120.759
Bearbeitungen
(4 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 41: | Zeile 41: | ||
== Leben und Wirken == | == Leben und Wirken == | ||
Kleinschmidt kam als Sohn des Fabrikbesitzers Paul Adolf Karl Kleinschmidt (geb. 3. Juli 1875 in Dortmund; gest. 2. März 1944 in Fürth) und Luise Karoline Ottilie (geb. Henkel) in Fürth auf die Welt. Die Familie lebte in der Tannenstraße 10. Aus der Ehe stammten zwei weitere Kinder, Wilhelm und Ilsa Kleinschmidt | Kleinschmidt kam als Sohn des Fabrikbesitzers Paul Adolf Karl Kleinschmidt (geb. 3. Juli 1875 in Dortmund; gest. 2. März 1944 in Fürth) und Luise Karoline Ottilie Kleinschmidt (geb. Henkel) in Fürth auf die Welt. Die Familie lebte in der Tannenstraße 10. Aus der Ehe stammten zwei weitere Kinder, Wilhelm und Ilsa Kleinschmidt. Die Ehefrau von Paul Kleinschmidt, Luise Kleinschmidt, stammte aus Hohenstadt bei Pommelsbrunn. 1959 ging sie nach Aufham bei Aschau in der Nähe vom Chiemsee, während Hans Kleinschmidt nach Bad Dürrheim in Baden Württemberg wechselte.<ref>Stadtarchiv Fürth, Meldekarte Hans Kleinschmdit</ref> | ||
Hans Kleinschmidt legte sein Abitur im Frühjahr 1926 am damaligen Reformrealgymnasium in Nürnberg ab. Nach dem Abitur studierte Kleinschmidt Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und legte nach vier Semestern seine Vorprüfung ab. In den klinischen Semestern war er an der Medizinischen Universität Wien und Kiel, ehe er seine letzten vier Semester in Erlangen mit der ärztlichen Prüfung am 11. Dezember 1931 bei Prof. Wintz beendete. Sein Thema zur Erlangung des Doktortitels war: Das Mutterkorn und seine rektale Verordnung. Während seines Medizinalpraktikums arbeitete er an der orthopädischen Anstalt des Krüppelhilfe e. V. in Dresden und an der Universitäts-Kinderklinik in Erlangen.<ref>Hans Kleinschmidt: Das Mutterkorn und seine rektale Verordnung. Inanugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Eigenverlag, 1931</ref><ref>Universität Erlangen, Protokoll über die Promotionsprüfung vom 11. Dezember 1931, UAE-C3, 3 Nr 1931-32-6</ref> | Hans Kleinschmidt legte sein Abitur im Frühjahr 1926 am damaligen Reformrealgymnasium in Nürnberg ab. Nach dem Abitur studierte Kleinschmidt Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und legte nach vier Semestern seine Vorprüfung ab. In den klinischen Semestern war er an der Medizinischen Universität Wien und Kiel, ehe er seine letzten vier Semester in Erlangen mit der ärztlichen Prüfung am 11. Dezember 1931 bei Prof. Wintz beendete. Sein Thema zur Erlangung des Doktortitels war: Das Mutterkorn und seine rektale Verordnung. Während seines Medizinalpraktikums arbeitete er an der orthopädischen Anstalt des Krüppelhilfe e. V. in Dresden und an der Universitäts-Kinderklinik in Erlangen.<ref>Hans Kleinschmidt: Das Mutterkorn und seine rektale Verordnung. Inanugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Eigenverlag, 1931</ref><ref>Universität Erlangen, Protokoll über die Promotionsprüfung vom 11. Dezember 1931, UAE-C3, 3 Nr 1931-32-6</ref> | ||
Anschließend ging er 1932 zunächst nach Dresden und | Anschließend ging er 1932 zunächst nach Dresden und wechselte später an die Uni-Klinik in Leipzig zu Prof. Dr. [[wikipedia:Werner Catel|Werner Julius Eduard Catel]], der bereits 1933 dem NS-Ärztebund beigetreten war und während des Nationalsozialismus als Gutachter im sog. Reichsausschuss im Euthanasieprogramm – und somit maßgeblich an der [[wikipedia:Kinder-Euthanasie|Kinder-„Euthanasie“]] – beteiligt war. In dieser Zeit trat Kleinschmidt dem NS-Ärztebund, der Marine-SA und am 1. Mai 1937 der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] (Mitgliedsnummer 4.502.576)<ref>Bundesarchiv R 9361-VIII KARTEI/14840223</ref> bei und diente im 2. Weltkrieg als Stabsarzt. Ab 11. Mai 1937 war Kleinschmidt in Ansbach als Kinderarzt gemeldet und ließ sich als Arzt nieder und behandelte dort u. a. auch mindestens ein Kind, dessen Tod ihn später juristisch belasten sollte. | ||
== Euthanasie - Der Fall Egon M. == | == Euthanasie - Der Fall Egon M. == | ||
Zeile 52: | Zeile 52: | ||
Die Beurteilung fiel für das Kind vernichtend aus: "''Macht einen vollkommen idiotischen Eindruck. Schielt. Dicke Zunge. Schnorchelnde Atmung. Blöder Gesichtsausdruck.''" Das Resümee: "''Besserung wohl kaum zu erwarten''." Was folgte war die Überweisung von Egon M. durch Kleinschmidt an die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach – mit dem Wissen, dass dies das Todesurteil für das Kind war.<ref name="HL-2021">Hilke Lorenz: Ein Nazi-Arzt im Kindersolbad. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Dezember 2021</ref> Wie nicht anders zu erwarten – und stereotypisch für die Ermordung von Kindern in solchen Einrichtungen zur damaligen Zeit – starb Egon M. am 16. Dezember 1942 an den „Folgen einer Lungenentzündung“. Letzteres war häufig die Umschreibung der Tötung von Kindern durch die Gabe des Medikamentes [[wikipedia:Phenobarbital|Luminal]] – ein Barbiturat, das zur Atemlähmung führt. | Die Beurteilung fiel für das Kind vernichtend aus: "''Macht einen vollkommen idiotischen Eindruck. Schielt. Dicke Zunge. Schnorchelnde Atmung. Blöder Gesichtsausdruck.''" Das Resümee: "''Besserung wohl kaum zu erwarten''." Was folgte war die Überweisung von Egon M. durch Kleinschmidt an die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach – mit dem Wissen, dass dies das Todesurteil für das Kind war.<ref name="HL-2021">Hilke Lorenz: Ein Nazi-Arzt im Kindersolbad. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Dezember 2021</ref> Wie nicht anders zu erwarten – und stereotypisch für die Ermordung von Kindern in solchen Einrichtungen zur damaligen Zeit – starb Egon M. am 16. Dezember 1942 an den „Folgen einer Lungenentzündung“. Letzteres war häufig die Umschreibung der Tötung von Kindern durch die Gabe des Medikamentes [[wikipedia:Phenobarbital|Luminal]] – ein Barbiturat, das zur Atemlähmung führt. | ||
Ungewöhnlich an dem Fall ist zusätzlich, dass die Einweisung des Kindes nicht wie üblich über das jeweilige Gesundheitsamt / Fürsorgeamt lief, sondern in diesem Fall direkt über den niedergelassenen Kinderarzt - also Hans Kleinschmidt. Auch in einem weiteren Fall war Kleinschmidt unmittelbar beteiligt. Dabei handelte es sich um Geschwister, | Ungewöhnlich an dem Fall ist zusätzlich, dass die Einweisung des Kindes nicht wie üblich über das jeweilige Gesundheitsamt / Fürsorgeamt lief, sondern in diesem Fall direkt über den niedergelassenen Kinderarzt - also Hans Kleinschmidt. Auch in einem weiteren Fall war Kleinschmidt unmittelbar beteiligt. Dabei handelte es sich um Geschwister, deren Vater selbst Mediziner war. Das ältere Kind ist nachweislich im Rahmen der Kinder-Euthanasie getötet worden, während die Todesumstände zum zweiten Kind noch nicht abschließend geklärt sind. | ||
== Entnazifizierung == | == Entnazifizierung == |