Leo Breslauer

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Dr. phil. Jehuda Leo Breslauer (geb 30. Juli 1894 Kępno in Polen - ehem. Kempen in Posen/Westpreußen; gest. 1983 New York) war Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Fürth. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde Dr. Breslauer verfolgt, sodass er die Stadt verlassen musste. Er war mit Erna Breslauer (geb. Wiener, 3. August 1898 - Mai 1982) verheiratet. Aus der Ehe stammten zwei Kinder, Ilse (16. Januar 1926 in Fürth) und Gottfried (16. Juni 1930 in Fürth).

Leben und Wirken

Nach der Schulzeit begann Breslauer sein Studium an der Frankfurter Torah Lehranstalt (Breuer´s Yeshiva), gefolgt von dem Rabbiner-Seminar in Berlin, wo er von Rabbi David Zvi Hoffman ordiniert wurde. Während des 1. Weltkrieges war Breslauer als Militärkaplan tätig, ehe er am 24. Juli 1922 von dem Verein "Schaumre Hadss" als gesetzestreuer Rabbiner unter 21 Bewerbern einstimmig zum neuen Rabbiner in Fürth gewählt wurde. Dr. Breslauer war zuvor in Kiel als Rabbiner tätig.[1]

Während seiner Zeit als Rabbiner in Fürth leitete Breslauer die Bar Mitzwa des damals noch jungen Henry Kissinger. Der Kontakt zur Familie Kissinger blieb bestehen, auch nach der Flucht aus Deutschland. So traute Breslauer Kissinger 1949 mit seiner ersten Ehefrau Ann Fleischer in New York, so dass ein weiterer enger Kontakt vorausgesetzt werden kann.[2]

Verfolgung während der NS-Zeit

Während der Pogromnacht wurde Dr. Breslauer von den Nationalsozialisten, neben vielen anderen ehem. jüdischen Bürgern, auf dem damaligen Schlageterplatz gezwungen über Stunden in der kalten Nacht zu "exerzieren". Dabei wurde dem orthodoxen Rabbiner unter dem Gejohle der anwesenden Schaulustigen der Bart abgeschnitten. Dr. Breslauer, der bereits im Vorfeld diffamiert und misshandelt wurde, emigrierte in Folge des politischen Drucks auf ihn und seine Familie.[3] Der Familie Breslauer gelang 1939 die Flucht über Holland nach New York in die Vereinigten Staaten.[4]

Neustart in New York

Dr. Breslauer siedelte mit seiner Familie 1939 in die Vereinigten Staaten über. Als orthodoxer Jude lebte er im New Yorker Stadtteil Washington Heights direkt am Hudson River, einem Stadtteil Manhattans in dem eine Vielzahl aus Deutschland geflohener Juden eine neue Heimat fanden, so auch Henry Kissinger, den Breslauer 1949 mit seiner ersten Ehefrau in New York traute.[5] Dort wurde er vom New Yorker Census 1940 gemeinsam mit seiner Familie als Einwohner registriert. Kurz nach der Ankunft in New York gründete er im Stadtteil Washington Heights in Upper Manhattan die Kongregation Kehillas Yaakov, die vor allem seinen ehemaligen Gemeindemitgliedern aus Fürth und anderen Flüchtlingen aus benachbarten Ortschaften wie Nürnberg diente.

In einer Publikation aus dem Jahr 1989 wird Rabbi Breslauer als eine den ultra-orthodoxen Juden nahe stehende Person beschrieben, der u. a. auch den sich neu gegründeten israelitischen Staat als säkularen Staat ablehnte. Durch seine ablehnende Haltung gegenüber dem neuen Staat Israel und dem politischen Zionismus, so der Autor, sei Dr. Breslauer durchaus vergleichbar mit der ultra-orthodoxen und antizionistischen Organisation der Neturei Karta, einer Gruppierung, die den Staat Israel vehement ablehnt und die Auffassung vertritt, dass nach der Wiederkunft des jüdischen Messias ein neues Israel als Königreich entsteht - ohne menschliches Zutun.[6]

Sonstiges

Bei einer Auktion des Auktionshauses Kestenbaum & Company in New York am 7. November 2019 wurde ein Teil des Nachlasses von Dr. Leo Breslauer versteigert. Das Auktionshaus beschrieb das Konvolut wie folgt:

Enthalten in fünf Bücherboxen (unsortiert). Große Sammlung von Korrespondenz, Manuskripten und verwandten Papieren; zusammen mit persönlichen Veröffentlichungen (einschließlich Entwürfen), Zeitschriften und anderen kurzlebigen Drucksachen. Enthält zahlreiche Manuskripthefte - viele davon umfangreich - mit Predigten, Memos, Notizen zu wissenschaftlichen Angelegenheiten, zivilen Angelegenheiten, Aufzeichnungen über Interaktionen mit Gemeindemitgliedern und Gemeindebeamten usw. Enthält (auf Deutsch, Englisch und Hebräisch): * Religions- und Gemeindegeschichte von Fürth, mit viel Originaldokumentation (1767-1960). * Detaillierte Aufzeichnungen über den Tod von Synagogenmitgliedern in Fürth und in New York. * Detaillierte Aufzeichnungen über Ehen von Synagogenmitgliedern in Fürth und in New York. * Unveröffentlichte, fertiggestellte wissenschaftliche Manuskripte über Halacha und Geschichte. * Viele Manuskripte mit Notizen zu rabbinischen Themen, einschließlich Halachah, Talmud, Bibel, Aggadah. Auch mit Hunderten von Karteikarten zu diesen Themen. * Dissertation zum Vergleich der jüdischen „Kawwana“ (Absicht und Konzentration des Denkens) mit der islamischen Prohairese von Nijja und Aristoteles. * Papiere aus der Holocaust-Zeit: Einschließlich Korrespondenz mit Gemeindemitgliedern, die während des Zweiten Weltkriegs beim Militär gedient haben; Suche nach Unterstützung der Einreise europäischer Juden in die Vereinigten Staaten; Deutsche Wiedergutmachung ist wichtig. * Korrespondenz mit der Führung von Agudath Israel (Jacob Rosenheim, Harry Goodman, Mike Tress). * Papiere (handschriftlich und gedruckt), die darauf abzielen, auf den politischen Zionismus in Amerika und Israel zu reagieren und ihn zu bekämpfen. Auch Korrespondenz mit Neturei Karta. * Viele Exemplare von Breslauers Veröffentlichungen: "Maurosho" und "Am HaTorah". Viele andere gedruckte Broschüren, Zeitungsausschnitte und Sonderdrucke. * Persönliche und Lebenszyklusdokumentation, einschließlich Gesundheits-, Einwanderungs- und zugehöriger Dokumente. * Verschiedene Korrespondenz, Notizen für Reden, Fotos.[7]

Der aufgerufene Preis lag zwischen 6.000 und 9.000 Dollar, der tatsächliche Zuschlag für die Auktion lag bei einem Gebot von 5.000 Dollar.[8]

Ehrungen

Am 4. August 2020 wurde in der Theaterstraße 54, vor dem ehemaligen Wohnsitz des Rabbiners, eine Gedenktafel für Dr. Breslauer enthüllt.[9] Initiiert und gestiftet hatte es die 96-jährige Annemarie Dumann, die die Familie noch persönlich gekannt hatte. Zu Ihren Motiven gab die Stifterin an, dass Sie mit der Gedenktafel an die Familie Breslauer erinnern wollte.[10]

Bei der Gedenksteinverlegung kam es anfänglich zu einem "Zahlendreher". Die Gedenkplatte wurde versehentlich vor der Hausnummer 44 verlegt, tatsächlich gewohnt hat die Familie Breslauer aber im Haus Nr. 54. Wie es in der Stadtverwaltung zu dem Zahlendreher kam, so die örtliche Presse, ließ sich nicht mehr ermitteln. Die Stadt Fürth wird aber zeitnah die Platte verlegen lassen, dieses Mal an den "richtigen" Ort.

Veröffentlichungen

  • Leo Breslauer: Ein Judisch-Geschichtlicher Wegweiser, Hermon Verlag Frankfurt/Main, 1935

Siehe auch

Lokalberichterstattung

  • Armin Leberzammer: Rabbiner bleibt in Erinnerung. In: Fürther Nachrichten vom 5. August 2020, S. 34 (Druckausgabe)

Einzelnachweise

  1. Der Isrealit vom 27. Juli 1922 - online abrufbar
  2. Niall Ferguson: Kissinger, der Idealist 1923 - 1968, Propyläen / Ullstein Verlag, Berlin 2016, S. 225 ff.
  3. Jüdische Fürther, Chronik Fürth 1933 - 1945 - online abgerufen am 4. August 2020 | 22:09 Uhr
  4. 16. Census of the United States: 1940, Population Schedule, Ancestry.com - online abgerufen am 4. August 2020 | 22:40 Uhr
  5. Sebastian Moll: Wo deutsche Juden eine neue Heimat fanden. In: Frankfurter Rundschau vom 27. April 2019 - online abrufbar
  6. Steven M. Lowenstein: Frankfurt on the Hudson - The German-Jewish community of Washington Heights 1933 - 1983. Wanye State University Press Detroit Michigan, 1989, S. 56, ISBN 0-8143-2385-5
  7. Fine Judaica - Auktionskatalog Nr. 85 vom 7. November 2019, Losnummer 202, S. 97
  8. Auktionshaus Kestenbaum, online abgerufen am 5. August 2020 | 0.29 Uhr
  9. Presse-Information Stadt Fürth, BMPA: Gedenktafel für früheren Rabbiner, 31. Juli 2020, 361/20
  10. BR-Frankenschau vom 4. August 2020, Ausstrahlung 17.30 Uhr, Minute 1.40, Gedenktafel für früheren Rabbiner Dr. Leo Breslauer wird enthüllt

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