Im Juli 1972 war die Beschützende Werkstätte fertiggestellt, hier zusammen mit dem Wohnheim im Oktober 1979 (Foto: Knut Meyer).
Im Juli 1972 war die Beschützende Werkstätte mit einem Kostenaufwand von 3,2 Millionen Mark Bau- und Einrichtungskosten fertiggestellt und wurde mit 33 behinderten Menschen bezogen, Anfang September nahm sie ihre Arbeit unter der Leitung von Herrn Scholze auf, im Laufe des Jahres wuchs die „Belegschaft“ auf 45; insgesamt bot die neue Einrichtung 120 Ausbildungs- und geschützte Arbeitsplätze, bis 1976 sollte sie voll belegt sein. Es waren seinerzeit Erweiterungsmöglichkeiten auf 200 Plätze vorgesehen. Im Zuge der Fertigstellung in der Aldringerstraße wurden von den Eltern Arbeitsleistungen im Wert von ca. 400.000 Mark erbracht. Bis zur Fertigstellung der Sonderschule sollten die Schüler weiterhin in der Weiherhofer Straße 49 und in der Marienstraße 25a untergebracht werden, von der Marienstraße wurden bis September 1972 die Einrichtungen der beschützenden Werkstätten in die Aldringerstraße verlegt und die frei werdenden Räume der Sonderschule zur Verfügung gestellt. Entsprechend den Bestimmungen des Sonderschulgesetzes wurde zum Beispiel ein provisorischer Gymnastiksaal eingerichtet. Als erste Einrichtung dieser Art in Bayern stand die Beschützende Werkstatt nicht nur geistig behinderten Jugendlichen, sondern - ohne Altersbeschränkungen - allen behinderten Menschen offen, die nicht in den normalen
Produktion in der Beschützenden Werkstätte. (Foto: Knut Meyer).
Arbeitsprozess eingegliedert werden konnten. Die Presse titelte dementsprechend: „Ein neuer Fürther Modellfall“. Ein Abkommen mit der Bundesanstalt für Arbeit sicherte der Werkstätte die notwendige Unterstützung und Förderung. Der Bau hatte auch wieder eine vermehrte Spendentätigkeit zur Folge, die von mit Kleingeld gefüllten Cognacflaschen über Prominenten-Fußballturniere bis zu größeren Spenden beispielsweise von der „Fränkischen Pelzindustrie“ reichte. Mitte 1974 trat das neue Schwerbehindertengesetz in Kraft, das unter anderem bei einer Erwerbsminderung um mindestens 50 Prozent einen erhöhten Kündigungsschutz, Zusatzurlaub und Steuervergünstigungen gewährte. Am 27. Juli 1974 lud die Lebenshilfe zu einem Tag der offenen Tür in der Aldringerstraße ein, „Stolz anstatt Scham“ war ein Motto, das die Presse im Titel ihres Berichtes aufnahm: „Wenn man die Entwicklung dieser beschützenden Werkstätte aus kümmerlichen Anfängen zu der heutigen Größe miterlebt hat, dann ist dieser Fortschritt noch viel augenfälliger. Aus den verschüchterten, gehetzten Kindern von einst sind sehr selbstbewusste junge Leute geworden, die stolz auf ihre Arbeit sind, die ihre Fabrikate wiedererkennen, wenn sie sie in Schaufenstern oder im Fernsehen entdecken.“
Rainer K., ein „Gründungsnutzer“ der Lebenshilfe, bei der Produktion in der Beschützenden Werkstätte. Rainer K. zog es jedoch auf das Land, er wollte landwirtschaftlich und mit Tieren arbeiten, so wechselte er in eine kirchliche Betreuungseinrichtung auf dem Lande in der Oberpfalz. (Foto: Knut Meyer).
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