Brillenfabrik Abraham Schweizer: Unterschied zwischen den Versionen

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Schweizer erlernte ursprünglich den Beruf des [[Gürtler|Gürtlers]] (Bearbeitung und Verformung von Metallen zur Herstellung von Gebrauchs- und Schmuckgegenständen) und ließ sich nach seinen Wanderjahren um 1840 in Fürth nieder, wo er mit der Produktion von Messingbrillen begann. Er gehörte zu den wenigen jüdischen Handwerksmeistern in Bayern bzw. Mittelfranken; für Mittelfranken lassen sich 1844 gerade fünf jüdische Gürtlermeister nachweisen.<ref>Kunst- und Gewerbeblatt 1844, München 1844, S. 766 ff.</ref> Messingbrillen drohten aber durch die besseren Stahlbrillen aus französischer und schweizer Produktion verdrängt zu werden. Der [[Industrie- und Gewerbeverein|Gewerbeverein Fürth]] erwog, entweder einen französischen Brillenmacher nach Fürth zu holen, oder sich das nötige "Know How" in Frankreich selbst anzueignen. Schweizer erbot sich freiwillig und ging im Mai 1852 nach Paris um dort "Industriespionage" zu betreiben. Da er jedoch immer wieder aus seinen Stellen entlassen wurde, macht er über einen Mittelsmann Eduard Buverier, bei dem er zuletzt beschäftigt gewesen war, das Angebot, mit ihm zusammen eine Fabrik in Bayern zu gründen. Das Angebot war für Buverier sehr gut: Schweizer trug alleine das finanzielle Risiko, Buverier bekam ein Mindestgehalt von 1&#x202F;000 fl. zugesichert und einen einmaligen Zuschuß für den Umzug. Buverier sagte zu und übersiedelte mit seiner Familie nach Fürth. Das Unternehmen wurde ein großer Erfolg: [[1857]] produzierten 25 Arbeiter 5&#x202F;000 Dutzend Brillen pro Jahr. Um auch die preisgünstige Massenware anbieten zu können, die das Hauptgeschäft der Konkurrenz ausmachte, ging Schweizer nach Morez und warb die in der dortigen Stahlbrillenfabrikation tätigen Gebrüder Vendel ab, denen er jeweils einen Jahreslohn 622 fl. - als Vorarbeiter in Fürth - versprach. Außerdem gewann er von dort noch den Mechaniker Bailly, der ihm die notwendigen Stanz- und Schneidwerkzeuge sowie kleine Drehbänke anfertigte.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=175}}</ref>  
Schweizer erlernte ursprünglich den Beruf des [[Gürtler|Gürtlers]] (Bearbeitung und Verformung von Metallen zur Herstellung von Gebrauchs- und Schmuckgegenständen) und ließ sich nach seinen Wanderjahren um 1840 in Fürth nieder, wo er mit der Produktion von Messingbrillen begann. Er gehörte zu den wenigen jüdischen Handwerksmeistern in Bayern bzw. Mittelfranken; für Mittelfranken lassen sich 1844 gerade fünf jüdische Gürtlermeister nachweisen.<ref>Kunst- und Gewerbeblatt 1844, München 1844, S. 766 ff.</ref> Messingbrillen drohten aber durch die besseren Stahlbrillen aus französischer und schweizer Produktion verdrängt zu werden. Der [[Industrie- und Gewerbeverein|Gewerbeverein Fürth]] erwog, entweder einen französischen Brillenmacher nach Fürth zu holen, oder sich das nötige "Know How" in Frankreich selbst anzueignen. Schweizer erbot sich freiwillig und ging im Mai 1852 nach Paris um dort "Industriespionage" zu betreiben. Da er jedoch immer wieder aus seinen Stellen entlassen wurde, macht er über einen Mittelsmann Eduard Buverier, bei dem er zuletzt beschäftigt gewesen war, das Angebot, mit ihm zusammen eine Fabrik in Bayern zu gründen. Das Angebot war für Buverier sehr gut: Schweizer trug alleine das finanzielle Risiko, Buverier bekam ein Mindestgehalt von 1&#x202F;000 fl. zugesichert und einen einmaligen Zuschuß für den Umzug. Buverier sagte zu und übersiedelte mit seiner Familie nach Fürth. Das Unternehmen wurde ein großer Erfolg: [[1857]] produzierten 25 Arbeiter 5&#x202F;000 Dutzend Brillen pro Jahr. Um auch die preisgünstige Massenware anbieten zu können, die das Hauptgeschäft der Konkurrenz ausmachte, ging Schweizer nach Morez und warb die in der dortigen Stahlbrillenfabrikation tätigen Gebrüder Vendel ab, denen er jeweils einen Jahreslohn 622 fl. - als Vorarbeiter in Fürth - versprach. Außerdem gewann er von dort noch den Mechaniker Bailly, der ihm die notwendigen Stanz- und Schneidwerkzeuge sowie kleine Drehbänke anfertigte.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=175}}</ref>  


Da die bisherigen Räumlichkeiten in der [[Alexanderstraße]] zu klein wurden, wurden die Produktionsräume [[1859]] in die damalige [[Hirschengasse]] Nr. 29 verlegt (heute Nr. 18) und 1863 erweitert (heute Nr. 16). Um [[1859]] produzierte man bereits 1&#x202F;200, später sogar bis 2&#x202F;000 Dutzend Brillen pro Woche bei 50-60 Arbeitern allein in Fürth. Weitere Produktionsstätten wurden außerhalb Fürths eingerichtet: in den Strafanstalten in Lichtenau (bei Ansbach) und Laufen. Etwa 200 Gefangene wurden dort für eine kostengünstige und konkurrenzfähige Produktion beschäftigt. Bis zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] behielt Schweizer die Brillenproduktion in den Strafanstalten bei. Den Absatz der Produktion gewährleisteten direkte Kontakte zu den wichtigsten europäischen Handelsstädten sowie ein eigener Vertreter in New York.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 204, Nr. 34, Gewerbezeitung, 16. Jg. 1866, S. 63</ref> Nach dem Tod Abraham Schweizers im Juli [[1866]] übernahm dessen Sohn Max (geb. 21. Mai 1841 in Fürth) das Unternehmen. [[Max Schweizer]] gründete 1874 eine weitere Fabrik in Wien, 1890 in London und 1891 in Witebsk. Der Firmensitz befand sich immer noch in Fürth, die Fertigung wurde aber fast vollständig an andere Standorte verlagert. 1886 trat  Emil Schweizer (geb. 28. Dezember 1859; gest. 1897), der Bruder von Max, als gleichberechtigter Teilhaber in das Unternehmen ein. Um die Jahrhundertwende beschäftigte die Firma ca. 600 Arbeiter, die jährlich 400&#x202F;000 Dutzend Brillenfassungen und 1 Million Paar Brillengläser fertigten. Diese Waren wurden in alle europäischen Länder exportiert, weiterhin  bestanden auch Handelsverbindungen in die USA, Südamerika und Asien. Die Firma leistete zum Ende des 19. Jahrhunderts, als es in Fürth an bezahlbaren Wohnungen mangelte, einen Beitrag zur Linderung des sozialen Notstands: ''Unter den Betrieben, welche die Wohnungsfrage für ihre Arbeiter praktisch zu lösen suchen, sind noch zu nennen: die Brillenfabrik von Schweizer in Fürth mit Wohnungen für 3 Familien, Miete 160 Mark''.<ref>Jahresberichte der kgl. bayer. Fabrikinspektoren für das Jahr 1892, München 1893, S. 164</ref>
Da die bisherigen Räumlichkeiten in der [[Alexanderstraße]] zu klein wurden, wurden die Produktionsräume [[1859]] in die damalige [[Hirschengasse]] verlegt (heute Nr. 18) und 1863 erweitert (heute Nr. 16). Um [[1859]] produzierte man bereits 1&#x202F;200, später sogar bis 2&#x202F;000 Dutzend Brillen pro Woche bei 50-60 Arbeitern allein in Fürth. Weitere Produktionsstätten wurden außerhalb Fürths eingerichtet: in den Strafanstalten in Lichtenau (bei Ansbach) und Laufen. Etwa 200 Gefangene wurden dort für eine kostengünstige und konkurrenzfähige Produktion beschäftigt. Bis zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] behielt Schweizer die Brillenproduktion in den Strafanstalten bei. Den Absatz der Produktion gewährleisteten direkte Kontakte zu den wichtigsten europäischen Handelsstädten sowie ein eigener Vertreter in New York.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 204, Nr. 34, Gewerbezeitung, 16. Jg. 1866, S. 63</ref> Nach dem Tod Abraham Schweizers im Juli [[1866]] übernahm dessen Sohn Max (geb. 21. Mai 1841 in Fürth) das Unternehmen. [[Max Schweizer]] gründete 1874 eine weitere Fabrik in Wien, 1890 in London und 1891 in Witebsk. Der Firmensitz befand sich immer noch in Fürth, die Fertigung wurde aber fast vollständig an andere Standorte verlagert. 1886 trat  Emil Schweizer (geb. 28. Dezember 1859; gest. 1897), der Bruder von Max, als gleichberechtigter Teilhaber in das Unternehmen ein. Um die Jahrhundertwende beschäftigte die Firma ca. 600 Arbeiter, die jährlich 400&#x202F;000 Dutzend Brillenfassungen und 1 Million Paar Brillengläser fertigten. Diese Waren wurden in alle europäischen Länder exportiert, weiterhin  bestanden auch Handelsverbindungen in die USA, Südamerika und Asien. Die Firma leistete zum Ende des 19. Jahrhunderts, als es in Fürth an bezahlbaren Wohnungen mangelte, einen Beitrag zur Linderung des sozialen Notstands: ''Unter den Betrieben, welche die Wohnungsfrage für ihre Arbeiter praktisch zu lösen suchen, sind noch zu nennen: die Brillenfabrik von Schweizer in Fürth mit Wohnungen für 3 Familien, Miete 160 Mark''.<ref>Jahresberichte der kgl. bayer. Fabrikinspektoren für das Jahr 1892, München 1893, S. 164</ref>


Nach dem Ersten Weltkrieg, in den frühen zwanziger Jahren erfolgte die Umwandlung des Unternehmens in eine Kommanditgesellschaft, rund zehn Jahre später in eine GmbH. Der Firmensitz blieb in Fürth, inzwischen in der [[Moststraße 31]], wenngleich sich die Geschäftsleitung seit 1907 in Forchheim befand.
Nach dem Ersten Weltkrieg, in den frühen zwanziger Jahren erfolgte die Umwandlung des Unternehmens in eine Kommanditgesellschaft, rund zehn Jahre später in eine GmbH. Der Firmensitz blieb in Fürth, inzwischen in der [[Moststraße 31]], wenngleich sich die Geschäftsleitung seit 1907 in Forchheim befand.
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