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==Der Fürther Matzenstreit== | ==Der Fürther Matzenstreit== | ||
===Die Auseinandersetzung 1849=== | |||
Die erste Runde im Fürther Matzenstreit 1849 hatte ihren Ausgangspunkt auf finanziellem Gebiet. Das ursprüngliche Monopol der koscheren Mehlbeschaffung eines Institutes des israelischen Vereins schien gefährdet, wenn die Bäcker unter Umgehung dieses Institutes selbst für entsprechendes Mehl sorgten. Damit wäre nicht nur der Preis gefährdet, sondern auch die Sicherstellung rituell geeigneten Mehles <ref>vgl. dazu die Artikel „Matzenmehl betreffend“ in [[Fürther Nachrichten]] vom [[14. Februar]] [[1849]] und die Erwiderung von Marx Oppenheimer „Briefkasten-Revue“ in [[Fürther Nachrichten]] vom [[24. Februar]] [[1849]]</ref>.</br> | |||
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Datei:1 Artikel Matzenstreit Fürther Tagblatt 14.02.1849.png|Artikel "Matzenmehl betreffend", Fürther Tagblatt 14.2.1849 | |||
Datei:1 Erwiderung Oppenheimer Fürther Tagblatt 24.02.1849.png|Erwiderung Marx Oppenheimer, Fürther Tagblatt 24.2.1849 | |||
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===Die Auseinandersetzung 1870=== | |||
[[Datei:Matzenstreit Fortsetzung Ftgbl. 16.01.1870.jpg|miniatur|right|Fortsetzung des Matzenstreites 1870]] | |||
In der zweiten Runde 1870 wurde die Spaltung innerhalb der jüdischen Gemeinde in Fürth offensichtlicher. Diese war ja bereits bei der [[Israelitische Bürgerschule#Die Gründung der israelitischen Bürgerschule|Schulfrage]] deutlich geworden. Hintergrund war wohl die Auseinandersetzung mit dem liberalen Rabbiner [[Isaak Loewi]] und der „neologischen“ („Neologie“ = griechisch für „neue Lehre“) ''Cultusverwaltung''.</br> | |||
In einem längeren Beitrag im [[Fürther Tagblatt]] wurde Stellung bezogen zu Verdächtigungen gegenüber der ''[[wikipedia:Fleischscharren|Fleischscharre]]'' und der Matzenbäckerei in Fürth. Anlass zur der Auseinandersetzung <ref>erschienen im [[Fürther Tagblatt]] vom 16. Januar 1870. Der Artikel wendet sich gegen die „Jeremiade“ und der „Unfehlbarkeit jüdischer Päpste“ und die Skepsis der „sogenannten Frommen“ die unsicher sind, dass in Fürth die derzeitige ''Cultusverwaltung'' in der Lage ist, den jüdische Ritus recht zu bewahren.</ref> gab besonders ein Artikel in der Nummer 1, 1870 in dem in Mainz erscheinenden Organ der Orthodoxie [[wikipedia:Der Israelit|Der ISRAELIT]]:</br> | |||
''... daß die Bäckerei im Allgemeinen und die Matzenbäckerei ins Besondere von einem Juden dahier so gehandhabt wird, daß man diesem nicht zutrauen kann, daß bei Ersterer die nöthigen Ceremonialvorschriften beobachtet werden, und daß bei der Matzenbäckerei die nöthige Aufsicht fehlt. „Wer nun – fügt jener Korrespondent bei – bei dem Backen seiner Matzen nicht zugegen sein kann, muß sie sich von Auswärts schicken lassen.“ Liegt die Perfidie schon darin, daß jener Korrespondent wider besseres Wissen sich den Anschein gibt, als würde die Brod- und Matzenbäckerei von ein und derselben Person betrieben, so liefert einen Maßstab für den Jesuitismus und Heuchelei die Klage, daß man hier kein Brod, nach den Ceremonialvorschriften gebacken, haben kann, die Thatsache: daß gerade jener ältere Bäcker'' (gemeint ist hier Marx Oppenheimer) ''der jetzt die Matzenbäckerei allein betreibt, schon vor ein paar Jahren die Brodbäckerei aufgeben mußte, weil trotzdem dieser allen Anforderungen der strengsten Religiösität Genüge leistete, von all´ den Frommen auch nicht Einer war, der seinen vollen Bedarf von demselben bezogen hätte.'' | |||
''Wer aber glauben würde, daß man sich damit begnügte, jenen Mann ohne die geringste Veranlassung durch einen verläumderischen Artikel in dem Organ der jüdischen Orthodoxie in dessen Nahrungsstande zu schädigen, der würde sich sehr irren. Statt ihren Mitbürger, dan all´die Frommen hier als einen charaktervollen, konsequent religiösen Mann kennen, gegen jenen Verläumder, wie es ihre Schuldigkeit gewesen wäre, in Schutz zu nehmen, wurde dieser Bäcker vor ein [[wikipedia:Feme|Vehmgericht]] der „Frommen“ geladen, wo ihm die Zumuthung gemacht wurde, daß, wenn er von nun an nicht unter extraordinärer Aufsicht seine Matzen backe, sie ihm die Kundschaft entziehen würden.'' | |||
''Umsonst erinnerte sie der Bäcker daran, daß sie sich mit einer solchen Handlungsweise selbst in´s schlechte Licht stellen würden, da sie doch so lange Zeit ohne Bedürfniß einer besonderen Aufsicht die Matzen von ihm bezogen haben. Vergebens machte der Bäcker sie darauf aufmerksam, daß er als Sachverständiger und als streng religiöser Mann, wie sie ihn doch anerkennen, viel mehr Garantie für die vorgeschriebene Zubereitung, als eine bezahlte, der nöthigen Sachkenntniß entbehrende Person biete. Umsonst stellte derselbe ihnen die Proposition, wie doch ohnehin jeder beim Backen selbst dabei sein könne, er sich verbindlich mache, wenn sie zusammen in einer Woche die Matzen bezögen, er vom Anfang bis zum Ende zugegen bleiben wolle. Alles vergebens! Er müsse eine Aufsichtsperson die ganze Dauer der Arbeitszeit, die er (der Bäcker) mit der Kleinigkeit von 50 Preußenthalern zu honorieren habe, anstellen, und erst wenn er dies zugesagt, wolle man ihm den namen jener Person bezeichnen, die man in petto habe (denn dies komme, wie der „Hauptmann“ sich ausdrückte, erst im zweiten Theile). Als nun der Bäcker, wie sich von selbst versteht, die Unterordnung unter die Botmäßigkeit zurückwies, machten sie alsbald ihre Drohung zur Wahrheit. Aber man begnügte sich nicht damit, daß ein Theil die schon gemachten Bestellungen wieder zurücknahm, man sendete sogar eine Deputation von Haus zu Haus, um die Leute zu veranlassen, keine Bestellungen bei dem Bäcker zu machen, beziehungsweise wieder zurückzunehmen, und ging sogar so weit, hiezu Personen aufzufordern, denen vermöge ihrer sonstigen religiösen Lebensweise die ganze Sache gewiß höchst gleichgiltig war.'' | |||
''Ein solches Gebahren richtet sich selbst! Es ist dies um so schändlicher einem sechzigjährigen Mann und Familienvater gegenüber, der, wie all´ den Leuten bekannt ist, von seiner frühesten Kindheit an mit eiserner Consequenz und unerschütterlicher Überzeugungstreue an seinen streng religiösen Glaubensansichten festgehalten hat und trotz aller bitteren Erfahrungen festhalten wird, und der für seine Überzeugungen, mit Hintansetzung aller Privatinteressen, schon große und bedeutende Opfer gebracht hat. Aber, wie alles Böse auch immer etwas Gutes mit sich bringt, so hat auch dieser Vorfall zugleich klar gelegt, daß das Häuflein der Fanatiker hier ein verhältnismäßig kleines ist, indem der größte Theil der wirklich Frommen nach wie vor ihren Bedarf von Matzen von jenem Bäcker beziehen.'' | |||
''Es ist damit auch offen dargethan, in welchen Zustand die hiesige isrelitische Gemeinde kommen würde, wenn die Herrschaft in die Hände von Leuten gelangen würde, die, wie der Korrespondent im "[[wikipedia:Der Israelit|ISRAELIT]]" aus lauter Fanatismus, eine Trennung innerhalb der Gemeindeglieder provociren …'' | |||
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