50 – 16/17� Altstadtverein Fürth
Vor trag: Bauen im Kontext Der Altstadtverein Fürth hat sich 1975 gegründet, um nach der Gänsberg-„Flächensanierung“ den angedachten Abriss der heutigen Altstadt zu verhindern. Er hat sich in die Diskussion um die Gestaltung und bauliche Weiterentwicklung in Fürth aktiv eingemischt. Heute ist es um dieses Engagement ruhiger geworden, aber der Altstadtverein will an diese Anfangsjahre anknüpfen und sich wieder stärker den Themen Stadtbildpflege und Stadtgestaltung widmen. Als erste Veranstaltung zu diesem Themenkomplex hat der Altstadtverein den bundesweit bekannten Stadtentwickler und Denkmalpfleger Michael Stojan aus Siegen für einen Vortrag mit dem Titel „Bauen im Kontext – Kontinuität regionaler Baukultur“ gewinnen können. Vor ca. 40 Zuhörern in der Freibank berichtete Herr Stojan, dass er sich während seiner langjährigen Tätigkeit als Stadtplaner immer stärker die Frage gestellt hat: „Warum sind unsere Städte in den letzten Jahren eigentlich so hässlich geworden?“ Er führt als Hauptgrund hierfür den Verlust an Regionalität in der Architektur an. Die nach dem Krieg ausgebildeten Architekten „haben es verpasst, sich der Kontinuität der historischen Stadtentwicklung anzuschließen“ und damit neue Stadtviertel geschaffen, die wenig bis keine Aufenthaltsqualität besitzen und ungern besucht werden. Im Gegensatz dazu die stark nachgefragten historischen Stadtkerne der traditionell stark regional geprägten mitteleuropäischen Stadt, soweit diese noch intakt sind. Die dadurch erreichte Unverwechselbarkeit der Städte macht sie im Gegesatz zu Neubauvierteln so attraktiv. Stojan fordert die Städte auf, von der Wirtschaft zu lernen: Mit der seit Jahrzehnten beibehaltenen PorscheGrundform, dem Fiat Cinquecento und dem Dr.Oetker-Logo führt er einige Beispiele erfolgreichen „Bran-
dings“ auf, die zeigen wie wichtig die Kontinuität in der Gestaltung für die emotionale Bindung der Kunden und Nutzer ist. Die Kontinuität der regionalen Baukultur sollte auch bei den Stadtverantwortlichen als Standortvorteil erkannt und verfolgt werden. Herr Stojan zeigte Bilder von Bausünden und Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte, wie sie sich leider als Normalfall in unseren Städten etablieren konnten, Beispiele „zeitgenössischer Architekturen, die alle eigentlich richtig weh tun.“ Ohne jeden Bezug zur Nachbarschaft, den Ort oder die Region werden regelmäßig Gebäude in intakte Stadtstrukturen „hineingefräst“. Stojan kritisiert dabei ganz offen das Festhalten der heutigen Architektur-„Elite“ an den Dogmen der sog. „Moderne“, die vor 100 Jahren entstand. Für ihn bleibt es unverständlich, warum die Architekten aus den vielen Fehlern der letzten Jahre so wenig gelernt haben und warum sie sich nicht an den zugegeben wenigen guten Projekt orientieren. Diese guten Ansätze der letzten Jahre zeigt Stojan auch und beweist damit eindrucksvoll: Es geht! Bei allen guten Beispielen haben sich Verwaltung und Bürger vorher klare Vorgaben gemacht, was die Stadtgesellschaft an diesem Ort will. Diese oft sehr konkreten Vorgaben helfen den Architekten nach der Erfahrung des Stadtplaners Stojan im Entwurf eher als dass sie sie einschränken, was von den Architektenkammern oft behauptet wird. Einen weiteren Grund für die zunehmende Hässlichkeit unserer Städte sieht Stojan im „fehlenden Verantwortungsbewusstsein für das Stadtbild“. Genau hier steuert er seit 15 Jahren mit seinem mittlerweile bundesweit agierenden Verein zur Förderung der regionalen Baukultur gegen. Der Verein unterstützt Bürgervereinigungen darin, die Grundlagen für
eine „schöne“ Stadt zu fordern und zu kreieren. Diese sind in den Augen des Stadtbaureferenten aus Siegen: Wiederentdeckung des traditionellen Stadtraumes, Pflege und Entwicklung der lokalen Bautradition, Gleichrangigkeit von Städtebau, Architektur und Grünplanung und – nicht zuletzt – Verantwortungs- und Gestaltungsbewusstsein der Bürger. In Siegen hat Herr Stojan mit viel Rückenwind vom Bürgermeister in jedem Stadtteil sog. „Werkstätten“ ins Leben gerufen, in denen engagierte Bürger Ihre Vorschläge zur Quartiersgestaltung und – verschönerung einbringen können. Diese Vorschläge werden dann in diesen Workshops durchgearbeitet und weiterverfolgt oder auch verworfen. So hat in Siegen das Engagement für die Stadtbildpflege einen weit höheren Stellenwert als in vielen anderen deutschen Städten. Nicht von oben oder von „Experten“, sondern von der gesamten Stadtgesellschaft konnten so Leitbilder für die Stadtentwicklung erarbeitet werden. Als Folge dieser vorbildlichen Bürgeraktivierung entstand die „Stadtbild-Offensive Siegen“. Am Ende seines Vortrags mahnt Herr Stojan noch einmal die gestalterische Nachhaltigkeit der Architektur an. Ihn stört die Kurzlebigkeit der Architekturmoden, denn „morgen will das von den Architekten schon keiner mehr gewesen sein!“ In der nachfolgenden lebhaften und anregende Diskussion wird eines schnell klar: In Fürth besteht, v.a. bei dem von Herrn Stojan angesprochene Verantwortungsbewusstsein für das Stadtbild noch sehr viel Luft nach oben. Dr. Christofer Hornstein
Hinweis: Für alle Interessierte, die den Vortrag nicht hören konnten, stellt der Altstadtverein einen Videomitschnitt auf seine Webseite www.altstadtverein-fuerth.de 11