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Auf dem Katheder erblüht Aus der Geschichte:

» Oberammergau « oder: Die Fehltritte des Denkens

In Leipzig wurde eine Universität gegrün­ det, die vorher noch nicht bestanden hatte.

Als Karl V. geboren wurde war er n.och ein BabyFerdinand ist von 1556—1564 gestorben.

Das berühmte Fresko in der Sixtinischen Madonna. Aus der Biologie:

Sehr wichtig ist das Heben der Beine beim Stehen. Diese Art von Bazillen lebt ohne Licht und Leben. / Die Zehen der Fußnägel müssen rund ge­ schnitten werden. Worin besteht der Unterschied zwischen der Intelligenz eines Tieres und der eines Allen? . . . dann kann der Knochenbruch seine frü­ here Tätigkeit wieder aufnehmen. . . . dann wäre der Mensch genau so wenig ein Mensch, wie er es heutzutage ist.

Mathematik:

Das wäre richtig gewesen, wenn’s der Ko­ tangens gewesen wäre, und dann wäre es noch falsch. Da hat noch einer einen Punkt entdeckt, der einem möglicherweise zur Fußangel werden kann. .... dann kommt gerade viermal das heraus, was ich eben weggewischt habe. Geistesblitze: Hier setzt ihr dann die zweieckigen Recht­ ecke ein. Der alte Dürer fuhr in jungen Jahren nach Italien. Sein Vater ist reflexiv ein geschlafen.

Ein Quadrat mit den Seiten 7 cm und 18 cm.

Er legte sich zu dritt in das Doppelbett. Der „große Wagen“ besteht aus vier Ster­ nen und einer Deichsel. Der Hebelarm ist schön blau: das ist der Zustand des labilen Gleichgewichts.

Wenn jemand nur mit Nagelschuhen und Söckchen in die Oper geht, ist das nackter Egoismus.

Am schwarzen Brett des Neuen Gymnasiums Nürnberg stand am 7. September zu lesen: Beflaggung zur Zusammentretung des Bun­ destags.

An einem Menschen, der Jahre hindurch zum selbständigen Denken erzogen wird, bleibt schließlich doch einmal — trotz alles Pessi­ mismus“ der Lehrer — etwas hängen und er beginnt, sich auch eigene Gedanken zu ma­ chen. Allerdings —• und das möchte ich in diesem Aufsatz beweisen — scheitern die ersten Versuche meist kläglich. So konnte ich nicht umhin, mir einige Gedanken zu machen als ich an einem von jenen unter meinen Mitschülern vorbeiging, die es sich in den Kopf gesetzt haben, den Bart wieder in die Mode einzuführen. Ja, liebe Leser, es stimmt. Den Bart. Jenen Bart, der die Zierde des Mannes genannt wird, jenen Bart, wie er dem Kaiser Bar­ barossa im Kyffhäuser durch und um den Tisch gewachsen ist, jenen Bart, bei dem die Mohammedaner ihre heiligsten Eide schwö­ ren: beim Barte, ja, diesen Bart wollen sie wieder zu Ehren bringen. Ohne Zweifel, ein löbliches Unterfangen. Verfolgt nun, ich bitte Euch, wenn es Euch interessiert, die Fehltritte des Denkens. Zunächst fiel mir da unser Zeichenlehrer ein. der bereits vor zwei, drei Jahren be­ hauptet hatte, wir könnten Gift darauf nehmen, daß in einigen Jahren der Bart wieder modern werden würde. Denn — so begründete er seine Prophezeiung — es habe sich in den letzten Jahrhunderten gezeigt, daß nach einer gewissen Zeit die Stellung der Menschen zum Bart wechselt. Es sind nun etwa 40 Jahre her, da kam er aus der Mode, weitere 40 Jahre zurück war er hoch­ modern und wieder 50 Jahre zurück wäre wohl alle Welt schockiert gewesen, wenn sich der alte Herr Goethe einen Bart hätte stehen lassen. Sollte der Herr Zeichenlehrer recht behalten? Dann schweifte mein Geist ab in viel prosaischere Gefilde als es die der Mode sind. Ich erinnerte mich der Pla­ ge, die ich Tag für Tag mit dem Abschaben der leidigen Bartstoppeln habe und daß es doch viel bec|uemer wäre, alles dran zu las­ sen. Aber wie wurde ich enttäuscht, als ich mir später einen der Bärtigen aus der Nähe betrachtete. Denn so ein Bart, der muß ge­ pflegt werden, wie ein Rasen, ein Haar­ Rasen sozusagen. Und zudem hatten ihn die Leute nur unterm Kinn, die Wangen hatten sie nach wie vor peinlich glatt rasiert. Plötzlich packte mich der blasse Neid. Ich hatte mir eben den einen auf einem Ball vorgestellt und es stand mir deutlich vor Augen, wie die gesamte anwesende Weib­ lichkeit sich darum riß, einmal von diesem „Hans Haß“ aufgefordert zu werden. Wie

Wer Schönes sucht geht zu Jahrgang 3/2

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da für einen gewöhnlichen Menschen gar kein Interesse mehr gehabt, ja nicht einmal geheuchelt wurde. Ich wollte mich aber an jenem Tag nicht ärgern und so zwang ich mich, diese Vor­ stellung zu vergessen und etwas anderes vor meinem inneren Auge aufsteigen zu lassen: Bei den alten Germanen mußte doch so ein rauschender Bart seinem Träger einen un­ geheuren Nimbus von Kraft und Größe ver­ liehen haben und auch der Bärtige selbst muß doch von seiner eigenen grandiosen Er­ scheinung beeindruckt gewesen sein. Und beinahe wäre ich nun auf dem schlüpfrigen Pflaster der Psychologie ausgerutscht und hätte geschlossen, daß diese Jünglinge den Bart nur deshalb tragen, weil sie ihr Selbst­ bewußtsein stärken .... aber das war ja grundfalsch und nebenbei eine Schlechtigkeit von mir, so etwas von meinen Mitschülern zu denken. Sicher ließen sie sich den Bart nur deswegen stehen, damit ihre Büsten, die, weil sie ja sicher berühmt werden würden, mit Gewißheit einmal aufgestellt werden, imposanter aussähen! Ein Bärtiger sieht nämlich immer wuchtiger aus als so ein „Nackter“, Unbebarteter.

Da kam ich auf eine komische Idee. Ich dachte an die Oberammergauer, die sich für ihr Passionsspiel ja auch immer den Bart lang wachsen lassen. Vielleicht waren sie auf den Gedanken gekommen, das Abitur sei eine Art Passionsspiel und sie müßten sich in würdiger Weise innerlich und äußerlich darauf vorbereiten. Ich sah sie alle als „Christus“ vor dem „Hohen Rat“ erschei­ nen. Hoffentlich wird dieser nicht auch ein negatives Urteil fällen, das sie zu Tode (sprich: Durchfall) bringt. Denn für sie wäre eine Auferstehung erst nach einem Jahr möglich.

Liebe Leser, auch liebe bärtige Leser, Ihr seht, wohin das Denken bei einem Menschen führen kann, wenn er noch nicht so geübt darin ist — habe ich es nicht schon vorhin gesagt? Ihr dürft mir also dieses Elaborat nicht übel nehmen, ich wollte Euch ja nur diese Behauptung beweisen. rgr „Strafarbeiten“ sind an den höheren Schu­ len Schleswig-Holsteins durch einen kürz­ lichen Erlaß des dortigen Kultusministers verboten. Im fortschrittlicheren Bayern al­ lerdings hatte man schon längst die Nutz­ losigkeit der Strafarbeiten erkannt. Die Schüler werden hier nur noch mit „Übungs­ arbeiten“ bestraft. - Ein Hoch der Päda­ gogik!