Hermann Jäger 1972
Das Fürther Modell Bericht über Aufbau und Erfahrungen mit dem Leistungszug (gehalten als Vortrag auf der Arbeitstagung der Gymnasien mit fächerübergreifender Differenzierung am 23. Oktober 1972 in Bonn; unveröffentlichtes Manuskript) Das Problem der äußeren Differenzierung wurde in Bayern von zwei verschiedenen Seiten angegangen: 1. in der Form von Lerngruppen bzw. Leistungsgruppen mit verschiedenem Niveau innerhalb der Fächer, d.h. also Fachgruppen (engl. sets), wo Schüler innerhalb einzelner Fächer von Gruppe zu Gruppe mit unterschiedlichem Niveau wechseln können. 2. durch Bildung von Leistungsklassen, bzw. Leistungszügen (engl. streams), d.h. geschlossenen Klassen mit besonders geeigneten Schülern, die den Stoff unter Einsparung eines Jahres bewältigen (in NRW als „Projektstufe“ bezeichnet). Diese beiden Organisationsformen im Versuch gingen von zwei verschiedenen Schulen aus: 1. Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg („Bamberger Modell“) 2. Hardenberg-Gymnasium Fürth („Fürther Modell“) Ausgangspunkt für das Bamberger Modell war die Fragestellung: Wie kann das infolge der Bildungsausweitung immer stärker werdende Leistungsgefälle der Schulanfänger am Gymnasium überwunden werden? Wie kann insbesondere den Kindern aus sozialen Schichten mit schwächer ausgeprägtem Bildungsmilieu über die Startschwierigkeiten hinweggeholfen werden? Der Klassenverband wird hier in den Kernfächern Deutsch, Englisch, Mathematik aufgelöst, die Schüler werden auf Lerngruppen von verschiedener Leistungshöhe aufgeteilt. So entstehen Gruppeneinheiten, die nach dem Leistungstempo und Fassungsvermögen der Schüler und nach dem Umfang der mitgebrachten Kenntnisse homogener sind als die Klassen und deshalb besser gefördert werden können. Dabei kann ein Schüler etwa im Deutschen in der Gruppe C sitzen, im Englischen in der Gruppe A. Wechsel von einer Gruppe in die andere ist impliziert. Gruppen, die eine besondere Hilfestellung benötigen, erhalten zusätzlichen Ergänzungsunterricht von 1-2 Stunden. Das Modell ist in erster Linie für die Anfänger in den 5. Klassen gedacht. An dem Modell sind 11 Schulen beteiligt. Bei dem Fürther Modell, von dem hier im einzelnen die Rede sein soll, geht es um geschlossene Leistungsklassen. Der Versuch setzt in der 6. Klasse ein, wenn die Schüler bereits an die gymnasiale Arbeitsweise gewöhnt sind und sich ihre Leistungsfähigkeit deutlicher abzeichnet. Schüler, denen die Arbeit an der Schule leicht fällt, werden von der 6. Klasse ab in einem eigenen Leistungszug unterrichtet, der statt in 5 in 4 Jahren zum Ziel der 10. Klasse führt und so ein volles Jahr früher den Weg zur Hochschule eröffnet. Der Schüler, der früher im Normalunterricht oft nicht ausgelastet war, wird nun seinem geistigen Vermögen entsprechend erst richtig angesprochen. Auch hier ist der Wechsel von der Leistungsgruppe zum Normalzug möglich, wenn sich herausstellt, daß die Entwicklung des Schülers anders verläuft als vermutet.
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