(30.) Muss der Pflasterzoll alljährlich verpflastert werden? Dieser Streifall, der zwischen der Stadtgemeinde Fürth und der Regierung als Aufsichtsbehörde entstanden ist, ist für alle Gemeinden, die Pflasterzoll erheben dürfen, von prinzipieller Bedeutung. Mai 1910 (1.) Die Bayerische Vereinsbank hat in der Moststraße 25 eine Zweigniederlassung errichtet. In dieser Straße befinden sich z. Zt. außerdem das Bankgeschäft M. Rau, die Filialen der Dresdner, der Reichsbank (Nebenstelle) und der Bayer. Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank). (11.) Das Gemeindekollegium stimmt dem Magistratsbeschlusse vom 4. des Monats zu, wonach eine Müllverbrennungsanlage im neuen Gaswerk errichtet werden soll und genehmigt die Kosten von 100.000 Mark. Die Erstellung des Ofens wird an die Firma Humboldt in Kalk bei Cöln vergeben. (12.) Die Fusion der Deutschfreisinnigen und der Volkspartei zu einem Verein der Fortschrittlichen Volkspartei in Fürth hat heute stattgefunden. (19.) Bedürfnisfrage für das Wirtschaftsgewerbe. Unterm 15. Februar sind die Gastwirte-Innung und die Freie Wirte-Innung um die Einführung der Bedürfnisfrage im Wirtschaftsgewerbe eingekommen. Es sind Erhebungen über die Zahl der Wirtschaften gepflogen, Umfragen in anderen Städten gestellt und auch die hiesigen Brauereien gehört worden. Es gibt hier noch 29 redizierte Wirtschaften oder Wirtschaften mit Realrechten und insgesamt 450 Wirtschaften, so dass auf 145 Einwohner eine Wirtschaft kommt... Mit allen gegen drei Stimmen (Oberbürgermeister Kutzer, Magistratsräte Friedrich und Hunger) wird das Gesuch der Innungen abgeweisen. (23.) Der Halley’sche Komet wurde heute abend nach 9 Uhr dahier gesichtet; eine rundliche Nebelmasse mit einem matt glänzenden festeren Kern in der Mitte. (29.) Der TV Fürth 1860 (E. V.) begeht die 50jährige Feier seines Bestehens unter großer Teilnahme der Behörden, Korporationen und der Bevölkerung. Eine 72 Seiten umfassende Festschrift vom 1. Vorstand A. Zoller verfaßt, behandelt die Geschichte des Vereins von der Gründung bis heute. Dem Verein gehören z. Zt. 1001 Mit-glieder an, darunter 84 von 25 bis 50 Jahren Mitgliedschaft. (30.) Mit einem Commers wurden am Samstag, den 28. Mai, die Feierlichkeiten aus Anlass des 50jährigen Bestehens [des Turnvereins Fürth] eingeleitet. War das ein schönes Bild, diese ca. 700 deutschen Männer und Jünglinge in dem deutscher Turnsache geweihten stattlichen Heim des Vereins! Und zu dem Bilde der prächtige Rahmen: eine gar reizende Dekoration mit Guirlanden, goldenen Früchten und Schleifen, mit Fahnen, einem großen Tableau des vierfachen „F“ und mit den Jahreszahlen 1860-1910, ein reichgeschmücktes Podium mit den Büsten Jahns, des Kaisers und des Prinzregenten, und über dem Ganzen das blendende Licht aus 4 Bogenlampen und von dem in sich dekorativ wirkenden mächtigen Gaslüster!... – Bierboykott-Gelöbnis unter freiem Himmel. Bekanntlich hat am Dienstag vergangener Woche eine Versammlung der freiorganisierten Arbeiterschaft wider den Rat der Führer den schärfsten Bierboykott beschlossen. Die angenommene Resolution lautete: Die außerordentlich stark besuchte Versammlung verwirft mit aller Entschiedenheit die ihnen vom Braukapital zugemutete Preiserhöhung des Bieres von 24 auf 26 Pfennige pro Liter und beschließt, mit aller Energie dafür einzutreten, dass von dem Zeitpunkt der Erhöhung ab kein Tropfen Bier mehr getrunken wird... (31.) Zur Bierpreisfrage. Die Brauereien, die Wirte und die Boykottkommissionen wenden sich im Inseratenteil der heutigen Nummer mit Bekanntmachungen an das Publikum. Die Brauereien führen Zahlen ins Treffen über die Mehrbelastung der Brauereien durch das neue Malzaufschlagsgesetz und über die Höhe der Brauerei-Dividende und folgern hieraus: Aus diesen Zahlen geht klipp und klar hervor, dass das Braugewerbe gezwungen ist, diese Mehrbelastung abzuwälzen. Eine Bierpreiserhöhung ist deshalb unvermeidlich. Die Vereinigten Wirte-Korporationen Fürth und Umgebung erklären: Da die Brauerei-Vereinigung Nürnberg-Fürth an ihrem aufgestellten Tarif festhält, so fühlen wir uns veranlasst, ab 1. Juni den Bierpreis wie folgt festzusetzen: 1 Liter 26 Pfennige, ¾ Liter 20 Pfennige, ½ Liter 13 Pfennige, ¼ Liter 7 Pfennige, ½-Liter-Flasche 13 Pfennige. Die Preise gelten für helles oder dunkles Bier. Die Boykottkommissionen für Fürth, Nürnberg und Erlangen fordern die Bürger auf, sich in der vollständigen Enthaltsamkeit vom Biergenusse den Beschlüssen der freiorganisierten Arbeiterschaft anzuschließen. Der Kampf richte sich gegen die neue Malzsteuer. In einzelnen Fabrikkantinen hat schon gestern der Bierboykott eingesetzt. Juni 1910 (1.) Mit heutigem hat der Boykott über das Bier eingesetzt. Die Abstinenten trinken Mineralwasser, Apfelwein usw. ... Ob diese Getränke zu Backsteinkäse, Schwartenmagen, Pressack, Sardinen usw. passen, wird sich erst zu zeigen haben; bei gegenwärtiger Hitze ist der gänzliche Verzicht auf Biergenuss immerhin eine respektable Leistung. (2.) Prinz-Heinrich-Fahrt. Für die Strecke Maxbrücke bis zur Waagstraße ist eine Geschwindigkeit von 10 Kilometer vorgeschrieben worden. Dagegen hat sich der Bayerische Automobilklub bzw. dessen Präsident gewandt mit dem Hinweis, dass auf der ganzen langen Fahrt überall 15 Kilometer Geschwindigkeit zugelassen sind und hierbei die Anhaltefähigkeit der Automobile soweit möglich ist als bei 10 Kilometer Geschwindigkeit. Dem Ansuchen stattgebend wird auch für die besagte Strecke 79
Seite:Käppner-Chronik 1887-1910.pdf/79
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