weisendes Argument als Standort im Wiesengrund. Überschwemmungen werden bei der fehlenden landwirtschaftlichen Erschließung der Rednitzhänge mit den zugehörigen Erosionen in karolingischer Zeit noch keine große Rolle gespielt haben, was aber Boener zu seiner Zeit noch nicht wissen konnte. Er argumentiert aus der Logik der Legende heraus. Wäre ein repräsentatives Gebäude oder gar ein Königshof in Fürth vorhanden gewesen, müsste der König nicht im Zelt auf der feuchten Wiese kampieren. Er führt die Absurdität der Sage vor Augen, da für den Aufenthalt Karls des Großen immer ein repräsentatives Gebäude oder ein Königshof vorausgesetzt, ansonsten die Beziehung zu dem König seit Meisterlin (1488) mit dem Nürnberger Vorort Altenfurt in Verbindung gebracht worden war. Der Rückschluss auf das karolingische Alter aus der Kombination von vermeintlich fränkischem Königsgut und Martinspatrozinium muss aber für beide Denkrichtungen erst noch untersucht und belegt werden. Nur weil das von fachrelevanten Autoren immer wieder behauptet wurde, sich im Nachweis auf Aussagen der jeweiligen Vorverfasser beschränkte, muss diese von E. v. Guttenberg – ebenfalls ohne Nachweis – in die Welt gesetzte These noch lange nicht richtig sein. Der Denkfehler liegt wohl hauptsächlich in der Annahme, dass der königliche „locum Furti dictum“ aus Heinrichs II. Urkunde bereits in karolingischer Zeit Königsgut gewesen sein müsste, aufgrund des Umfangs der Schenkungsmasse 1007 sowie der Annexion des bayerischen Nordgaus in seinem westlichen Teil durch Karl Martell oder seine Nachfolger an das austrasische Frankenreich. Diese Vorgänge sind für die Umgebung südlich von Forchheim leider bisher nur unzureichend erforscht und können keinesfalls für Fürth als Voraussetzung genommen werden, weil man sich auf eine von mehreren Möglichkeiten festlegen würde, ohne eine Quelle zu besitzen. Die Überlegung, dass in Fürth Allodialgut einer Adelsfamilie aus Bayern vorliegen könnte, die beim Landesausbau mit den Karolingern zusammengearbeitet hat und darum ihr Eigen nicht an den Hausmeier/König verloren haben muss, ist bereits aufgeworfen worden (Fürther Geschichtsblätter 59, 2009/2, S. 42 f.). Die Frage, ob die austrasischen Hausmeier generell das Gebiet nördlich der Donau bis zum Main – ausgenommen Alamannien – zum annektierten Thüringerreich nach 531 gerechnet haben, ist noch unbeantwortet, könnte aber als eine Ursache der Konflikte des frühen 8. Jahrhunderts mit den Baiern betrachtet werden, die ihren Landesausbau nach Norden zeitgleich vorangetrieben hatten. Die Entwicklung des Bauwesens im Mittelalter lässt dann erkennen, dass die Steinbauweise im Boenerstich erst relativ spät in unserer Gegend eingeführt wurde und hier verschiedene Techniken zu un18
Altstadtverein Fürth
Nr. 57 – 2024
terscheiden sind. Bei der sicherlich richtig erschlossenen Beurteilung einer Entstehungszeit der von Boener dargestellten Gebäudereste nicht vor 1250, wird damit die „Martinskapelle“ in ihrer einzig überlieferten Form in eine Zeit nach der „Gründung der Michaeliskirche in Fürth im 11./12.Jhd.“ (S. 6) datiert wohl nicht ahnend, dass hier mit umstrittenen Erkenntnissen des Historikers Erich Freiherr von Guttenberg aus dem Jahre 1933 handiert wird, denn zitiert wird er nicht. Spätestens jetzt wird in der Überzeugung, St. Martin müsse älter als St. Michael sein klar, dass etwas nicht stimmen kann und darum die Boener’sche Darstellung einfach zu einem „Nachfolgebau“ umdeklariert, was voraussetzt, dass die frühe Martinskapelle oder eines ihrer Vorgängergebäude wie eine der archäologisch ergrabenen Ständerbaukirchen des 8. Jahrhunderts ausgesehen haben müsse. Der Nachweis dafür fehlt. Für diesen Gedankengang lässt sich kaum Verständnis aufbringen. Wenn bis 1250 Holzbauten existiert haben sollten, wieso müssen sie dann aus dem 8. Jh. stammen und wie konnten sie sich überhaupt in der Wiese lange 500 Jahre erhalten? Die Besiedlung des 10./11. Jhds. im Bereich des Altstadtviertels St. Michael und des Kirchenplatzes war 2007 bereits archäologisch erarbeitet worden, dass die Frage nach der Ursache für eine bauliche Erneuerung einer Kapelle nach 1250 im Wiesengrund unbeantwortet im Raum stehen bleibt, zumal auch Fronmüller für den Zeitraum ca. 100 Jahre davor (1162) hervorhebt, dass eine bauliche Erweiterung in der „Umgegend der Martinskapelle wegen der häufigen Ueberschwemmungen des Rednitzthales sich nicht zu diesem Zwecke eignete“ (Chronik S. 12). Was hat diesen Widerspruch zu Fronmüller veranlasst? Bei solchem historischen Einfühlungsvermögen – was die Auswertung der Literatur angeht – kommt man nicht umhin, die Faktenlage genauer zu hinterfragen. Zunächst ist zu den Stichen Boeners festzuhalten, dass er ziemlich exakt gearbeitet hat. Das heißt, das, was Boener abgebildet hat, hat er auch tatsächlich gesehen. Die Perspektive ist teilweise so genau, dass sie den heutigen Betrachter in Erstaunen versetzen kann. Bestes Beispiel ist der Prospekt vom Lochnerschen Gartenhaus (Abb. 3). Hinter der Gartenmauer ist die mit einem Satteldach abgedeckte, auf zwei Säulen ruhende Haspelwelle des spätbarocken Brunnens zu erkennen. Legt man die Straßenseite des Gebäudes in ihrer Länge als Grundmaßstab fest, überträgt sie auf das heutige Ausmaß in der Theaterstraße und misst damit perspektivisch die Strecke bis zu dem Punkt, an dem die Mitte des Brunnen in der Tiefe des Bildes zu erkennen ist, gelangt man genau in die Flucht des 2003 wiederentdeckten Brunnens, der im frühen 20. Jahrhundert verfüllt und danach überbaut wurde (Altstadtbläddla 38, 2003/04, S. 34 f. und 39).