Anton Saller übernommen, der hierfür einen gutbezahlten Posten als technischer Meister in der Holzbranche aufgab. Die Auftragslage war von Anfang an hervorragend. Die Arbeitszeiten waren fünf Tage die Woche jeweils von 8 bis 12 und von 13 bis 16 Uhr. Anton Saller zeigte sich überrascht „was diese Kinder leisten können“, wenngleich von ihm große Geduld verlangt werde, aber der erste Werksmeister sah die Werkstätte als „Lebensaufgabe“. Ein 19jähriger behinderter Mensch spendete ihm und der Lebenshilfe schon im April 1965 höchstes Lob: „Mir gefällt es hier prima. Wo ich früher war, haben mich die Leute immer veräppelt und gehänselt.“ Die Lebenshilfe und ihr Werkmeister Saller nahmen sich 1965 vor, behinderte Menschen im Laufe der Zeit für andere, höher bewertete Tätigkeiten zu qualifizieren. Handwerkliche Tätigkeiten wie Sägen, Hobeln und Bohren sollten erlernt werden. Ende 1965 war die Kapazität der Werkstätte mit 13 Jugendlichen erschöpft, die Räume in der Friedrich-EbertStraße ließen keine größere Belegung mehr zu.
gemacht. Den Erfolg sieht man täglich an den Kindern und Jugendlichen, die in der Sonderschule und in der ‚Beschützenden Werkstatt‘ betreut werden: Sie fühlen, dass sie einen Platz in der Gemeinschaft gefunden haben“. Im November 1965 spendete die „Aktion Sorgenkind“ dann tatsächlich 7500 Mark für einen neuen Schulbus, eine „namhafte Fürther Autofirma“ gewährte einen weiteren Zuschuss für ein zweites neues Fahrzeug. Der einzige bisher vorhandene Bus hatte schon 130.000 Kilometer auf dem Buckel.
3. Probleme und Pläne Die Aufbauarbeit des Vereins führte sogar im Jahre 1964 kurzzeitig zu einer Unterbelegung; so suchte man für die Sonderschule noch vier bis fünf Kinder und auch in der beschützenden Werkstätte hatte man noch Plätze frei. Die Kosten der Sonderschule lagen damals bis 8,55 DM pro Kind und Tag. Die Zuschüsse der Stadt, des Regierungsbezirks und die Beiträge der Eltern konnten die Kosten nicht vollständig decken, so dass die Lebenshilfe an der Jahreswende 1964/65 ein Defizit von 12.000 Mark zu verbuchen hatte. Dies lag unter anderem an der nachlassenden Spendenwilligkeit in Fürth. Der Verein setzte deswegen vermehrt Hoffnungen auf die Sendung „Vergiß mein nicht“ mit Peter Frankenfeld. Vorsitzender Reinmann hoffte zudem auf eine Kostenübernahme für eine zusätzliche Lehrkraft in der Sonderschule, was seitens der Stadt dann Anfang 1965 auch gewährt wurde, so dass 1965 drei Lehrkräfte zur Verfügung standen: Herta Pönn, Renate Seidenbacher und Anneliese Gipp. Im selben Jahr beauftragte die Lebenshilfe zunächst Architekt Feldner, den Ortsvorsitzenden in Zirndorf, mit einem Entwurf für ein Betreuungszentrum mit Wohnheim und ein Ausbildungsinstitut für Lehrkräfte. Dieser Gebäudekomplex sollte auf den Bedarf des ganzen Großraums zugeschnitten werden. Im Landkreis Fürth gab es nach damaliger Einschätzung etwa 100, in Fürth etwa 80 Kinder, die eine Sonderschule in Anspruch nehmen sollten oder könnten. Die Planungen erfolgten in Hinblick auf das seinerzeit in Beratung befindliche Sonderschulgesetz, mit dem große Erwartungen verbunden wurden. Im März 1965, als die Lebenshilfe ihr 100. Mitglied begrüßen konnte, hieß es in den Fürther Nachrichten: „Nur die wenigsten Einwohner wissen es: auch in Fürth gibt es eine ‚Aktion Sorgenkind‘. Ortsvereinigung der Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind nennt sie sich, und ihr jetzt dreijähriges Wirken hat bereits gute Früchte getragen... Die ‚Lebenshilfe‘ in Fürth hat mit ihrer tatkräftigen Arbeit... einen guten Anfang
Die Schulbusse waren in Fürth ein markanter Werbeträger für die Lebenshilfe, hier im Frühjahr 1966. (Foto: Nachlass Karl Reinmann).
Insgesamt brachte die Lebenshilfe 1965 selbst 85.000 Mark für ihre Aufgabe auf, für die damaligen Verhältnisse eine gewaltige Summe. Die Stadt und der Landkreis hatten - wie schon erwähnt - die Kosten für die Lehrkräfte übernommen, das Fürther Sozialamt hatte als erste Behörde in Bayern die Eingliederungshilfe für Jugendliche gewährt.
4. Aufbauarbeit durch Sonderschulgesetz erleichtert Am 1. Januar 1966 trat das Sonderschulgesetz in Kraft, das die Einrichtung von Sonderschulklassen vorschrieb. Der Vorstand der Lebenshilfe war genauso wie das Schulamt etwas verunsichert und im Unklaren, wie sich das neue Gesetz in der Praxis auf die Sonderschule der Lebenshilfe auswirken würde. Es zeigte sich jedoch, dass dieses Gesetz große Verbesserungen brachte. Das Sonderschulgesetz etablierte gesetzlich den neuen Schultypus, der die Heranführung behinderter Menschen an die Gesellschaft weiter erleichterte. Die Schulpf licht für geistig behinderte Menschen wurde festgelegt, Schulgeldfreiheit gewährt und schulvorbereitende Einrichtungen als Vorstufe zur Sonderschule anerkannt. Die Integration des geistig behinderten Kindes in die
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