wurde von 7.30 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr gearbeitet. Um der starken Nachfrage nach gewerblichem Bauland abzuhelfen, wurde die Fläche der zerstörten Siedlung an der Wehlauer Straße mit rund 30 000 qm für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Je 50 g Margarine wurden in der 3. Woche der 109. Zuteilungsperiode auf Abschnitt Fett I, in der 4. Woche auf Fett A an Normalverbraucher abgegeben. 65
Seite:Kuntermann 1946-47.pdf/65
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