September 1894 (2.) Die Ludwigsbahn wird nun seitens der k. Post insofern benützt, als ein Bediensteter behufs Herbeiführung einer raschen Briefbeförderung die Briefschaften täglich vormittags 8 ½ Uhr nach Nürnberg verbringt, wie er auch mit solchen um 9 ½ Uhr wieder nach Fürth zurückfährt. (10.) Das hiesige Progymnasium wurde zum Zwecke der Oberaufsicht dem Rektorat des alten Gymnasiums in Nürnberg unterstellt. (13.) Heute nacht verstarb der Hausierer Bernhard Gnad, 71 Jahre alt (eines der Fürther Originale), der seine Lose, Vogelhäuser usw. in poetischer Ansprache im Fürther Dialekt anpries. (24.) Der 75jährige Schreiner Strebel, dessen 79jährige Frau und deren 11jähriger Enkel wanderten heute nach Amerika (Philadelphia) aus. (Strebel und Frau kehrten nach einigen Jahren wieder zurück und starben nach mehrjährigem Aufenthalt im Versorgungshaus zu Fürth). (28.) Dr. Fr. Fronmüller hat in einem Fall von Diphteritis Böhrings [eigentlich Behring] Heilserum mit Erfolg angewendet. - Mit dem Bau eines Gebäudes für die k. Bankfiliale in der Blumenstraße wurde dieser Tage begonnen. Oktober 1894 (1.) Gegen den Beschluss des k. Bezirksamts, wonach der Rheinisch-Westfälischen-SprengstoffAktiengesellschaft die gewerbe- und baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung einer Zündhütchen- und Patronenfabrik im Gemeindebezirk Stadeln unter Abweisung des von der Stadt Fürth erhobenen Einspruchs erteilt wurde, wird seitens der Letzteren Beschwerde erhoben. (2.) Der Magistrat hat heute der Straßenbahngesellschaft die Erlaubnis zur probeweisen Einführung des elektrischen Straßenbahnbetriebs erteilt, unter Verlängerung der Konzessionsdauer auf 5 bzw. 10 Jahre. An die Straßenbahngesellschaft werden folgende Forderungen gestellt: 1. Verlängerung der Linie von der Theaterstraße bis Maxbrücke; 2. Neuherstellung einer Linie von der Weinstraße durch die Schwabacher Straße bis zur Flößaustraße im darauffolgenden Kalenderjahr nach der Vollendung des Tunnels in der Schwabacher Straße; 3. Abgabe von ¼ Prozent der Bruttoeinnahme und 10 Prozent von dem an die Stadt Nürnberg zu bezahlenden Netto-Gewinnanteil. Der Gesellschaft soll die Pflasterpflicht in der Schwabacher Straße erlassen werden. (12.) Von heute an ist die Telefonlinie München-Nürnberg-Leipzig-Berlin dem Verkehr übergeben und hierbei auch Fürth zugelassen worden. Die Taxe für ein Gespräch mit Leipzig oder Berlin beträgt 2 Mark für je 3 Minuten; für dringende Gespräche ist die dreifache Einzelgebühr zu bezahlen. (29.) Die Schmalzhändlerin Margarethe Z. von Nürnberg wurde wegen Verkaufs gefälschten Butterschmalzes (enthielt 40-50 Prozent Margarine) zu 3 Monaten Gefängnis und 10 Mark Geldstrafe... verurteilt. November 1894 (5.) Anlässlich des wegen der (400jährigen) Hans-Sachs-Feier in Nürnberg heute vormittag stattgehabten Festzuges war die Stadt wie ausgestorben; es waren sicher 15 bis 16.000 Personen von hier nach Nürnberg zu Fuß und mit allen Fahrgelegenheiten dahin geströmt. Alle Schulen waren geschlossen. Der Zug selbst war in Bezog auf Anordnung und Kostüme imposant.- Die Witwe des am 21. Oktober 1894 verstorbenen Fabrikbesitzers Jakob Scheidig, Frau Dora Scheidig, hat zum Andenken an der Verstorbenen eine Stiftung gemacht, mit der Bestimmung, dass aus den Zinsen krank und invalide gewordene Arbeiter der Brillenfabrik Scheidig und Sohn unterstützt werden sollen. (15.) Anlässlich ihres 50jährigen Geschäftsjubiläums haben die Brüder Bernhard und Theodor Löwensohn Arbeiterstiftungen im Betrag von je 15.000 Mark errichtet und es hat der Magistrat die Beträge in Verwahrung genommen. (21.) Für lässige Sonntags- und Fortbildungsschüler wird ein Karzer geschaffen, um bei Arreststrafen nicht immer gleich den Strafrichter beschäftigen zu müssen. (22.) Die Witwe Gertraud Nathan und deren Söhne Max und Louis haben zum ehrenden Andenken an ihren am 9. Oktober 1894 verstorbenen Gatten und Vater unter dem Namen Heinrich und Gertraud Nathan'sche Stiftung ein Kapital von 30.000 Mark zu Händen des Vorstands der israelitischen Kultusgemeinde übergeben. ¼ der Renten sind für die städtische Armenpflege abzuführen und von diesen jährlich am 9. Oktober an sogenannte verschämte Arme in Beträgen von nicht unter 50 Mark zu verteilen. (23.) Neuerdings von der städtischen Untersuchungsanstalt geprüfte 41 Butter- und Schmalzproben haben hinsichtlich der Ranzität ein recht betrübendes Resultat ergeben. Dezember 1894 (8.) Eine Eingabe des Volksvereins um Einführung der Lernmittelfreiheit an den hiesigen Volksschulen wird vom Magistrat einstimmig abgelehnt. 28
Seite:Käppner-Chronik 1887-1910.pdf/28
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