Juni 1912 1. Aussperrung von 1.500 Arbeiterinnen und Arbeiter in der Holz- und Metallspiegelindustrie, da beim Streik von 400 Beschäftigten der Holz- und Metallspiegelfabrik Max Offenbacher bis zum Vortage keine Einigung erzielt werden konnte. - Der Magistrat beschließt, Verhandlungen mit Nürnberg in bezug auf die Errichtung eines gemeinsamen Schlachthofes aufzunehmen. Weiterhin soll in Nürnberg angefragt werden, ob die Nürnberger Krankenhäuser durch Fürther mitbenutzt werden dürfen.111 2. Am Platz der SpVgg endet das Spiel um den Goldpokal Kickers Stuttgart gegen SpVgg mit 2:1.112 3. Die drei größten kaufmännischen Organisationen in der Stadt empfehlen in einem Rundschreiben an ihre Mitglieder, ihre Kontore und Magazine an Samstagen in den ersten Nachmittagsstunden zu schließen und „so in weitsichtiger und moderner Weise das Wohl ihrer Angestellten fördern zu helfen“. - 30. Verbandstag der Bäckermeister des Zweigverbandes Franken mit 400 Delegierten. Der Verband umfaßt 20 Innungen mit 1.400 Mitglieder.113 - Der Lederpreis steigt um 20 Mark pro Zentner. Damit hat sich der Lederpreis innerhalb von 15 Jahren verdoppelt. Die Kleinmeister im Schuhmachergewerbe leiden hierunter - eigenen Angabe zufolge - sehr, da sie die Preise aufgrund der Konkurrenz von größeren Betrieben nicht im gleichen Maße weitergeben können.114 5. Eröffnung der Handwerkerfachschule für die Holzindustrie.115 - Das Bäckerhandwerk tritt in eine Bewegung: Im Evorasaal spricht der Zentralvorsitzende des Deutschen Bäcker- und Konditorgehilfenverbandes Allmana über die Beseitigung „veralteter Zustände im Bäckergewerbe“. In der Versammlung werden u.a. folgende Forderungen an sämtliche Fürther Bäckermeister beschlossen: Arbeitszeitverkürzung von 12 auf 11 Stunden täglich, Mindestlohn für Gehilfen 8 Mark (bisher 7 Mk.) wöchentlich, 3 bis 7 Tage Urlaub (je nach Betriebszugehörigkeit) für geleistete Sonntagsarbeit. Der Tarif soll 3 Jahre Gültigkeit haben, falls zum 1. Juli 1914 eine weitere Lohnerhöhung um 1 Mark stattfindet, der Tarif soll in jedem Betrieb an leicht einsehbarer Stelle ausgehängt werden.116 - Das Bildhauergewerbe vermeldet nach kurzzeitiger „Krisis“ wegen des vor drei Jahren ins Leben gerufenen „modernen Stils“, [leider ist nicht angegeben, was damit gemeint ist, vielleicht der Jugendstil?; Anm. A.M.] der jedoch keine länger Lebensdauer beschieden gewesen sei. An seiner Stelle sei inzwischen wieder das alte Barock getreten. Die große Nachfrage nach Bildhauern derzeit zwinge verschiedenen Fabriken wie Hemmersbach und Otto zu Überstunden.117 - Die König-Ludwig-Quellen vermelden starken Zuspruch und 14.000 Besucher seit der diesjährigen Eröffnung. Im neuen Badehaus wurden über 3.000 Thermalbäder verabreicht. Auch der neuerrichtete Schweizer Milchpavillon wird gerne besucht.118 6. Fronleichnam. 8. Der Widerstand der Türken in Tripolis gegen die Italiener ist gebrochen. - Die in den Holzbetrieben beschäftigten Hilfsarbeiter erhielten die im Vertrage in der Holzindustrie verankerte Aufbesserung von 2 Pfg. pro Stunde ab 1.4.1912 von den Fürther Unternehmern mit der Begründung nicht, sie seien keine richtigen Hilfsarbeiter, sondern Hofarbeiter, Hausknechte, Späneträger usw. Die Hilfsarbeiter traten in den Streik. Als die Schreiner sich solidarisch erklärten und keine Materialien verarbeiteten, die ihnen „von unberufenen Personen“ vorgelegt wurden, kamen die Betriebe ins Stocken. Die Forderungen der Hilfsarbeiter werden nun erfüllt.119 - Dreifache Jubelfeier der Veteranenund Militärvereine: 80jähriges Jubiläum des Veteranenvereins, 25jähriges des Militärvereins Wittelsbacher, 15jähriges Gründungsfest der Kriegergenossenschaft Fürth (Zusammenschluß des Veteranenvereins, des Veteranenund Kampfgenossenvereins, des Kriegsveteranenvereins, des Militärvereins und des Militärvereins Wittelsbacher I). Zug der Vereine zum Kriegerdenkmal im Stadtpark und Festkommers im Schwarzen Kreuz mit diversen Ehrungen und Reden, Verlesung von Glückwunschtelegrammen seitens Alfred Nathan und Heinrich Morgenstern. Fortgang am Folgetag: 9. Feldgottesdienst am Lindenhain (Altar flankiert von 2 Feldgeschützen), an dem auch das Offizierskorps und die dienstfreien Unteroffiziere und Mannschaften teilnahmen, dann ging es vom Schießanger „unter klingendem Spiel“ weiter durch die Schützen- und Königstraße zum Kriegerdenkmal am Hallplatz, von dort zurück zum Schwarzen Kreuz, wiederum Ehrungen. Ein Festzug zieht dann vom Bahnhof zur Turnhalle, wo „eine stattliche Zahl Ehrenjungfrauen und Mädchen in weißen Kleidern und etwa 41 Vereine mit 25 Fahnen vertreten“ waren. Später „ging es mit Weib, Kind und Kegel mit wehenden Fahnen und klingendem Spiel durch die Stadt nach dem Prater.“ Bei eingetretener Dunkelheit wurde noch ein Feuerwerk abgebrannt.120 - Die Spielvereinigung hält „Nationale Olympische Spiele“ mit ca. 200 Sportlern ab (der größte Teil aus Bayern, aber auch aus Frankfurt und Charlottenburg waren Teilnehmer anwesend).121 10. Der Streik und die Aussperrung in der hiesigen Glasindustrie sind beendet. Die Forderungen der Ausständigen wurden zum Teil erfüllt. (vgl. 24.5. u. 1.6.).122 11. Hauptlehrer Jakob Schäfer stirbt (9 Jahre Mitglied in den städtische Kollegien). Schäfer nahm zahlreiche Ehrenämter in zahlreichen Vereinen ein. In der Protestversammlung am 25.4. gegen die Einverleibung Fürths (s.o.) hielt er das Referat.123 77
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