Menschen sollten am städtischen Leben teilnehmen können und nicht räumlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Das Wohnheim war als neuer Lebensraum vor allem für junge behinderte Menschen gedacht, die sich vom Elternhaus abnabeln wollten. Jede Wohngruppe sollte sich mit einer eigenen Küche selbst versorgen. Die drei Säulen des Wohnheims waren das Normalisierungsprinzip, die Integration und die Selbstbestimmung.
Konkretisierung der Planung des zweiten Bauabschnittes auf dem Areal Fronmüllerstraße, Weiterentwicklung der Pläne für ein Frühförderzentrum an der Friedrich-EbertStraße, Einreichung der Förderanträge für das geplante Förderzentrum Oberasbach.
In der Karolinenstraße feierte die Lebenshilfe im November 1999 ein weiteres Jubiläum: Die Frühförderung blickte auf ihr 25-jähriges Bestehen zurück. Hatte sie 1975 gerade mal eine festangestellte Kraft, so waren es nun 19 Psychologinnen, Logopädinnen, Krankengymnastinnen, Erzieherinnen, Heil- und Sozialpädagoginnen sowie eine Ergotherapeutin, die sich um rund 300 Kinder aus der Stadt und dem Landkreis Fürth kümmerten. Dr. Konrad Richter, Chefarzt der Fürther Kinderklinik, referierte zum Jubiläum über das Thema „Der Beginn des Lebens aus der Sicht des frühgeborenen Kindes“. Eine 51-köpfige Gruppe von 26 Schülern der LebenshilfeSchule zur individuellen Lebensbewältigung und 15 Schüler der Fürther Sing- und Musikschule - allesamt Gymnasiasten - besuchte im Herbst 1999 die Partnerstadt Paisley. „Insgesamt 34 Stunden im Bus, 26 Stunden auf der Fähre, 9 Tage und Nächte in einer schlichten Unterkunft verbrachten die Jugendlichen miteinander. Gemeinsam kochen, schlafen und vieles mehr - Integration ohne doppelten Boden war angesagt“, so berichtete Robert Wagner, Leiter der Sing- und Musikschule. Die außergewöhnliche zwischenmenschliche Begegnung hinterließ bei allen, vor allem aber bei den nichtbehinderten Menschen, tiefe Eindrücke. Behinderte Musiker wurden in die Konzerte der Musikschule integriert, mitunter konnten die behinderten Musiker die nichtbehinderten Menschen mit ihren Fähigkeiten verblüffen. Die Sing- und Musikschule Fürth e.V. bot im Unterrichtsprogramm ein Instrumentalspiel mit behinderten Menschen an. Drei eigens für den Unterricht mit behinderten Menschen ausgebildete Lehrkräfte versuchten, behinderte Menschen in bestehende Ensembles einzubinden. Im November 1999 stellte die Lebenshilfe der Öffentlichkeit ein viertes Standbein zur Finanzierung ihrer Arbeit vor. Neben den Mitgliedsbeiträgen, Spenden und öffentlichen Geldern sollten nun auch Erbschaften über eine Stiftung zur Finanzierung der vielfältigen Aufgaben dienen. Mit der Stiftung sollte auch ein Ausgleich zu den rückläufigen Zuschüssen der öffentlichen Hand geschaffen werden. Das Vorhaben war schon 1998 in Angriff genommen und im Juli 1999 ins Leben gerufen worden. Geistiger Vater der Stiftung Lebenshilfe Fürth war der Fürther Notar Manfred Bengel, auch auf Bundesebene ein namhafter Berater der Lebenshilfe im Stiftungswesen. Ende 1999 konnte die Lebenshilfe anlässlich ihrer Jahreshauptversammlung auf ein tatenreiches Jahr zurückblicken: Baubeginn des neuen Wohnheims in der Fürther Südstadt, die Gründung der Stiftung Lebenshilfe Fürth und die Auslobung eines neuen Integrationspreises,
Der ausgelobte Integrationspreis zur Würdigung eines herausragenden Einsatzes für die Integration behinderter Menschen wurde im Februar 2000 erstmalig vergeben. Preisträger waren Martin Ermer vom Behinderten- und Versehrten-Sportverein Fürth, Schulleiter Robert Wagner von der Sing- und Musikschule Fürth und Irene Dilling, Meditationsreferentin der evangelischen Kirche. Im April 2000 konnte das Richtfest für das neue Wohnheim an der Fronmüllerstraße gefeiert werden, im Juli 2000 führte die Lebenshilfe zum fünften Mal das Lauffest der mittelfränkischen Förderschulen durch. Große Freude herrschte bei der Lebenshilfe im Juli 2000, als die Aktion Mensch (früher: Aktion Sorgenkind) 200.000 Mark für das neue Wohnheim bereitstellte. Aber auch in Dambach stand die Zeit nicht still: Im August begann die Umgestaltung des Pausenhofes der Dambacher Förderschule. Die doch reichlich nüchternen Bauten in der Aldringerstraße ergänzte ein mindestens ebenso nüchterner Pausenhof, „Pausenhof-Öde“ bezeichnete Werner Steinkirchner, stellvertretender Geschäftsführer der Lebenshilfe, den Zustand. Klangspiele, Wasser- und Matsch-Ecke, Malecke und vieles mehr entstanden. Die Verwirklichung war mit 160.000 Mark veranschlagt, die vollständig aus Eigenmitteln stammten. Im Mai 2001 konnte der neue Platz den Kindern übergeben werden. Inzwischen ging der Auf bau einer neuen Heimat für behinderte Menschen in der Südstadt zügig voran. Zusammen mit den anderen Projekten standen bis 2002 Investitionen in Höhe von rund 35 bis 40 Millionen Mark vor der Verwirklichung. „Damit gehören wir zu den größten Investoren der Region“, betonte Vorsitzender Dr. Thomas Jung im November 2000. Ende 2000 standen auch die Finanzierungsprobleme, die bislang den Baubeginn einer Sprachheilschule in Oberasbach verzögerten, vor der endgültigen Klärung. Die beiden integrativen Kindergärten zeigten einen hohen Zulauf sowohl von behinderten wie auch von nichtbehinderten Kindern, die Nachfrage nach Leistungen des Familiendienstes stieg zusehends. In der Jahreshauptversammlung bedankte sich Vorsitzender Dr. Thomas Jung beim Freistaat Bayern und der Bundesregierung in Berlin für die über 31 Millionen Fördergelder, die im Zeitraum 2000 bis 2003 zugesagt waren. Einstimmig stimmte die Jahreshauptversammlung dem Vorschlag des Vorsitzenden Dr. Thomas Jung zu, zukünftig den Schutz wehrloser Menschen vor Übergriffen Rechtsradikaler als weiteren Arbeitsschwerpunkt aufzunehmen. Zum 5. Mitgliederforum am 20. November 2000 referierte Rechtsanwältin Roswitha Bengel über das Thema „Aktuelles zur Pflegeversicherung für behinderte
2. Integrationspreis und Investitionsrekord
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