48 – 14/15� Altstadtverein Fürth
Neugierig drückten wir unsere Nasen an den Autoscheiben platt oder standen bewundernd um das Auto herum, bis wir von den Erwachsenen weggeschickt wurden. Gleich neben Schwabs Haus war das Gebäude der Freibank. Im hinteren Teil, in dem heute die Transformation-Stelle untergebracht ist, war das Holzlager der Firma Kolles. Das roch da immer so gut nach frischem Holz und wenn die Gretel, der gute Geist vom LeiternKolles, mit dem großen Schlüsselbund kam, um das Schiebe-Scheunentor für Kunden zu öffnen, konnten wir schnell mal hineinspitzen. Leitern, Leitern, Leitern, Holzlatten, Leiterwagen, alles aus Holz. Nichts aus Metall und schon gar nichts aus Plastik. Ich habe heute noch den frischen Holzgeruch in der Nase! Beim Kolles gab es alles aus Holz: Gardinenstangen, Holzknöpfe, Tabletts, Türgriffe und Leitern. Ich kann mich noch gut an Frau und Herrn Kolles erinnern: fleißige, ehrbare Leute. Gleich neben dem Holzlager war ein Pferdestall. Der war aber in meiner Erinnerung immer leer. Nur einmal erinnere ich, dass da Brauerei-Gäule drinnen waren. Später wurde der Stall zum Ausstellungsraum der Firma Kolles, als sie Garderoben zusätzlich in ihr Verkaufsprogramm aufnahmen. Heute ist dort die Geschäftsstelle des Altstadtvereins untergebracht.
Im linken Teil des Gebäudes war also die Freibank. Am Dienstag, Freitag und Samstag wurde dort Fleisch von notgeschlachteten Tieren verkauft. Das Fleisch war preiswerter als beim Metzger und für viele Familien das einzige, was sie sich leisten konnten. Daher war Freibankfleisch war sehr begehrt. Ich wohnte in diesen Nachkriegsjahren im Haus gegenüber und habe ich mir mit meiner Schwester ein Schlafzimmer zum Hof hin geteilt. Als Kind hat man doch einen guten Schlaf, oder? Wenn nicht, konnte man an Tagen, an denen die Freibank öffnete, vor dem Fenster die schwatzenden Leute hören. Bereits nachts um 2 Uhr standen die ersten Kunden unten im Hof, vertrieben sich die Zeit mit Unterhalten. Die Menschenschlange wurde länger und länger, bis zu 200 Personen warteten, dass es 7 Uhr wird und der Verkauf begann. Da hingen dann in der Freibank an der Wand die Rinderviertel, die Schweinehälften und die Schafe. An der einen Tür wurden immer so 20 Leute eingelassen und drinnen bedient. Wenn die Leute dann zur anderen Tür draußen waren, durfte der nächste Schwung hinein. Bis zu 400 Leute wurden so an einem Tag bedient und mit frischem Fleisch in der kargen Zeit versorgt. Den Verkauf organisierten Tante Anni, Tante Loni und der Chef des Ganzen, Herr Büchner. Die „Tanten“ waren keine leiblichen Tanten. Es war damals üb-
lich auch nicht verwandte Personen wie Freunde der Eltern oder Nachbarn oder Erzieher mit Onkel beziehungsweise Tante anzusprechen. So wurden auch Tante Anni, Tante Loni von uns Kindern so genannt. Tante Anni war eine sehr elegante Frau, immer in Schuhen mit hohen Absätzen und dem alten Büchner sei Frau. Wenn der Verkauf beendet war und es ans Putzen ging, war Herr Büchner verschwunden. Diese Arbeit blieb den Frauen überlassen. Herr Büchner war dann immer im Roten Ross zu finden, das damals die Familie Riedel bewirtschaftete. Tante Anni und die Tante Loni gingen nach dem Putzen ins Café Altmann und holten anschließend den „Chef“ vom Ross ab. Neben der Freibank war unsere „Schüpf“, ein alter Schuppen. In früheren Jahren war das ein Waschhaus mit einem großen, heizbaren Waschkessel, das zur Konditorei Schöller gehörte. Nach dem Krieg, zu der Zeit, wo meine Erinnerungen beginnen, kenne ich die Schüpf nur dunkel, schwarz und finster. Sie diente als Kohlenlager und Rumpelkammer. Es standen unsere Schuttkübel (heute heißt es Mülleimer) drinnen und später, ab 1960, habe ich meine Vespa, Baujahr 1953, eingestellt. Die Schüpf wurde vom Altstadtverein renoviert und an einen Maler verkauft, der sie heute als Atelier nutzt.
Nebendran in der Waaggasse 4 (heute Waagstraße) war die Lassner‘s Else, unsere Obst- und Gemüsehändlerin. Frau Lassner war immer schon in aller Frühe in Nürnberg auf dem Großmarkt um einzukaufen. Dann baute sie auf der Freifläche vor ihrem Haus auf zwei großen Holzwagen ihre Waren auf. Da es in den 50 er Jahren den Durchbruch am Dreikönigsplatz noch nicht gab (heutige HenryDunant-Straße), gingen viel mehr Fußgänger durch die Waagstraße und kauften bei der Else ein. Immer fleißig, immer bescheiden, immer mit der Kittelschürze und noch einer Schürze davor, in deren Tasche das Geld verschwand. Aber am Sonntag, wenn die Lassnerin in die Kirche ging, dann erkannte man sie nicht wieder; mit Hut und Pelzmantel, nix Bäuerin und Gemüsehändlerin. Die Lassner‘s Else erzählte auch gerne, dass sie, als sie noch jung war, ihre Wagen immer auf den Obstmarkt ziehen musste. Damals wurde dort täglich ein Obstmarkt abgehalten. Aus alten Zeitungen wurde eine Tüte gedreht und die Äpfel darin eingepackt. Nix Plastik! Nix Tragetasche, der Einkaufskorb wurde mitgebracht. Auch auf den anderen „Markt“-Plätzen fand regelmäßig ein Marktgeschehen statt: Auf dem Kohlenmarkt wurden im Winter Kohlen verkauft und am Grünen Markt alles „Grünzeug“. Es gab halt noch keinen Supermarkt mit Voll-Sortiment. Fortsetzung auf Seite 18 17