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zum Opfer. Das Ackerland präsentierte sich ausgedörrt und die Wiesen verbrannt. Die Schäfer mussten ihre Herden in den Wald treiben, weil die Schafe auf den Weideflächen keine Nahrung mehr fanden. Schon seit Wochen verfütterten die Bauern frisches Heu, obwohl die Heuernte nur etwa 25% einer Normalernte betrug. Eine gewaltige Missernte war vorhersehbar. Hunger und Not trieb Leute aus allen Bevölkerungsschichten nachts zum Feldfrevel. Wen die Flurwachen erwischten, übergaben sie der Polizei. Dort hagelte es Anzeigen für Arbeiter, Hausfrauen oder auch Akademiker. Baurat Heinisch legte das erste Fürther Wohnungsbauprogramm vor: Es umfasste 356 Wohnungen, davon sollten 322 mit Baustoffen des Landessiedlungsamtes und 34 mit den von dem Bauherrn selbst angeschafften Baumaterial erstellt werden. Damals ganz normal: Wurde z.B. ein Haus von den Amerikanern wieder freigegeben, dauerte es einige Tage, bis es wieder bewohnt wurde. In der Zwischenzeit plünderte man aber sämtliche Räume aus. Jetzt ließ die Fürther Stadtverwaltung derartige Häuser nach der Freigabe von der Polizei bewachen, bis sie mit neuen Mietern belegt werden konnten. 2. August 1947 Spielende Kinder fanden am Espan etwa 500 m südlich der Bonbonfabrik Soldan in einer Sandkuhle eine Kindsleiche. Es handelte sich um eine Fehlgeburt weiblichen Geschlechts. Sie war eingewickelt in Zeitungspapier der amerikanischen Zeitschrift „story“, außerdem in eine hellbraune Wolldecke. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, bei der Fürther Kriminalpolizei sachdienliche Angaben zu machen. Das Quartieramt hatte im Juni 101 Zimmer beschlagnahmt, im Juli 65. Die US-Armee beanspruchte im Juni ein Wohnhaus mit 13 Räumen, jedoch konnten vier Einfamilienhäuser mit 18 Räumen freigegeben werden. Im Juli war von amerikanischer Seite keine Beschlagnahmung mehr zu verzeichnen. Trotz des Zuzugsverbotes ging es in Fürth immer enger her und es waren kaum noch Zimmer zu beschlagnahmen. Eine hohe amerikanische Dienststelle zeigte sich mit der Belegung überflüssigen Wohnraumes sehr unzufrieden und machte dem Fürther Stadtrat und dem Wohnungsreferenten klar, dass die Fürther Bevölkerung die Tatsache entgegennehmen müsse, dass Speise- und Wohnzimmer Luxus seien, auf den man doch bitteschön verzichten könne. Durch den Mangel an Kleingeld wurden viele Briefmarken als Zahlungsmittel verwendet. Nach längerem Gebrauch waren sie abgenützt oder beschädigt. Sie konnten bei jedem Postamt zurückgegeben werden, allerdings mit einem Abzug von zwei Pfennigen pro Marke. Alhambra-Kino: „Der kleine Grenzverkehr“, ein Liebesfilm nach einem Buch von Erich Kästner mit Hertha Feiler und Willy Fritsch in den Hauptrollen. 6. August 1947 Trotz des Zuzugsverbotes hatten die Behörden noch mehr Arbeit. Ursache war der verstärkte Widerstand der Bevölkerung gegen eine Beschlagnahmung ihrer Räume und die Anzahl der einzuweisenden Personen. Zwar brachten eingelegte Widersprüche keine aufschiebende Wirkung, aber die Behörde musste sich mit dem Sachverhalt befassen und jeweils einen Bescheid erlassen. Seit Anfang August stand der Bevölkerung Fürths nun ein „Überfallkommando“ der Polizei zur Verfügung. Auf Abruf erschien in dringenden Fällen eine verstärkte motorisierte Polizeistreife. Die Statistik zeigte, dass nur 75% der Fürther ihre Kartoffeln für den Winter einkellern konnten. Die restlichen 25% rekrutierten sich überwiegend aus Flüchtlingen oder Minderbemittelten. Da diese in Baracken und Notunterkünften lebten, blieb ihnen eine Vorratshaltung verwehrt. Vor dem Krieg wurden am Nürnberg-Fürther Landgericht jährlich etwa 2000 Ehen geschieden. Die Zahl für das Jahr 1946 lag bei rund 4000 und im ersten Halbjahr 1947 lagen schon wieder mehr als 2000 Scheidungsanträge beim Gericht. Als Hauptursachen für das Scheitern von Ehen galten die schlechten Zeiten, da viele Menschen die Belastungen einer Ehe nicht mehr aushielten. Andere wiederum hatten sich durch die kriegsbedingte jahrelange Trennung einfach auseinandergelebt. Weltspiegel: „Mädchen im Rampenlicht“, ein Revuefilm über die damals berühmten Ziegfeld-Girls. In den Hauptrollen spielten Judy Garland, Hedy Lamarr und James Stewart. 9. August 1947 Im überfüllten Fürther Geismannsaal trafen sich die Flüchtlinge aus Stadt und Land zu einer Kundgebung der SPD. Als Referent konnte der stellvertretende Staatssekretär für das Flüchtlingswesen im bayerischen Innenministerium gewonnen werden. Dieser – selbst Flüchtling – stellte klar, dass die Flüchtlinge nicht mehr gewillt waren, allein die Leidtragenden der Kriegsniederlage zu sein. Man wollte 52