Brauerei Geismann

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Brauerei Geismann Fürth
Logo Brauerei Geismann Bierstern.jpg Brauereilogo der 1920er Jahre
Gründung: 1722
Schließung: 1967 (Fusion)
Daten
Hauptstandort: Bäumenstraße 16 - 20

Schirmstraße 4-6

Neubauten: mehrheitlich 1890-1900
Gesellschaftsform: ab 1901 AG
ab 1942 GmbH

Die Brauerei Geismann Fürth wurde 1722 gegründet und war damit die älteste der fünf Fürther Großbrauereien des 20. Jahrhunderts. Besondere Bedeutung erlangte sie mit ihren legendären Spezialbieren, darunter dem Doppelbock Poculator, und dem 1895 erbauten Geismannsaal, der Zeit seines Bestehens größter Saalbau der Stadt und u. a. mit den alljährlichen Starkbierfesten, der offiziellen Kirchweiheröffnung einer der zentralen Schauplätze des gesellschaftlichen Lebens war.

Der Braubetrieb am eigenen Standort wurde 1967 im Zuge der Fusion zur Brauerei Humbser-Geismann AG eingestellt, die Betriebsgebäude am Hauptsitz zwischen Bäumen-, Schirm- und Alexanderstraße (Geismann-Areal) Anfang der 1980er Jahre abgebrochen.

Zur Geschichte

Hofansicht der Brauerei

Gründung durch Heinrich Lederer

Die Bierkeller der Brauerei Geismann 1941 - hier bereits mit Umbauten zum zivilen Luftschutz

Die Gründung der Brauerei geht auf das Jahr 1722 zurück, als sich der aus Thalmässing stammende Heinrich Lederer mit dem Ersuchen "um Überlassung eines öden Plaz mit 74 Schuh in der Länge und 70 Schuh in der Breite neben dem Schön Ferber Sommerauer zu Fürth, auf dem er ein tauglich Präu Hauß auf seine Kosten herstellen und aufbauen will"[1] an die Fürther Obrigkeit wendete.

Der Fürther Polizeibeamte und Chronist Johann Gottfried Eger erwähnt das Ereignis wie folgt: "Im nämlichen Jahr ist in der Neugasse ein neues Gebäude mit einer Bierbrauerey erbauet worden, das schon um das Jahr 1760 die Familie Lederer in Besitz hatte."[2]

Heinrich Lederer, dem 1723 das Bürgerrecht der Stadt Fürth erteilt wurde, war der Sohn des Bierbrauers und Metzgers Georg Lederer und entstammte jener Thalmässinger Brauer-Familie Lederer, auf die auch die Nürnberger Brauerei gleichen Namens zurückgeht. Mit der Neugasse ist die heutige Bäumenstraße gemeint und die Errichtung im Jahr 1722 machte die Brauerei Zeit ihres Bestehens zur ältesten bestehenden Braustätte der Stadt Fürth.[3] Bereits im gleichen Jahr ließ Heinrich Lederer leicht abseits der heutigen Vacher Straße einen Felsenkeller zur Lagerung des Bieres errichten, welcher seit 1828 nach dem damaligen Besitzer „Meierskeller“ benannt und um die Jahrhundertwende unter der Hausnummer 25 der Vacher Straße geführt wurde.[4]

Über 100 Jahre wurde die Brauerei innerhalb der Familie Lederer weitervererbt, ehe sie 1831 von Johann Adam Lederer an den Nürnberger Bäckermeister Konrad Heinrich Gottlieb Stahlmann verkauft wurde. In dessen Besitz verblieb sie nicht lange, bereits 1843 veräußert Stahlmann die Brauerei an den Sulzbacher Metzgermeister und Ökonomen Ottmann. Nach dessen Tod übernahm erst die Witwe den Betrieb, 1860 die Söhne August Friedrich, Joseph und Christian.

Einstieg der Familie Geismann

Die Gebrüder Ottmann schließlich waren es, die am 29. Juni 1867 die Brauerei mit zugehöriger Landwirtschaft für 5.325 fl. sowie eine weitere Immobilie (Frankfurter Landstr. 13) für 4.900 fl. an den Sulzbacher Ökonomen Georg Geismann verkauften.[5]

Georg Geismann übernahm die Brauerei in den 1860er Jahren, veranlasst durch eine große hypothekarische Beleihung des Ottmann’schen Anwesens über 40.000 Gulden. Als genaues Datum der Übernahme des Unternehmens durch die Familie Geismann wird in der Literatur zumeist der oben aufgeführte Immobilien-Verkauf der Gebrüder Ottmann am 29. Juni 1867 benannt. Georg Geismann selbst inserierte im 14. Oktober 1868 im Fürther Tagblatt, den Betrieb aus der Konkursmasse »seit 2 Monaten« in »persönlichen Besitz und Verwaltung genommen« zu haben. Bislang offen bleiben muss, warum Geismann erst am 4. November 1875 das Bürgerrecht der Stadt Fürth erwarb.

Wandel zur industriellen Großbrauerei

Johann Georg Geismann.jpg

Bis zur Übernahme durch die Familie Geismann war die Brauerei mit Landwirtschaft ein eher unauffälliger Betrieb. Beim großen Fürther Bierkrawall am 3. Mai 1866 bleibt das Anwesen völlig unbehelligt, während das gegenüberliegende Anwesen der Brauerei Mailaender an der Stelle des heutigen Stadttheaters schwer verwüstet wird. Wahrscheinlich hatte sich das kleine Unternehmen Ottmann an der dem Krawall zu Grunde liegenden Bierpreis-Erhöhung schlicht nicht beteiligt. Auch unter Georg Geismann ändert sich am gemächlichen Charakter des Betriebes anfänglich nicht allzu viel. Zwar verkauft er schon 1868 die Immobilie Bäumenstraße 22 an den Kaufmann Höfler und gibt damit die Landwirtschaft auf, doch der Malzversud expandiert zunächst nicht wesentlich.

Erst 1880 wird die Branntweinbrennerei abgemeldet und nach seinem Tod 1883 stellen seine Söhne das Unternehmen gänzlich auf die Modernisierung des Braubetriebes ein. Zunächst sind es vier Söhne, die sich gemeinsam mit der Witwe Margarethe um die Fortführung des Unternehmens kümmern. Zwei davon, Konrad († 1881) und Georg († 1897), beide Weihenstephaner, sterben früh und so übernimmt Johann Georg Geismann die Leitung der Brautätigkeiten, während sich der gelernte Buchhalter Leonhard Geismann gemeinsam mit der Mutter der Verwaltung der Brauerei annimmt.

Johann Geismann begann im Todesjahr des Vaters mit den Versuchen an einem dunklen Starkbier – mit Erfolg, denn schon im März des folgenden Jahres konnte der erst 25-jährige Braumeister den süffigen Doppelbock anlässlich des damals in Fürth üblichen Frühlingsfestes erstmals im Geismann-Bräustübl zum Ausschank bringen. Das Geismann’sche Starkbier erfreute sich, nicht zuletzt als erstes Fürther Starkbier überhaupt, von Anfang an größter Beliebtheit und die Kapazität des alten Bräustübls in der Bäumenstraße war dem Ansturm bereits beim ersten Ausschank nicht gewachsen:

„40 Pfg. kostete die Mass [...] Zeitgenossen wussten damals zu berichten, dass in der Küche der Wirtschaft Johann Weiss in der Bäumenstrasse – dem heutigen Geismann-Bräustüberl – „helle Aufregung“ unter dem Personal entstanden ist, als es sich die Gäste auf den Küchenhockern, Zurichtetischen und umgestülpten Kochkesseln bequem machten, weil sie in der Wirtschaft keinen Platz mehr fanden. Die Essenszubereitung war dadurch sehr gestört, der grösste Teil der Gäste drängte sich außerdem in Hausflur oder saß auf den Bierfässern im Brauereihof herum.“

Karl Denk: "Aus der Geschichte des „Poculator-Bieres“, Fürth, 1985
Poculator-Banner in der Alexanderstraße

Bald musste das Starkbierfest erst in die Fasshalle Ecke Bäumenstraße/Schirmstraße, später in ein Zelt im Hof der Brauerei umziehen, ehe man 1896 erstmals im neu errichteten Geismannsaal feiern konnte. Die gewaltige Sudmenge von 2600 hl. Salvator steht hierbei für sich - eine Steigerung um 1000 hl. gegenüber 1894. Auch weit über die Grenzen der Stadt hinaus erfreute sich der Doppelbock Johann Geismanns größter Beliebtheit. Nicht nur das man mit dem Erwerb der Luitpoldsäle eine Nürnberger Salvator-Dependance geschaffen hatte, bereits nach drei Jahren wurde der Salvator auch in erheblichen Mengen im Würzburger „Alten Bahnhof“ gezapft, wo man das Bier ähnlich wie im Fürther Bräustüberl in festlichem Rahmen mit Musikkapelle zelebrierte. Ein weiteres Zentrum der Festlichkeiten war Schweinfurt, aber auch in zahlreichen Wirtschaften über ganz Franken zerstreut kam der Festtrunk zum Ausschank. Die weiteste Reise machten jene Hektoliter Salvator, welche „waggonweise“ in die damalige Reichshauptstadt verfrachtet wurden und in den berühmten „Aschingers-Bierquellen“ alljährlich schon ab dem 1. Januar großen Beifall unter den Berlinern fanden.

Der Brauerei-Neubau 1880 - 1901

Das Brauereihauptgebäude mit Geismann-Bräustübl.

Als in den 1880er Jahren der große Aufschwung der Brauerei einsetzte, waren nicht nur die Kapazitäten der Lokale erschöpft, auch die Braustätte selbst war zwar erst 1870 zweckmäßig umgebaut worden, konnte der gestiegenen Nachfrage aber nicht mehr gerecht werden. 1888 wurde die Brauerei komplett neu errichtet, mit einer neuen Braueinrichtung versehen und nicht zuletzt durch das neue Maschinengebäude, ausgestattet mit 2 Dampfmaschinen zu 100 und 200 PS und 35 m hohem Dampfkamin, erhielt die Brauerei eine moderne Gestalt und der Schritt zur industriellen Großbrauerei war getan. Rasch fand man Ende der 1880er Jahre Anschluss an die Konkurrenz, überholte mit der Brauerei Mailaender (spätere Bergbräu) 1892 einen Lokalrivalen um mehr als 1000 hl im Bierabsatz.[6] Trotz umfangreicher Unterkellerung mit einer Lagerkapazität von 20.000 hl. wurde 1890 die erste Eismaschine angeschafft, welche im Stande war täglich 300 Zentner Eis zu produzieren. Unter Zukauf und Abriss der Nachbaranwesen Höfler und Schradins erwarb man bis 1898 ein großes Areal zwischen Bäumen-, Schirm- und Alexanderstraße. 1900 schließlich wird das repräsentative, abermals von Architekt Fritz Walter geplante, viergeschossige Brauereihauptgebäude Bäumenstraße 16 - 20 mit reich verziertem Bräustübl, großzügiger Direktorswohnung und neuen Produktionsanlagen, darunter auch das neue Sudhaus inkl. Doppelsudwerk für 70 Zentner Schüttung und 33 m hohem Kamin, unter Leitung von Baumeister Georg Kißkalt fertig gestellt. Bereits 1902 wurde die Brauerei elektrisch aufgerüstet, als eines der ersten Fürther Gebäude neben dem Stadttheater.

Gründung der Aktiengesellschaft

Das Unternehmen war zu beachtlicher Höhe gelangt, hatte mit Johann Geismanns Spezialbieren und der Betriebs-Ausstattung einen exzellenten Ruf inne. Doch die vielen geschäftlichen Unternehmen und insbesondere die kostspieligen Neubauten schlugen sich in einem großen organisatorischen und finanziellen Aufwand nieder, der durch den frühen Tod im Betrieb Verantwortung tragender Familienmitglieder immer schwerer zu stemmen war. Ein Jahr nach dem Tod seines nur 39-jährigen Bruders Leonhard stellt Johann Geismann daher 1901 den Betrieb durch Gründung der Brauerei Geismann AG um. Johann Gg. Geismann fungierte als Vorstand der Aktiengesellschaft, an seiner Seite agierte 1901 – 1902 Johann Adam Kunze. Der Aufsichtsrat bestand aus dem bekannten Fürther Hopfengroßhändler Anton Sahlmann, dem Fürther Justizrat Jacob Heinrich Asyl, Alois Dorn aus München und Fabrikdirektor Josef Hausenblas aus Augsburg. Der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich Riegelmann wechselte 1908 in den Vorstand des Unternehmens.

Mit der Aktiengesellschaft geht es weiter aufwärts: Rasch wird der Lokalrivale Grüner AG im Bierabsatz überholt und bis zum Ersten Weltkrieg komplett abgehängt. Auch die Dividendenzahlungen verliehen der positiven Entwicklung Ausdruck. Als erster Fürther Brauerei gelang es Geismann 1907 mit dem „Bayerisch Pilsener“ ein Bier der Gattung „Pils“ zu brauen, zuvor war man schon beim hellen Bier Erster in Fürth gewesen.

Als 1908 bis 1910 der Schieß- und Übungsplatz Grafenwöhr für das III. Kgl. Bayr. Korps entstand, erhielt die Brauerei Geismann die Truppen-Belieferungsrechte. Ab 1910 entstand mit dem »Geismannskeller« eine Niederlassung der Brauerei mit Gastwirtschaft und Biergarten, bis heute namensgebend für einen Stadtteil von Grafenwöhr.[7]

Vorstand Johann Georg Geismann verstarb am 24. Mai 1910 nach längerer Krankheit im Alter von nur 50 Jahren.

Goldene Zwanziger und Weltwirtschaftskrise

Soldatengruppe im Brauereihof, August 1914

Unter Vorstand Andreas Krauss (19141926) erholte sich die Brauerei sehr rasch vom Ersten Weltkrieg und war weiterhin fortlaufend in der Expansion und Modernisierung begriffen. Ende der 1920er Jahre zählt die Brauerei unter der Führung Paul Trunks (seit 1900 im Unternehmen, von 1925 – 1935 Vorstand) „zu den besteingerichtetsten Bayerns“. Bis 1922 stieg die Dividende der AG auf 22 % an.

Übernahme durch Schickedanz

Die Brauerei Geismann in den 1930er Jahren

Doch die große Wirtschaftskrise schlug sich auch auf die Geschäfte der Geismann AG voll durch: Die Arbeitslosigkeit in der Stadt Fürth war auf einem Rekordhoch. Der drastisch gesunkenen Kaufkraft der Verbraucher folgte ein Rückgang im Bierkonsum, dem man 1932 mit einer Senkung des Bierpreises begegnen musste; im Geschäftsbericht 1933 wirkte sich zudem die Verdoppelung der Hopfenpreise binnen eines Jahres drastisch aus.

1931 bis 1933 erschienen in der »Allgemeinen Brauer- und Hopfenzeitung« Berichte über eine wirtschaftliche Schieflage der Brauerei Geismann AG. Verschiedene Kreise, darunter namentlich Hans Geismann, bezichtigten den Fürther Filialdirektor der Dresdner Bank Hans Böhner der gezielten Manipulation. Jedenfalls setzte gleichzeitig mit den Schlagzeilen über die Probleme der Brauerei seitens der Dresdner Bank eine sehr aktive Ankaufspolitik ein. Die Dresdner Bank spielte um 1930 als Hausbank der Aktiengesellschaft eine gewichtige Rolle in deren Firmenpolitik. So war es bis 1937 den Banken per Klausel in den AGBs erlaubt, das Stimmrecht der Kunden auszuüben, wenn diese es nicht selbst wahrnahmen.

Gustav Schickedanz im Geismann-Saal

Die Bank ihrerseits hatte in Folge der konjunkturellen Lage schon allgemein große Probleme, ganz konkret machte man sich auch Sorgen über die Konsequenzen der Judenverfolgung im wirtschaftlichen Bereich: Sollten am Wege der Arisierung Vermögenswerte wie die bei der Dresdner Bank hinterlegten Aktien-Anteile an der Geismann zu Kunden anderen Banken kommen, hätte das die Dresdner Bank empfindlich geschwächt. Im Bestreben die Anteile in den "arischen" Kundenkreis des eigenen Hauses zu verschieben, unterstützte Hans Böhner sehr aktiv den Kaufmann Gustav Schickedanz beim Ankauf von Geismann-Aktien. Vorbesitzer waren unter anderem jüdische Hopfenhändler, Privatbankiers und Brauerei-Funktionäre wie beispielsweise Ernst Reizenstein und die Familie Sahlmann.

1936 hielt das jüdische Münchner Bankhaus von Siegfried Salomon Marx (später: August Lenz & Co.) noch doppelt so viele Geismann-Aktien wie die Dresdner Bank und stellte entsprechend die Forderung einen Aufsichtsratsposten zu bekleiden. In einer persönlichen Unterredung in Fürth gelang es Böhner und Schickedanz mit Hilfe eines Gefälligkeitsgutachtens der Bank für Brauindustrie (diese befand sich seit der Arisierung zu 47,32% im Besitz der Dresdner Bank) dem Münchner Bankhaus Gebr. Marx deren deutlich größere Beteiligung günstig abzukaufen. Bemerkenswert ist, dass es Böhner gelang auch den nicht-jüdischen Aktionären im großen Stil Aktien abzunehmen, selbst jenen die aus verschiedenen Motiven in erklärter Opposition zu Böhner und Schickedanz standen. [8] Auch jenseits der Causa Geismann waren die Dresdner Bank und Böhner tief in das mittelfränkische Korruptionsnetzwerk der Gauleitung verstrickt.[9] Auch Schickedanz nutzte seine guten Beziehung zur Riege um Julius Streicher zur Nötigung seiner "Verhandlungs"-Partner. [10]

Noch im selben Jahr werden die Aktien von der Börse genommen, die Aktiengesellschaft wird 1942 in eine GmbH umgewandelt. Nach dem Krieg wurde die bis auf den Geismannsaal unzerstörte Brauerei zunächst unter treuhänderische Verwaltung gestellt, Direktor Hans Henle wird abgesetzt, ehe sein Parteigenosse Schickedanz das Unternehmen nach dem Spruchkammer-Verfahren zurückbekam. Auch Hans Böhner wurde kurzzeitig suspendiert, bald jedoch rehabilitiert. In den Spruchkammerverfahren gegen Schickedanz fungierte er als vorgeblich neutraler Kronzeuge „Aufsichtsratsvorsitzender“ zu dessen Gunsten. Das Verfahren an dessen Ende Schickedanz entlastet wurde, hatte unter großem öffentlichen Druck stattgefunden: So hatte sich unter anderem der spätere Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard persönlich für ihn stark gemacht. Auffällig ist, dass aus dem Kreis der Beschäftigten der Brauerei im Gegensatz zu anderen von Schickedanz erworbenen Unternehmen keine Solidaritätsschreiben ("Persilscheine") erhalten sind.

Fusion und Schließung

War das Sudhaus 1960 noch mit der modernsten Anlagentechnik Süddeutschlands aufgerüstet worden, entschloss man sich schon wenige Jahre später, unter anderem aufgrund der beengten Platzverhältnisse am Standort inmitten der Altstadt, den Braubetrieb mit der Brauerei Humbser an derem weitläufigen Standort an der Schwabacher Straße zusammenzulegen. 1967 erfolgte die offizielle Fusion zur Brauerei Humbser-Geismann AG, die 1971 in der Patrizier Brauerei aufging. 1994 erwarb der Münchner Brauerei-Unternehmer Dr. Hans Inselkammer die Aktienmehrheit und fusionierte mit der Nürnberger Tucher Bräu AG.

Tabellarische Chronik der Brauerei

  • 1722: Der Brauer Heinrich Lederer aus Thalmässing gründet in der Neugasse, der heutigen Bäumenstraße, eine Braustätte mit Branntweinbrennerei, zu der ein Felsenkeller zur Lagerung des Bieres in der heutigen Vacher Straße gehört. Die Brauerei wechselt mehrmals den Besitzer.
  • 1778: Die Brauerei von Georg Friedrich Lederer wird zum Verkauf an den Meistbietenden angeboten.
  • 1831/1832: Johann Adam Lederer kündigt Ende 1831 den Verkauf der Brauerei an Heinrich Stahlmann an, welcher ab Januar 1832 das Geschäft übernimmt.[11]
  • 1836: Die Brauerei von Konrad Heinrich Gottlieb Stahlmann wird zum öffentlichen Verkauf ausgeschrieben.[12]
  • 1867: Georg Geismann erwirbt Brauerei, Keller und die dazugehörige Landwirtschaft von den Gebrüdern Ottmann. Die Landwirtschaft wird bald aufgegeben.
  • 1880: Abmeldung der Branntweinbrennerei.
  • 1883: Tod von Georg Geismann. Die Söhne Johann Georg und Leonhard Geismann übernehmen als technischer beziehungsweise kaufmännischer Leiter zusammen mit Mutter Margarethe Geismann die Brauerei.
  • 1884: Johann Georg Geismann braut das erste Fürther Starkbier, „Salvator“ genannt.
  • 1888: Neubau der Brauerei im Areal zwischen Bäumen-, Schirm- und Alexanderstraße.
  • 1895: Bau des Geismannsaales im Hof der Brauerei mit Zugang von der Alexanderstraße nach Plänen des Fürther Stararchitekten Fritz Walter.
  • 1897: Die Münchener Paulaner Brauerei lässt sich die bisherige Sortenbezeichnung „Salvator“ als Markenname schützen. Die Gebrüder Geismann unterliegen im zum Fürth-Münchener Bierkonfessionskrieg hochstilisierten Prozess: Das Fürther Starkbier heißt jetzt Frühlings-Doppelbier.
  • 1899: Das zwölftägige Starkbierfest lockt in diesem Jahr rund 42.000 Besucher an, die 630 Hektoliter Doppelbock konsumieren.
  • 1900: Erwerb der Luitpold-Säle in Nürnberg zur Einrichtung einer Salvator-Dependance.[13] Tod von Leonhard Geismann. Fertigstellung des neuen Brauereihauptgebäudes mit Sudhaus und Bräustübl an der Bäumenstraße 16-20 nach den Plänen von Fritz Walter.
  • 1901: Die Brauerei Gebrüder Geismann OHG wird in eine Familien-Aktiengesellschaft umgewandelt, als deren Direktor Braumeister Johann Georg Geismann fungiert.
  • 1902: Die Brauerei wird an das Stromnetz angeschlossen.
  • 1907: Geismann braut das erste bayerische Pils.
  • 1910: Tod von Johann Georg Geismann.
  • 1912: Der Geismann-Doppelbock heißt fortan „Poculator“.
  • 1914: Die Brauerei Geismann rangiert mit einem Ausstoß von 100.000 Hektolitern an dritter Stelle unter den Fürther Brauereien.
  • 1936: Zum 31. Dezember wird Gustav Schickedanz mit Unterstützung der Dresdner Bank Hauptaktionär (80 %) der Brauerei Geismann AG.
  • 1942: Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
  • 1945: Die Brauerei übersteht den Krieg ohne größere Schäden, nur der Geismannsaal wird 1944 teilweise zerstört.
  • 1960: Das Sudhaus wird mit der modernsten Technik Süddeutschlands ausgestattet.
  • 1965: Der Bierausstoß der Brauerei Geismann beläuft sich wieder auf etwa 100.000 Hektoliter.
  • 1967: Fusion mit der Brauerei Humbser zur Brauerei Humbser-Geismann AG. Der Braubetrieb an der Bäumenstraße wird aufgegeben.
  • 1982: Abriss der Brauereigebäude und des Geismannsaals für den Bau des City Centers.
  • 2012: Der Brauwasser-Tiefbrunnen wird in der Tiefgarage des City Centers verfüllt.[14]

Bauten

Brauerei Geismann in der Schirmstraße, 1956 (siehe auch unten »Vergegenwärtigung«)

Das erste Gebäude entstand 1722: Heinrich Lederer ersuchte um "Überlassung eines öden Plaz mit 74 Schuh in der Länge und 70 in der Breite neben dem Schön Ferber Sommerauer zu Fürth, auf dem er ein tauglich Präu Hauß auf seine Kosten herstellen und aufbauen will". Das Gebäude erhielt die Haus-Nr. 425, ab 1890 dann Bäumenstr. 16. In den Jahren 1892-1894 wurden unter Hinzukauf der Anwesen Alexanderstraße 9 und Bäumenstraße 18 und 20 die Brauereigebäude von Grund auf neu erbaut und im Hofe der Geismannsaal errichtet.[15]

Architektonisch besonders wertvoll war das 1899 nach Plänen des berühmten Fürther Architekten Fritz Walter erbaute und wertvoll ausgestattete Brauereihauptgebäude mit Sudhaus und Geismann-Bräustübl in der Fürther Bäumenstraße 16 - 20.

Der ebenfalls nach Plänen Fritz Walters errichtete Festsaal namens Geismannsaal war bis zum Abriss größter Saalbau der Stadt und zentraler Schauplatz des gesellschaftlichen Lebens.

Sämtliche baulichen Anlagen der Brauerei, einschließlich des denkmalgeschützten Brauereihauptgebäudes, wurden 1982 für den Bau des City-Centers abgebrochen.

Leistungen und Superlative

Die Brauerei Geismann war oft ihrer Fürther Konkurrenz weit voraus, so war sie nicht nur älteste Fürther Brauerei, die ihr Braurecht nachweislich nutzte (was die frühere Jahresangabe der Brauerei Grüner relativiert), sie besaß mit dem Geismannsaal den größten Saalbau der Stadt und mit dem Poculator das berühmteste Starkbier, sie braute als erste Brauerei Bayerns ein Pils und zuvor auch als erste Brauerei Fürths helle Biere. Bei der Neueinrichtung der Brauanlagen 1960 besaß sie ferner die modernste Sudhaustechnik Süddeutschlands.

Wiederbelebung der Marke

Brandenburger "Geismann" Bier

Ab September 2017 wurde erneut ein Bier unter dem Namen Geismann vertrieben. Das Bier wurde für die Kette "Getränke Hofmann" aus Brandenburg von der Tucher Brauerei gebraut und abgefüllt. Die Getränkekette sei auf die Brauerei Tucher zugegangen, weil sie den "Wunsch nach einem authentischen Bier" aus Bayern hatten. Das Bier wird laut Tucher nicht nach alten Rezepten gebraut, da diese Rezepte zum Teil nicht mehr vorhanden sein und sich das Brauverfahren in den letzten Jahrzehnten massiv geändert habe, so dass ein einfaches Nachbrauen alter Rezepte nicht mehr möglich wäre. Die Brauerei Tucher - die Rechte an der Biermarke Geismann hat - gab gegenüber den Fürther Nachrichten an, dass die neuen Geismann Biere "... mit speziellen Rohstoffen und nach individuellen Rezepturen gebraut [werden], so dass sie sich hinsichtlich Geruch, Aussehen und Geschmack von unseren anderen Biermarken unterscheiden."[16]

Kurios ist allerdings, dass das neue Geismann Bier hier in Fürth bzw. in ganz Bayern nicht zu bekommen ist, sondern nur in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Gebraut werden folgende Biere: Helles, Export und eine Weizenbier - auch wenn die "echte Brauerei Geismann" nie ein Weizenbier braute. Warum das neue Geismann Bier nicht in Fürth erhältlich ist, beantwortet die Brauerei Tucher gegenüber der örtliche Presse mit der Aussage: "Weil es in Franken keine Getränke-Hoffmann-Filiale gibt. So einfach ist das."

2023 wurde die Marke wieder eingestellt.

Spezialitäten

Maßkrug der Gebrüder Geismann, vor 1900

Werbung

Die Werbemittel der Brauerei Geismann sind heute beliebte Sammlerobjekte.

Ein Steingut-Maßkrug aus der Zeit der vorigen Jahrhundertwende mit Brauereiembleme auf Krug und Zinndeckel ist der älteste kolorierte und ausgestaltete Bierkrug einer Fürther Brauerei. Eines der wenigen bekannten Exemplare des äußerst raren Sammlerstückes erzielte bei einer Internetauktion im Jahr 2009 - obwohl nicht makellos - einen Preis von über 800 Euro. Ein besser erhaltenes Exemplar erzielte im Februar 2022 einen Preis von über 2000 Euro.

Lokalberichterstattung

  • dpa: Quelle-Gründer übernahm jüdischen Besitz. Gustav Schickedanz profitierte von Nazis. In: Nürnberger Zeitung Nr. 166 vom 22. Juli 2009, S. 2
  • Johannes Alles: Geismanns Rückkehr. In: Fürther Nachrichten vom 18. Juli 2020 (Druckausgabe) bzw. Fürther Kultbier Geismann ist zurück - aber nicht in Fürth. In: nordbayern.de vom 20. Juli 2020 - online

Literatur

  • Bierbrauereien. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 48
  • Poculator. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 288
  • Koch/Täubrich: Bier in Nürnberg-Fürth, Hugendubel, 1987
  • Erhard Schraudolph: Vom Handwerkerort zur Industriemetropole. Industrialisierung in Fürth vor 1870. Zugleich: Universität Bayreuth, Dissertation, 1992. Ansbach: Historischer Verein für Mittelfranken, 1993, X, 281 S. (Mittelfränkische Studien; Band 9)
  • Gunther Friedrich: Tucher-Brauerei. In: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 1999, ISBN 3-921590-69-8 - online
  • Felix Geismann: "Kurzabriss der Geschichte der Brauerei Geismann", 2003 und: "Die Geschichte der Brauerei Geismann", 2008
  • Stefan Städtler-Ley: Fürther Bier, G&S, 2021, 208 S.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Gottlieb Wunschel: Alt-Fürth, Band 4
  2. Johann Gottfried Eger: Taschen- und Adreß-Handbuch von Fürth, 1819
  3. vgl. Brief des Fürther Stadtrates an die Brauerei Geismann GmbH, Fürth, 17. April 1950
  4. vgl. Fronmüller, G. T. C., Chronik der Stadt Fürth, Fürth, 1887, S. 137
  5. Fürther Stadtarchiv, Fach 2, Nr. 10, 2. Quartal 1867 (widerspricht Wunschel was die Vornamen der Gebrüder Ottmann angeht)
  6. vgl. Schraudolph, S. 136
  7. Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr: »Geismannskeller – Vom Bierkeller zur Wohnsiedlung«, 25. März 2021, online abrufbar
  8. Felix Geismann: Die Brauerei Geismann und ihre Arisierung, 2020
  9. Dieter Ziegler: Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, S. 257
  10. Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts
  11. Der Friedens- u. Kriegs-Kurier vom 27. Dezember 1831
  12. "Königlich Bayerisches Intelligenzblatt für den Rezat-Kreis", 1836, S. 482 f. - online
  13. Luitpoldsäle (historische Postkarte), in: Bildergalerie "Damals und heute: So sehr hat sich Nürnberg verändert", nordbayern.de - online
  14. Stadtmuseum Fürth: Hopfen und Malz - Brauereien in Fürth. Ausstellungstext Juni - Dezember 2013
  15. Wunschelchronik
  16. Johannes Alles: Geismanns Rückkehr. In: Fürther Nachrichten vom 18. Juli 2020, S. 33 (Druckausgabe)

»Vergegenwärtigung«

Hier kann per horizontaler Mauszeigerbewegung zwischen dem schwarzweißen Originalfoto und einer nachkolorierten Fassung gewechselt werden:



Blick in die Schirmstraße auf die Brauerei Geismann, 1956; Kolorierung mit MyHeritage in Color (tm)

Bilder