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ausgerichtet ist, während die rechteckigen bis quadratischen Apsiden früher Kirchen ausschließlich nach Osten belegt sind. Der Ausflug in die Welt der Archäologie wirkt generell skurril auf den Leser. Der Satz: „Der Nachweis von Siedlern der Zeit des frühen Mittelalters in der gesamten Region Frankens ist insgesamt schwierig, da sie ‚wegen ihrer mutmaßlichen Brandgräber archäologisch schwer aufzufinden’ sind“ (S. 5) suggeriert, dass das fränkische Gebiet vor dem karolingischen Landesausbau nicht erforschbar sei. Wäre das Zitat genau und vollständig gelesen worden, hätte bemerkt werden müssen, dass sich das Problem der Brandgräber auf die Zeit der Spätantike bezieht und im frühen Mittelalter die Siedlungskontinuität vom 4. bis 7. Jahrhundert eindeutig belegt ist (zuletzt in der Ausstellung „Als Franken fränkisch wurde“ Iphofen 2021). Wenn nicht zu jeder Siedlung auch entsprechende Gräber vorhanden sind, ist das auf die Tatsache zurück zu führen, dass unsere Bodendenkmäler nicht lückenlos erfasst bzw. bereits endgültig zerstört sind. Dadurch wird auch das nachfolgendes Fazit unsinnig: „Deshalb müssen wir uns bei einer Vorstellung über den frühesten Kirchenbau in Fürth auf die historischen Anhaltspunkte und Analogien von Bauten der Zeit beziehen“. Gerade weil der einzige Beleg zur „Martinskapelle“ erst so spät (nach 1250) datiert werden kann, ist eine archäologische Untersuchung unumgänglich, um heraus zu finden, ob ein Vorgängerbau oder gar eine karolingische Kirche existiert hat. Denn der Nachweis, dass in Fürth an der angegebenen Stelle eine Kirche „der Zeit“ gestanden hat, wurde ja noch nicht erbracht, sondern nur durch mündliche Überlieferung behauptet. Alle zugänglichen Quellen aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg kennen nur eine Ruine, die durch zeitgenössische Interpretationen infolge der Karlssage seit dem 17. Jahrhundert zu einer Kapelle stilisiert worden war. Damit kommt man zum nächsten Kuriosum im Text. So soll das Martinspatrozinium „auf eine Gründung der Kapelle in der Zeit der Karolinger“ verweisen. Hier wird deutlich, dass die Legende mit einer historischen Quelle verwechselt wird. Da keine schriftlichen Quellen und Bodenfunde aus der Zeit vorliegen, muss man sich bei Beantwortung dieser Frage auf die Entstehung des speziellen Patroziniums und die nachfolgende geschichtliche Entwicklung beziehen. Und hier kommt für unsere Gegend der Zeitraum von den ottonisch-sächsischen Regenten teilweise bis ins hohe Mittelalter in Frage. Die Anerkennung des Nationalheiligen der Merowinger war für die austrasischen Hausmeier eine Art Bringschuld, um eine Vollmacht für ihr Königtum „von Gottes Gnaden“ im Gegensatz zum ererbten Königtum des Merowingergeschlechts zu rechtfertigen. Allein die Tatsache, dass bei den Dotie-

rungen zur Gründung des Bistums Würzburg 741 von den Hausmeiern Karlmann und Pippin bereits Martinskirchen verschenkt worden sind, macht klar, dass die ostfränkischen Martinskirchen keine karolingischen Königskirchen gewesen sein konnten – das Königtum Pippins (ab 751) stand ja erst noch bevor. Wenn also ein sehr hohes Alter angenommen wird, sollte man sich auch mit den geschichtlichen Voraussetzungen vor dem karolingischen Landesausbau für unsere Gegend auseinandersetzen. Von einer fränkisch-merowingischen Siedlungsphase hier in Fürth ist bisher nichts bekannt. Und dann die Feststellung: „Die Martinskirche in Fürth war eine königliche Eigenkirche“. Stimmt – König Heinrich II. hat die Kirchen in Fürth sein Eigen genannt, das trifft für das frühe 11. Jahrhundert durchaus zu, für den karolingischen Zeitraum kann das aber nicht belegt werden. Oder sollte hier etwa der Hinweis versteckt werden, dass das Kirchlein erst seit 1002 (das Krönungsjahr Heinrichs) existiert haben kann, um näher am baugeschichtlichen Befund der von Boener abgebildeten Ruine zu sein? Das Eigenkirchenwesen war in karolingischer Zeit generell nicht nur ein königliches Privileg. Auch die Beschränkung des Martinpatroziniums auf das Königtum ist histoNr. 57 – 2024

Altstadtverein Fürth

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