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"Irgendwann zwischen zwei und fünf wurden am [[wikipedia:Albert Leo Schlageter|Schlageter]]<ref>Schlageter wurde wegen Eisenbahnanschlägen während der Ruhrunruher im Jahr 1923 von der frz. Militärgerichtsbarkeit zum Tode verurteilt und gehörte seitdem zur NS-Hagiographie</ref> Platz alle Juden zusammengetrieben - vom zwei Monate alten Kind unseres Physiklehrers bis zum siebzigjährigen Insassen des jüdischen Hospitals. </br> | "Irgendwann zwischen zwei und fünf wurden am [[wikipedia:Albert Leo Schlageter|Schlageter]]<ref>Schlageter wurde wegen Eisenbahnanschlägen während der Ruhrunruher im Jahr 1923 von der frz. Militärgerichtsbarkeit zum Tode verurteilt und gehörte seitdem zur NS-Hagiographie</ref> Platz alle Juden zusammengetrieben - vom zwei Monate alten Kind unseres Physiklehrers bis zum siebzigjährigen Insassen des jüdischen Hospitals. </br> | ||
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Nun gehört Fürth zu dieser Art von Städten, wo man immer auf ein bekanntes Gesicht trifft. Jede Menge jüdischer Mitbürger erzählten mir daher, wie dutzende Braunhemden während der Aktionen ein gewisses Maß an peinlicher Berührung offenbarten bis hin zu einem aufgeregten Stottern. Sonderlich solche, die ausgewählt wurden, fünf Uhr morgens bei einer Familie anzuklopfen, von der sie über Jahre hinweg in ihren Bäckereien oder Tabakläden als Kunden unterstützt worden waren. ... Z.B. fand jeder den Kinderarzt Dr. Einhorn sympathisch. Er wurde sosehr gemocht, dass einer der Braunhemdenverbrecher, dessen Kind Einhorn möglicherweise von Scharlach oder Keuchhusten geheilt hatte, zu ihm in dieser Situation sagte: "Nehmen Sie es uns nicht übel, Dr. Einhorn, aber sie haben uns angeordnet, dass wir hier etwas zerstören sollen. Gibt es etwas Spezielles, dass Ihnen nichts ausmachen würde, wenn wir es kaputt machen?" - Zufälligerweise hatte Dr. Einhorn ein Familienerbstück, eine fürchterlich anzusehende, aber teure chinesische Vase. Sie war ihm bei seiner zweiten Verheiratung untergeschoben worden und ihr Aussehen kam ihm jetzt | Nun gehört Fürth zu dieser Art von Städten, wo man immer auf ein bekanntes Gesicht trifft. Jede Menge jüdischer Mitbürger erzählten mir daher, wie dutzende Braunhemden während der Aktionen ein gewisses Maß an peinlicher Berührung offenbarten bis hin zu einem aufgeregten Stottern. Sonderlich solche, die ausgewählt wurden, fünf Uhr morgens bei einer Familie anzuklopfen, von der sie über Jahre hinweg in ihren Bäckereien oder Tabakläden als Kunden unterstützt worden waren. ... Z.B. fand jeder den Kinderarzt Dr. Einhorn sympathisch. Er wurde sosehr gemocht, dass einer der Braunhemdenverbrecher, dessen Kind Einhorn möglicherweise von Scharlach oder Keuchhusten geheilt hatte, zu ihm in dieser Situation sagte: "Nehmen Sie es uns nicht übel, Dr. Einhorn, aber sie haben uns angeordnet, dass wir hier etwas zerstören sollen. Gibt es etwas Spezielles, dass Ihnen nichts ausmachen würde, wenn wir es kaputt machen?" - Zufälligerweise hatte Dr. Einhorn ein Familienerbstück, eine fürchterlich anzusehende, aber teure chinesische Vase. Sie war ihm bei seiner zweiten Verheiratung untergeschoben worden und ihr Aussehen kam ihm jetzt gewissermaßen gerade recht. "Ja, Herr Zolleis," sagte Einhorn "tun Sie mir den Gefallen und zerschmeißen dieses fürchterliche Ding." Nachdem Zolleis das Erbstück pflichtgemäß zerschmettert hatte, gaben er und seine Kumpane Fersengeld.<ref>Später wanderte Einhorn nach [[wikipedia:Washington Heights (New York City)|Washington Heights (New York City)]] aus und lebte nur noch dafür um diese Geschichte auf einer Parkbank im [[wikipedia:Fort Tryon Park|Fort Tyron Park]] jedem zu erzählen, die sie nur hören wollte.</ref> | ||
Ungefähr um 5.30 Uhr wurde den Juden befohlen sich in Richtung des [[Schulhof|Schulhofs]] zu drehen. Der Himmel hatte sich dunkelrot gefärbt: die Synagogen brannten. Und just in diesem Augenblick trat der zeitgeschichtlich bedingte religiöse Zwiespalt zwischen uns in schauriger Weise wieder auf, der selbst in Tagen der Heimsuchung nicht verschwand. Die zur [[Neuschul]], zur [[Mannheimer Schul]] und zur [[Klausschul]] gehörigen, orthodoxen Juden stimmten in ein herzergreifendes Wehklagen über ihr brennendes Bet Knesset, was aber die Reformjuden ängstigte und schreckte, da sie fürchteten, dass die frommen Klageschreie die SA-Truppen noch mehr in Rage bringen würde bis zum Blutbad. Darin war aber wohl eine Überreaktion zu sehen. </br> | Ungefähr um 5.30 Uhr wurde den Juden befohlen sich in Richtung des [[Schulhof|Schulhofs]] zu drehen. Der Himmel hatte sich dunkelrot gefärbt: die Synagogen brannten. Und just in diesem Augenblick trat der zeitgeschichtlich bedingte religiöse Zwiespalt zwischen uns in schauriger Weise wieder auf, der selbst in Tagen der Heimsuchung nicht verschwand. Die zur [[Neuschul]], zur [[Mannheimer Schul]] und zur [[Klausschul]] gehörigen, orthodoxen Juden stimmten in ein herzergreifendes Wehklagen über ihr brennendes Bet Knesset, was aber die Reformjuden ängstigte und schreckte, da sie fürchteten, dass die frommen Klageschreie die SA-Truppen noch mehr in Rage bringen würde bis zum Blutbad. Darin war aber wohl eine Überreaktion zu sehen. </br> |
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