Beanstandungen.42 8. Bericht der städtischen Sparkassa: Das Guthaben der Einleger betrug zu Beginn des Quartals 7.825.000 Mark, am Ende 8.054.000 Mark.43 10. Der Jugendfürsorgeverband gibt seinen 2. Jahresbericht heraus (Gründung 27.4.1909), die Arbeit hat sich im zweiten Geschäftsjahr von 291 auf 551 Fälle bedeutend vermehrt : „Gerade unserer Stadt Fürth mit den vielen zugewanderten Familien..., mit der großen Anzahl von Witwen und ledigen Frauenspersonen, die dem Verdienste nachgehen müssen und sich um die Erziehung ihrer oft großen Kinderschar wenig kümmern können, bietet der helfenden und rettenden Fürsorge Arbeit genug“.44 11. Der neue Stadtführer des Verschönerungsvereins erscheint (Preis 50 Pfg.).45 - Der Magistrat erläßt eine ortspolizeiliche Vorschrift, die sich gegen die Ausrottung einer Reihe von wildwachsenden Pflanzen richtet, darunter finden sich: Weiße Osterblume, Akelei, Mondviole, Mondraute, Geißbart, Frühlingsheidekraut, alle Orchideen, Türkenbund, weiße und glänzende Seerose, gelbe Teichrose, Sonnentau, Fingerhut, Rohrkolben, Frühlingsenzian, Seidelbast, Maiglöckchen, astlose Graslilie, Schattenblümlein und die Wasserschwertlilie.46 12. Der Streik der Holzarbeiter hält an, beteiligt sind 1.150 Arbeiter, von den Ledigen haben sich 25 Auswärtige auf die Wanderschaft begeben.47 13. Die Fürther Müllverbrennung zieht fortgesetzt das Interesse auswärtiger Stadtverwaltungen auf sich, so sind Besuche aus Wien, Berlin, Budapest und Danzig zu verzeichnen.48 17. Die Spielvereinigung spielte vor etwa 5.000 Zuschauern gegen Circle Athlethique de Paris (Ergebnis: 9:1). Weiterer Kommentar von Chronist Rieß: „Dem Fußballsport wird in hiesiger Stadt stark gehuldigt. Es finden jeden Sonntag Spiele statt, welche trotz der ziemlich hohen Eintrittspreise (Trib. Sitzplatz 1,50 M, Trib. Stehplatz 1,- M, 1. Platz 80 Pfg., 2. Platz 60 Pfg., Kinder 30 Pfg.) stark besucht werden. Zur Zeit sind 13 Vereine in Fürth, welche diesen Sport betreiben: An erster Stelle steht die Spielvereinigung mit 800 Mitgliedern ... Die Spielvereinigung hat einen Trainer aus England engagiert, gegen eine Gage von 280 Mark monatlich. Der Vertrag läuft auf 2 Jahre.“49 19. Tod von Pauline Berlin, eine große Wohltäterin der Stadt, u.a. 30 Jahre im Vorstand des Frauenvereins zur Pflege ehelicher Wöchnerinnen (vgl. 14.2.1912).50 20. Die Silberschlägergehilfen und Kleinmeister (sog. Spiegelbelegmeister) sind in den Streik eingetreten (beendet am 22.5.). - Die städtische Sparkasse machte 1910 einen Überschuß von 44.663 Mark (1909: 40.342 Mark). - Im Magistrat werden Untersuchungsergebnisse von Lebensmitteln bekanntgegeben, wobei erhebliche Mängel hervortreten: Leberkäs enthält Mehl, Margarine wurde als Butter verkauft, weißer Pfeffer mit kalkhaltigem Ton überzogen, Eiernudeln, Rotweinessenz und Marmelade mit Teerfarbe gefärbt.51 20. Angesichts innerer Unruhen in Marokko entsendet die französische Regierung auf Bitten des Sultans Truppen in die Hauptstadt Fez. Dies ist ein Verstoß gegen Verträge der europäischen Großmächte von 1906, nach denen Marokko weder deutsche noch französische Kolonie werden soll. Deutschland protestiert jedoch nicht gegen den Vertragsbruch, da es nun seinerseits die Möglichkeit sieht, seine eigenen Interessen im rohstoffreichen Marokko wahrzunehmen und möglicherweise Teile des Landes militärisch zu besetzen. Das deutsche Reich bestätigt im folgenden den schlechten Ruf seiner Außenpolitik (s. 1.7.11). 26. Eingabe von 25 jüdischen Engros- und Bankgeschäften, die am Sabbath ihrem Personal völlig frei geben und deshalb nachsuchen, ihnen an den Sonntagen und christlichen Feiertagen zu gestatten, nur jüdisches Personal vormittags anstatt von halb 11 Uhr bis 12 Uhr von 8 bis 12 Uhr beschäftigen zu dürfen. Dies wird von Magistrat und Gemeinde genehmigt: „Dabei müssen aber die Geschäftsräume für den allgemeinen Verkehr geschlossen sein und dürfen im Innern der Räume Lärm oder Aergernis erregende Arbeiten nicht verrichtet (werden)“.52 27. Das letzte erhaltene Steinfigürchen aus dem Lochnerschen Pfarrgarten wird im Stadtpark am hinteren Eingange zum Blumengarten aufgestellt. Die 1,50 m hohe, stark verwitterte Steinplastik stellt ein nacktes Kind mit Bischofsmantel dar. - Der Verein für Gesundheitspflege errichtet - im Rahmen seiner Arbeit gegen die Schädigung des Volkswohles durch den Mißbrauch alkoholischer Getränke - an der Unterführung Leyher Straße eine kleine Kaffeehalle.53 Ende April: Verschiedene rührige Vereine verschicken ihre Jahresberichte, so der katholische Gesellenverein (Aufgabe: Bereitstellung billiger Wohnungen für nicht einheimische Gesellen, Unterhaltung und Bildung derselben), der Verein für Ferien und Waldkolonien (Aufgabe: vor allem Kinderverschickung, Ferienspaziergänge, 1910/11 Erbauung eines eigenen Ferienheimes bei Cadolzburg) und der Volksbildungsverein.54 Gewerbliche Statistik: ziemlich unveränderte Wirtschaftslage, einen größeren Aufschwung zeigt die Papier- und Lederindustrie.55 Städtischer Arbeitsnachweis: 580 Gesuche, 681 Angebote, 413 besetzte Stellen. Mit Ausnahme der Holzindustrie, die bestreikt wurde, war die Nachfrage nach Arbeitskräften auf alle Arbeitsgebieten sehr lebhaft. In den Bereichen der Schneider, Schuhmacher, Tüncher und Metallschläger konnte der Bedarf nicht gedeckt werden.56
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