Bahnhofsmission Fürth
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Die Bahnhofsmission Fürth e. V. wurde am 1. März 1947 vom Pfarrer Walter Kreitschmann mitbegründet. Sie befand sich zunächst am Hauptbahnhof, wechselte dann in die Lessingstraße 17 ehe sie 1984 ihr Domizil in der Ottostraße 6 / 8 fand. Damit dürfte es sich bei der Bahnhofsmission Fürth um eine der wenigen, wenn nicht gar die einzige Bahnhofsmission in Deutschland handeln, die aktuell nicht direkt an einem Bahnhof angesiedelt ist.
Die Geschichte der Bahnhofsmissionen in Deutschland beginnt gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin. 1894 gründete der Pfarrer Johannes Burckhardt in Berlin die erste Bahnhofsmission. Mit der karitativen Einrichtung beabsichtigte er vor allem alleinstehenden Frauen, die im Zuge der Industrialisierung zunehmend in den deutschen Großstädten in prekäre Situation kamen, zu helfen. In Fürth begann die Arbeit der Bahnhofsmission allerdings erst nach dem 2. Weltkrieg. Die Arbeit beschränkte sich zunächst auf die Betreuung von Flüchtlingen, heimkehrenden Soldaten aus den ehem. besetzten Ostgebieten sowie "gefährdeten Kindern". Ab Mitte der 1950er Jahre wurde ein weiteres Betätigungsfeld in die Arbeit hinzugenommen - der Betreuung von wohnungslosen Personen mit psychosozialen Schwierigkeiten. Insbesondere diese Aufgabe sollte der Schwerpunkt der Fürther Bahnhofsmission in den kommenden Jahrzehnten werden.
Geschichte
Zunächst gründete Kreitschmann 1947 einen Freundeskreis zur Gründung einer Bahnhofsmission. Erst ein Jahr später, also am 6. Oktober 1948 konstituierte sich der heutige Verein und ließ sich in das Vereinsregister eintragen. Die Aufgabe der Bahnhofsmission war zunächst die damaligen Flüchtlinge aus den ehem. Ostgebieten zu betreuen, da diese häufig auf den Treppen, Bahnsteigen oder in der Bahnhofshalle übernachteten. Deshalb war es eine der ersten Aufgaben der Mitarbeiter der Bahnhofsmission die vermittelten von Schlafplätzen und Unterkünfte, aber auch Familienzusammenführungen, Verteilung von Essen oder Trinken, oder einfach nur die Möglichkeit eines Gespräches als Werk der christlichen Nächstenliebe. Zur Unterstützung dieser Arbeit bekam der Freundeskreis der Bahnhofsmission Fürth bereits am 4. März 1947 von der Deutschen Reichsbahn den früheren Warteraum der I. und II. Klasse im Hauptbahnhof, der u.a. auch vom örtlichen Roten Kreuz mit benutzt wurde. Der Warteraum wurde hierzu eigens von den Mitarbeitern mittels einer Bretterverschalung auf eigene Kosten getrennt.
Ab Oktober 1947 konnte die Bahnhofsmission ein erstes eigenes Übernachtungsheim für Flüchtlinge anbieten. Dabei handelte es sich um die Gaststätte Zum Gelben Löwen in der Gustavstraße 41.[1] Gleichzeitig übernahm die Bahnhofsmission u.a. die Verteilung von Hilfsgütern aus Amerika, die über den damals am Flughafen auf der heutigen Hardhöhe per Flugzeug angeliefert wurden. Kreitschmann erinnerte sich später daran, dass die Mitarbeiter die Hilfsgüter per Leiterwagen vom Flughafen in die Stadt brachten und vor dort aus an die Hilfsbedürftigen verteilten.
Am 6. Oktober 1948 traf sich der Freundeskreis um 20.15 Uhr auf Einladung von Walter Kreitschmann in seiner Privatwohnung in der Holzstraße 43 zur Gründung des Vereins. Bisher hatte sich der Freundekreis lediglich durch private Spenden finanziert, nun wollte man die Initiative auf solide Füße stellen.
Insgesamt acht Personen waren anwesend, alle acht stimmten der Gründung eines Vereins zu. Zum Gründungsvorstand gehörte:
- Walter Kreitschmann, Holzstraße 43, 1. Vorstand
- Dr. Med. Josef Hoffmann, Ludwigstraße 19, 2. Vorstand
- Lina Weinländer, Fürth, 1. Schriftführerin
- Anna Hiller, Fürth, 2. Schriftführerin
- Dr. Gerhard Klau, Simonstraße 21, Schatzmeister
- Dr. Mathilde Hoffmann, Ludwigstraße 19, 1. Beisitzerin
- Dentist Kurt Much, Fürth, 2. Beisitzer
Das Protokoll der Gründungssitzung führte Dr. Gerhard Klau. Zu den bisher aufgezählten Personen unterschrieben weitere Personen das Gründungsprotokoll. So findet man noch folgende Namen unter dem Protokoll: Frieda Knopf, Christoph Lechner.
Bereits nach kurzer Zeit konnte das Behelfsbüro im ehem. Warteraum, dass man sich mit dem BRK teilte, wieder aufgegeben werden, da die Reichsbahn der Bahnhofsmission ein eigenes Betreuungsbüro anbot. Zusätzlich konnte ab 1949 in der Lessingstraße 17 ein erstes Wohnungsheim für sog. Spätheimkehrer angemietet werden, sodass die Betreuung dieser Notleidenden Menschen noch besser organisiert werden konnte. Als feste Betreuerin konnte ab 1957 Schwester Maria Mailänder gewonnen werden, die den Dienst bis 1974 als Hauptamtliche im Übernachtungsheim absolvierte.
In einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1949 geht hervor, dass die Bahnhofsmission täglich ca. 70 bis 100 Menschen direkt am Bahnhof betreut. Hierzu stehen 35 ehrenamtliche Helfer zur Verfügung, die zusätzlich zum Büro am Hauptbahnhof auch noch die 30 Notbetten in der Lessingstraße mitbetreuen. Weiterhin berichtet der Artikel, dass die Bahnhofsmission nach eigenen Angaben im Jahr 1948 über 18.000 Personen am Bahnhof betreut hat und sogar trotz der schweren Zeiten, knapp 20 Zentner Lebensmittel in Kilopäckchen als Hilfslieferung nach Frankfurt a.d. Oder verschickt hatten.
Im September 1965 wechselte die Einrichtung den Ort, da der Eigentümer der Lessingstraße den Mietvertrag gekündigt hatte. Neuer Standort wurde die Ottostraße 6, in der noch heute sich das Übernachtungsheim befindet (Stand 2020). Im vorderen Bereich befand sich anfänglich noch eine Wäscherei, die von der Bahnhofsmission als erstes Resozialisierungsangebot mit Arbeitstherapie für Menschen mit psychosozialen Schwierigkeiten betrieben wurde und durch ihre Einnahmen die Arbeit der Bahnhofsmission mit finanzierte. Wie lange die Wäscherei in Betrieb war, und ob die Räume gleichzeitig von ebenfalls an der Stelle ansässigen Evangelischen Buchhandlung mitgenutzt wurden ist aktuell nicht ganz klar, da im September 1963 in den Räumen der Ottostraße 6 auch die Evangelische Buchhandlung eröffnet wurde.[2]
Die Bahnhofsmission musste mehrmals am Bahnhof umziehen. Nach dem ersten Domizil im ehem. Warteraum der I. und II. Klasse, den man sich noch mit dem BRK teilen musste, hatte die Bahnhofsmission ab 1949 erste eigene Räume. Allerdings musste hier die Bahnhofsmission umziehen in ein Büro zur Straßenseite, zu einem späteren Zeitpunkt zog die Bahnhofsmission in ein sog. Kioskgebäude zwischen den Gleisen und in eine provisorische Fahrkartenverkausbaracke auf dem Bahnhofsgelände. Ab Mai 1987 konnte die Bahnhofsmission erstmals ein ansehnliches Büro direkt am Bahnsteig 1 kostenlos anmieten, sodass die Bahnhofsmission auch gut erreichbar und sichtbar wurde.
Die Leitung der Bahnhofsmission hatte von Beginn an Pastor Kreitschmann. Lediglich in der Zeit von 1960 bis 1962 wurde er vertreten von seiner Frau Marta Kreischmann, da ihr Mann in Afrika als Missionar tätig war. 1982 verstarb der Gründer der Bahnhofsmission nach schwerer Krankheit. Bis zum Schluss hatte Kreitschmann noch ehrenamtlich mitgewirkt, während seiner Erkrankung bis zu seinem Tod wurde er von Dr. Grütz aus Johannesburg/ Südafrika vertreten. Danach übernahm zunächst kommissarisch der Sohn Hans-Dieter Kreitschmann die Amtsgeschäfte für ein Jahr. Ihm folgte Siegfried Schulz als hauptamtlicher Missionsleiter und Geschäftsführer - bis zu seinem überraschenden und unerwarteten Tod 1986.
Übernachtungsheim
Ab 1984 wurde zusätzlich ein Übernachtungsheim für alleinstehende und wohnungslose Männer in der Ottostraße eingerichtet. Das Übernachtungsheim steht in zwei Mehrbettzimmern mit acht Schlafplätzen - auch für durchreisende Obdachlose - zur Verfügung. Dabei erhalten in Not geratene Personen eine Vollverpflegung sowie unbürokratische Hilfestellung und eine Waschgelegenheit.
Sozialtherapeutisches Übergangsheim
In einem eigens eingerichteten Übergangsheim stehen in sechs Wohngruppen 24 sog. Heimplätze für wohnungslose Männer in besonders schwierigen Lebenssituation zur Verfügung. Für diese Behandlungsgruppe stehen ebenfalls sozialtherapeutisch geschultes Personal für bis zu 18 Monate zur Verfügung. Dabei orientiert sich das Angebot an den Themen: Wohnen - Arbeit - Finanzen - Gesundheit - Soziale Beziehungen.
Weitere Angebote
Neben den bisher beschriebenen Wohnprojekten bietet die Bahnhofsmission auch das betreute Wohnen für suchterkrankte Menschen an, sowie ein ambulantes Begleitprogramm und Hilfsangebote zur Arbeitstherapie.
Kontakt
- Evangelische Bahnhofsmission Fürth e. V.
- Ottostraße 6 u. 8
- 90762 Fürth
- Telefon (0911) 97 72 37-12
- Telefax (0911) 97 72 37-21
- Mail: kontakt(at)bahnhofsmission-fuerth.de
Weblinks
- Bahnhofsmission Fürth e. V. - Homepage
Literatur
- Hans-Dieter Kreitschmann (Hrsg.): 40 Jahre Evangelische Bahnhofsmission Fürth e. V., Eigenverlag, Fürth 1988
Lokalberichterstattung
- Wolfgang Heilig-Achneck: Bahnhofsmission Fürth hilft Wohnungslosen. In: Fürther Nachrichten vom 8. Dezember 2015 - online
- Stephan Altenburg: Verborgener Zwist - nach 39 Jahren muss der christliche Buchladen weichen. Bahnhofsmission hält sich bedeckt. In: Fürther Nachrichten vom 24. Januar 1996, S. 37