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Altstadtverein Fürth �

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Wo lagen die Wiesen „hintter sannd Merteins kirchhoff zu Furt“? von Thomas Werner

Im Grunde sollte sich ein Archäologe nicht mit Interpretationsfragen von historischen Quellen beschäftigen, da er sich auf einem fachfremden Gebiet befindet. Wenn man allerdings in Fürth versucht der frühen Geschichte auf den Grund zu gehen, wird man ohne eine gewisse interdisziplinäre Auseinandersetzung nicht vorwärts kommen. Bei allen Daten, die der Archäologe mit seinen Methoden erhebt, wird er auf die Aussagen der Historiker angewiesen sein, um sie richtig einordnen oder widerlegen zu können. Dabei kann der Blick auf das erweiterte historische Quellenmaterial (z. B. historische Karten) mit anderer Sichtweise sehr hilfreich sein. Zusammen mit einem Abgleich der bekannten historischen Literatur, die es ausführlich zu prüfen gilt, und den zugehörigen Quellen haben wir einen Schlüssel in der Hand, um in der Erforschung unserer Entstehungsgeschichte weitere Fortschritte zu erreichen. So bleibt die Frage, was den Archäologen umtreibt, denn die Beantwortung der Überschrift hat doch eigentlich nichts mit unserer Entstehungsgeschichte in Fürth zu tun. Hat es doch, denn die Beantwortung hängt ganz eng zusammen mit unseren Untersuchungen, die in Zusammenarbeit mit einem Geologen und mit Hil30

fe von geophysikalischen Prospektionen zur Lösung der Standortfrage der ersten Pfarrkirche St. Martin beitragen wollen, weil die Ansichten von Historikern und Archäologen dabei nicht nur von unterschiedlichen Voraussetzungen sondern auch von verschiedenen Interpretationen ausgehen. Vielleicht ist es notwendig, dieses Problem einmal besonders in den Vordergrund zu stellen, da eine länger geführte Diskussion im Januar zu keinem Ergebnis geführt hat. Worum geht es? 1951 hat der Gründer von „Alt-Fürth“, dem heutigen „Geschichtsverein“, Adolf Schwammberger, in einer Anmerkung zu Grubers Chronik aus Fürth mit einer Aufzählung von Archivalien versucht, den ältesten Friedhof in Fürth nachzuweisen (FHbl. NF 1. Jg., 1951, S. 20 m. Anm. 3). Er nahm die Idee einer Anmerkung des Historikers Wilhelm Deinhardt von 1935 auf, die mit Archivalien von 1471, 1500 und 1576 auf diesen Kirchhof hingewiesen hatte und ergänzte sie mit drei weiteren Beispielen. Dabei setzte Schwammberger die Begriffe „Kirchhof“ und „Friedhof“ gleich in der Funktion als ältesten Fürther Bestattungsplatz; Kirchhof wird gleichbedeutend mit Friedhof betrachtet. Das Zitat aus Grubers Chronik lautet: „1759 den

2. Juni ist Sebastian Zimmermann, ein Kaufmann dahier, zur Früh im Bett tot gefunden worden; es war die Sage als wenn derselbe in der Bettanhaltsschlinge sich erhängt hätte. ... Man hat ihn auf Hochfürstlichen Befehl auf dem Kirchhof begraben sollen; die Bauern auf den Dörfern, welche hierhergepfarrt, und ander zugeschlagen Volk widersetzten sich auch wider das Kommando; allem Unglück zu entgehen, wurde er zur St. Martinskapelle begraben.“ Gruber unterscheidet zwischen dem „Kirchhof“, mit dem aller Wahrscheinlichkeit nach der damalige Friedhof um St. Michael gemeint ist, und dem Begräbnis „zur St. Martinskapelle“, dem Ort der Ruine im Wiesengrund. Er geht nicht auf den Widerspruch ein, der sich aus dem sakralen Charakter beider Begräbnisplätze hätte ergeben müssen. Wenn dem vermeintlichen Selbstmörder eine Bestattung in der geweihten Erde um St. Michael verwehrt wurde, wieso konnte er bedenkenlos in oder bei der „Martinskapelle“ beigesetzt werden, einem Ort, der ebenso geweiht gewesen sein müsste, wenn wir es hier mit dem ältesten Friedhof Fürths bzw. einer alten Kapelle zu tun gehabt hätten. Kann der hier geweihte Boden irgendwann in Vergessenheit geraten sein? Auch Schwammberger ist dieser Widerspruch nicht auf-

gefallen, jedenfalls geht er nicht darauf ein. Hat man das aufgebrachte Volk damals für dumm verkaufen wollen? Haben wir es bei der Bezeichnung „Martinskapelle“ tatsächlich mit einer sakralen Stätte zu tun oder handelt es sich schlicht um eine Benennung der auffälligen Ruine im Wiesengrund aus dem Volksmund heraus ähnlich der norwegischen „Trollkirken“ ohne sich dabei eines sakralen Charakters bewusst zu sein? Aus dem Text in Grubers Chronik spricht jedenfalls eine gewisse Unsicherheit über den Todesfall, dass man in Bezug auf die Bestattung wohl auf Nummer sicher gehen wollte. Kirchenrechtlich war eine Beisetzung bei der Ruine in der Mitte des 18. Jahrhunderts ohne Belang – das heißt, der sakrale Charakter genauso unbestimmt, weil ein Friedhof auf dem Kirchenplatz vorhanden war. Aus dem Kontext geht nicht hervor, ob auch davor schon Bestattungen an der Ruine im Wiesengrund vorgenommen worden sind. Es ist auch nichts von einem Kirchhof/Fiedhof bei Gruber zu lesen. Schwammberger setzt ihn aber voraus aufgrund seiner Archivalien von 1460 „... ein tagwerck wyßmats hintter sannd Merteins kirchoff zu Furt ... gelegen ...“, 1576 „Wiesen hinter St. Martins Kirchhof bei Fürth gelegen“ und 1723 „Wiesen hin-