der ehemalige Reichstagsabgeordnete Hue den christlichen Gewerkschaften (die einen Streik ablehnten) u.a. Verrat vor. Der christliche Gewerkschaftler Worms (aus Essen) antwortete, man habe vor allem aus finanziellen Erwägungen den Streik vermeiden wollen. Seine Schlußäußerung führt zum Tumult: „Wer uns Verrat vorwirft, ist selber ein Verräter. Sozialdemokratie, dein Name ist Arbeiterverrat.“ - Firmung der Kommunikanten in der Pfarrkirche Unsere Liebe Frau (330 Kinder) und der Heinrichskirche (190 Kinder, äußere Stadt und Landbezirk).77 25. Protestveranstaltung gegen die Einverleibung Fürths nach Nürnberg im überfüllten Geismannssaal. Eine Resolution sieht in der Vorgehensweise von OB Kutzer die Stadt in ihrem „Ansehen und Kredite“ geschädigt und verlangt eine endgültige Abstandnahme von dieser Idee. Die Versammlung spricht zudem der Stadtvertretung das Recht ab, die Eingemeindung zu betreiben, da der Stadtrat „nicht auf diese Frage gewählt ist“.78 26. Der Verein „Hilfsquelle Fürth“ (Unterstützung von Krankheits- und Sterbefällen) hält seine 50. Jahresversammlung ab (gegründet 1862 vom Drechsler Jobst Vollmer und Mitgliedern des Vereins „Eintracht“). 2.354 Mitglieder.79 27. Fürth bekommt keine Anbindung an die Biberttalbahn. Das Fürther Tagblatt kritisiert in diesem Zusammenhang, daß zudem auch der Anschluß der Bibertbahn an die Lokalbahn Fürth-Cadolzburg versäumt wurde, der 1897 kurz vor dem Abschluß stand.80 28. Die Lokalbahn nach Cadolzburg beförderte an einem Tag anläßlich der Kirschblüte in Cadolzburg 14.150 Personen. - Der Rennverein „Triumpf“-Fürth blieb bei den Vereins-Staffettenfahren des Gaues 15 des Deutschen Radfahrer-Bundes über 100 Kilometer (Nürnberg-Bamberg-Nürnberg) zum zweite Male Sieger. Damit geht der Pokal endgültig in den Besitz des Fürther Vereins über.81 30. Flugzeugausstellung auf dem Platze Ecke Theresien-/Ottostraße, der Besuch läßt jedoch zu wünschen übrig.82 Die am 25. im Geismannssaal beschlossene Protestresolution wird dem OB übergeben. Das Gemeindekollegium weist [anscheinend ohne auf den eigentlichen Gegenstand einzugehen] die auf der Protestversammlung von 25. angeblich gefallenen „Verunglimpfungen“ und „schweren Beleidigungen“ des Oberbürgermeister und der städtischen Kollegien zurück. Gestützt wird der Beschluß von den Sozialdemokraten und acht Mitgliedern der Bürgerpartei sowie 5 Mandatsträgern aus der fortschrittlich-volksparteilichen Fraktion. 9 Herren der fortschrittlichen Volkspartei stimmen gegen den Beschluß.83 Gewerbliche Statistik: Die Konjunktur stagniert im April, das Baugewerbe nimmt weiter zu, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück, da der Wohnungsbau stockt. Aus der Papier- und Lederindustrie muß ein flauer Geschäftsgang vermeldet werden. 84
Mai 1912 1. „Die Maifeier der sozialdemokratischen Partei wurde in üblicher Weise begangen. Morgens 8 Uhr wurde ein Spaziergang nach dem Stadtwalde unternommen und abend(s) eine Familienfeier im Evorasaale abgehalten. Redner war unser Mitbürger Herr Martin Segitz (Reichstagsabgeordneter), welcher auf die Bedeutung des Tages hinwies. Es wurde die für das ganze deutsche Reich gleichlautende Resolution angenommen, die die Einführung des Achtstundentages und die Koalitionsfreiheit fordert und Protest gegen die Rüstungen einlegt.“ - Die Besitzer der König-Ludwig-Quelle erwarben zur Erweiterung ihrer Parkanlagen den bisher der Firma I.C. Otto gehörigen 85 Grundbesitz Ecke Kanal- / Dr. Mack - Straße. - Der Handel mit den deutschen Kolonien muß immer mehr subventioniert werden: Steigerung von 25,7 Mio. Mark (1910) auf 28,6 Mio. Mark (1911). 86 3. Ein Agitationskomitee für die Wahrung der Selbständigkeit Fürth bildet sich. 5. Der Bayerische Automobilklub Nürnberg verteilt Preise an Chauffeure, die über 5 Jahre bei einem Klubmitglied beschäftigt sind. Auch aus Fürth sind drei Fahrer dabei (Klubmitglieder: Großhändler J. Louis Sahlmann, 87 Großhändler Karl Sahlmann, Fabrikbesitzer Trommeter). - Rußland: Erstmaliges Erscheinen der bolschewistischen Parteizeitung „Prawda“. 6. 25-Jahrfeier des Bezirksvereins Fürth und Umgebung des deutschen Werkmeisterverbandes. - Der Ausschluß des Gemeindebevollmächtigten Wagenhöfer aus der freiwilligen Feuerwehr wird von der Hauptversammlung bestätigt (Grund: Anschuldigungen gegen die FFW bei den Etatberatungen, also unkameradschaftliches Verhalten).88 Abends nach langer Trockenzeit endlich Gewitter und Regen.89 7. In einer gemeinschaftlichen Sitzung der beiden städtischen Collegien wird über die letzten Differenzpunkte zum Haushaltsplan 1912 Einigkeit erzielt. So soll aus dem Ertrage des städtischen Anteils der Reichswertzuwachssteuer 40% den laufenden Mitteln zugewiesen werden, aus weiteren 40% soll dagegen ein Fonds gebildet werden.90 9. In der Magistratssitzung wird zwecks Staubbekämpfung beschlossen, eine Reihe von Straße mit Epphygrit zu besprengen. Weiterhin wird das Projekt eines Brückenbaus von der Jakobinenstraße zum Espan diskutiert: Die Kosten werden auf 250.000 bis 300.000 Mark und das Verkehrsinteresse als nicht sehr schwerwiegend eingeschätzt. Ein Brückenbauverein, der auf eine bessere Verwertung der Grundstücke am Espan nach dem Bau hofft, hat immerhin Betragszeichnungen von 80.000 Mark erwirkt (entspricht 600 Mark für das Tagwerk der allesamt privatwirtschaftlich Interessierten). OB Kutzer schlägt vor, keine Gewähr für die Vollendung des Bauwerkes zu 75