Emilie Lehmus: Unterschied zwischen den Versionen

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In Deutschland selbst durfte sie nicht studieren. So immatrikulierte sie sich [[1870]] in Zürich zu Studienzwecken. Zürich entwickelte sich in jener Zeit als ein Zentrum internationaler weiblicher Studentenschaft . <ref>hier immatrikulierten sich im späten 19. Jahrhundert so prominente Frauen wie Ricarda Huch, Rosa Luxemburg, Anita Augspurg, Lou Andreas Salomé</ref> Die Besonderheit in Zürich lag für weibliche Studenten darin, dass sie keinerlei Bildungsnachweise vorlegen mussten, lediglich ein "Sittenzeugnis". In vielen Ländern hatten Frauen ja nicht die Möglichkeit sich mit dem Abitur an der Universität zu bewerben. Hier in Zürich lernte sie auch Franziska Tiburtius, die Schwägerin von Henriette, beim Studium kennen. Nach neun Semestern beendete Emilie ihr Studium mit der Promotion „summa cum laude“. (Diese Auszeichnung wurde in den 10 davor liegenden Jahren an der Züricher Universität nur 6 männlichen Prüflingen zuteil.) Sie hoffte allerdings vergeblich, in Deutschland mit ihrem Doktortitel zum Staatsexamen zugelassen zu werden.<br />
 
In Deutschland selbst durfte sie nicht studieren. So immatrikulierte sie sich [[1870]] in Zürich zu Studienzwecken. Zürich entwickelte sich in jener Zeit als ein Zentrum internationaler weiblicher Studentenschaft . <ref>hier immatrikulierten sich im späten 19. Jahrhundert so prominente Frauen wie Ricarda Huch, Rosa Luxemburg, Anita Augspurg, Lou Andreas Salomé</ref> Die Besonderheit in Zürich lag für weibliche Studenten darin, dass sie keinerlei Bildungsnachweise vorlegen mussten, lediglich ein "Sittenzeugnis". In vielen Ländern hatten Frauen ja nicht die Möglichkeit sich mit dem Abitur an der Universität zu bewerben. Hier in Zürich lernte sie auch Franziska Tiburtius, die Schwägerin von Henriette, beim Studium kennen. Nach neun Semestern beendete Emilie ihr Studium mit der Promotion „summa cum laude“. (Diese Auszeichnung wurde in den 10 davor liegenden Jahren an der Züricher Universität nur 6 männlichen Prüflingen zuteil.) Sie hoffte allerdings vergeblich, in Deutschland mit ihrem Doktortitel zum Staatsexamen zugelassen zu werden.<br />
  
==Berufstätigkeit als erste deutsche Ärztin==
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==Berufstätigkeit als erste Berliner Ärztin==
 
1875 ging sie sodann für einige Monate an die Universitäts-Entbindungsanstalt nach Prag, im Anschluss an die Königliche Entbindungsanstalt und Frauenklinik nach Dresden. Dort war sie bei dem Gynäkologen Prof. Franz von Winckel tätig, dem derzeit einzigen Professor in Deutschland, der Assistentinnen aufnahm und an seiner Klinik ausbildete.
 
1875 ging sie sodann für einige Monate an die Universitäts-Entbindungsanstalt nach Prag, im Anschluss an die Königliche Entbindungsanstalt und Frauenklinik nach Dresden. Dort war sie bei dem Gynäkologen Prof. Franz von Winckel tätig, dem derzeit einzigen Professor in Deutschland, der Assistentinnen aufnahm und an seiner Klinik ausbildete.
  

Version vom 19. Juli 2019, 12:12 Uhr

Emilie Lehmus (geb. 30. August 1841 in Fürth im Pfarrhof, gest. 17. Oktober 1932 in Gräfenberg bei Erlangen), war die erste Medizinstudentin Deutschlands und erste Berliner Ärztin.

Ausbildung

Emilie wurde als Tochter von Pfarrer Friedrich Theodor Eduard Lehmus als eine von sechs Töchtern geboren. Dank der fortschrittlichen Einstellung der Eltern erhielt sie - wie auch ihre Schwestern - eine Berufsausbildung. In Paris setzte sie ihren Schulbesuch für Sprachstudien fort. Zurück in Fürth war sie als Lehrerin an einer höheren Töchterschule tätig, was darauf schließen lässt, dass sie in Paris das Lehrerinnenexamen absolviert hat.
Die 29-jährige Emilie Lehmus besuchte 1870 eine ihrer verheirateten Schwestern in Berlin und lernte dabei Henriette Hirschfeld-Tiburtius kennen. Auf einer gemeinsamen "Spreewaldwasserfahrt" reifte in ihr der Entschluss, Medizin zu studieren. [1] Von ihrem Vater Eduard Lehmus wurde sie daraufhin in Latein unterrichtet.

Medizinstudium in Zürich

In Deutschland selbst durfte sie nicht studieren. So immatrikulierte sie sich 1870 in Zürich zu Studienzwecken. Zürich entwickelte sich in jener Zeit als ein Zentrum internationaler weiblicher Studentenschaft . [2] Die Besonderheit in Zürich lag für weibliche Studenten darin, dass sie keinerlei Bildungsnachweise vorlegen mussten, lediglich ein "Sittenzeugnis". In vielen Ländern hatten Frauen ja nicht die Möglichkeit sich mit dem Abitur an der Universität zu bewerben. Hier in Zürich lernte sie auch Franziska Tiburtius, die Schwägerin von Henriette, beim Studium kennen. Nach neun Semestern beendete Emilie ihr Studium mit der Promotion „summa cum laude“. (Diese Auszeichnung wurde in den 10 davor liegenden Jahren an der Züricher Universität nur 6 männlichen Prüflingen zuteil.) Sie hoffte allerdings vergeblich, in Deutschland mit ihrem Doktortitel zum Staatsexamen zugelassen zu werden.

Berufstätigkeit als erste Berliner Ärztin

1875 ging sie sodann für einige Monate an die Universitäts-Entbindungsanstalt nach Prag, im Anschluss an die Königliche Entbindungsanstalt und Frauenklinik nach Dresden. Dort war sie bei dem Gynäkologen Prof. Franz von Winckel tätig, dem derzeit einzigen Professor in Deutschland, der Assistentinnen aufnahm und an seiner Klinik ausbildete.

Gedenktafel, Emilie Lehmus und Franziska Tiburtius, in Alte Schönhauser Straße 23, Berlin-Mitte

Gemeinsam mit Franziska Tiburtius durfte sich Emilie Lehmus 1876 in Berlin mit behördlicher Duldung in einer Privatpraxis für Frauen und Kinder niederlassen, deren Türschild sie als Dr. med. der Universität Zürich auswies. Die Arbeit beider Ärztinnen wurde zwar seitens der Politik nicht anerkannt, umso mehr erfuhren die beiden Freundinnen einen großen Zulauf von ihrer Patientenschaft. Sie eröffneten 1887 die erste Poliklinik weiblicher Ärzte für Frauen und Kinder in der Alten Schönhauser Straße 23/24. [3] Die Räume, eine Erdgeschosswohnung im Hinterhof, wurden ihnen vom Brauereibesitzer Bötzow kostenlos überlassen, Behandlungen der Patientinnen führten die Frauen meist zum Selbstkostenpreis aus. 15 Jahre lang blieben Lehmus und Tiburtius die einzigen Ärztinnen in Berlin, bis Frauen der zweiten Generation - die ebenfalls in Zürich studiert hatten - sich der Arbeit an der Poliklinik anschlossen. [4]

Ruhestand in Franken

aufgelassenes Grab Emilie Lehmus am Fürther Friedhof
Gedenkstein am Fürther Ehrenweg.

Um die Jahrhundertwende im Alter von 60 Jahren musste Lehmus ihre Praxistätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Ihre Kollegin Agnes Bluhm berichtete von einer wiederholten "Grippepneumonie".[5]

Sie verließ Berlin, dessen Klima ihr nicht mehr behagen wollte, und nahm ihren Wohnsitz in München. Dort schloss sie sich mit ihren zwei Schwestern ‎(verw. Caroline Braun und Marie Lehmus)‎ zu einem gemeinsamem Haushalt zusammen. Nach dem Tode der beiden siedelte sie endgültig zu ihrer jüngsten Schwester nach Gräfenberg um, wo sie bereits zuvor die Sommermonate verbrachte. Auch von dort engagierte sie sich weiter und beteiligte sich 1908 an der Gründung der Vereinigung weiblicher Ärzte in Berlin mit einer Spende von 16.000 RM. [6]

In Gräfenberg starb Emilie Lehmus am 17. Oktober 1932 im Alter von 91 Jahren nach nur zweitägiger Krankheit ‎(Grippe). Beerdigt wurde sie am Fürther Friedhof. Für ihre Beerdigung hatte sie verfügt, sie solle als Armenleiche von dem für den Wochendienst zuständigen Pfarrer von St. Martin bestattet werden. Es traf damals den Stadtvikar von St. Martin, Georg Kuhr, dessen Großvater Johann Georg Kuhr ein direkter Vetter der Verstorbenen war. An ihrem Grab durfte keine Rede gehalten werden. Sie hatte als Text nur die Schriftstelle von der Auferstehung der Toten am jüngsten Tag verfügt: 1. Thess: 4, 13-18.
Das Grab in der Nähe der Gedenkstätte für die Kriegstoten wurde leider inzwischen aufgelassen. Eine deutsche Approbation hat sie nie bekommen.

Emilie Lehmus ist seit 2007 im "Ehrenweg Fürth" geehrt.

Einzelnachweise

  1. Michaela Holdenried (Hg.): Geschriebenes Leben, Autobiographik von Frauen, 1995, S. 232
  2. hier immatrikulierten sich im späten 19. Jahrhundert so prominente Frauen wie Ricarda Huch, Rosa Luxemburg, Anita Augspurg, Lou Andreas Salomé
  3. Werner Mohr: "CHRONIK Nürnberg - Neumarkt - Regensburg - Amberg - Ansbach" online
  4. Michaela Holdenried (Hg.): Geschriebenes Leben, Autobiographik von Frauen, 1995, S. 242
  5. ebenda
  6. Emilie Lehmus auf Kulturring Berlin-Mitte [online verfügbar]

Weblinks

  • Emilie Lehmus: Die Erkrankung der Macula lutea bei progressiver Myopie; Inaugural-Dissertation an der medizinischen Fakultät Zürich, 1875, online verfügbar

Siehe auch

Literatur

  • Bornemann, Regina: Erste weibliche Ärzte. Die Beispiele der Fräulein Doctores Emilie Lehmus (1841 - 1932) und Franziska Tiburtius (1843 - 1927) ; Biographisches und Autobiographisches. - in: Weibliche Ärzte : die Durchsetzung des Berufsbildes in Deutschland / hrsg. von Eva Brinkschulte. - 2., erw. Aufl. -Berlin, 1995. - S. 24 - 32
  • Renate Trautwein: Emilie Lehmus : 30. August 1841 - 17. Oktober 1932. - in: FrauenLeben in Fürth. - Nürnberg, 2003. - S. 27 - 28
  • Ärztinnen Emilie Lehmus und Franziska Tiburtius. - in: Beeskow, Hans-Joachim: Allen voran - Berlins Erste / Hans-Joachim Beeskow & Friedrich Kleinhempel. -Berlin, 2009. - S. 169 - 171
  • Karl-Maria Haertle: Fürth im 19. Jahrhundert. Volk Verlag München, 2012, S. 111.
  • Agnes Bluhm: Dr. med Emilie Lehmus. Zur Vollendung des 90. Lebensjahres am 30. August 1931 in: Die Ärztin. 7. Jg. 1931, Nr. 8
  • Agnes Bluhm: Ein Gedenktag der deutschen Medizinerinnen. in: Die Ärztin. 17. Jg. 1841, Nr. 8
  • Michaela Holdenried (Hg.): Geschriebenes Leben, Autobiographik von Frauen, 1995, S. 232 - 243

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