Westvorstadt: Unterschied zwischen den Versionen

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Gegen Ende des 19. Jahrhunderst wollten einge der Fürther Bürger zumindest kurzzeitig dem Lärm und der schlechten Luft in der Stadt entfliehen. Sie wollten die Annehmlichkeiten der Stadt nicht missen, dies aber mit den Vorteilen eines Landaufenthaltes verbinden. Als besonders geeignet erschien die leichte Anhöhe im Westen der Stadt. So baute der Spielwarenfabrikant [[Johann Philipp Kreß]] [[1885]] als erster ein kleines Gartenhaus, damalige Adresse ''Scherbsgraben'', heute [[Lindenstraße 9]]. Noch vor [[1900]] kamen weitere Gartenhäuser dazu. Schon [[1892]] errichtete die private Münchener ''Localbahn-Actiengesellschaft'' an der Bahnlinie nach Cadolzburg eine Bahnhaltestelle für einen westlichen Stadtteil. Heute findet sich diese Haltestelle ''Fürth-Westvorstadt'' an der Parkstraße. Im Jahr 1900 definierte die Stadt Fürth offiziell ein ''neues Baugelände westlich der Cadolzburger Bahn und südlich der Würzburger Bahnlinie''. Allerdings übernahm nicht die Stadt die Planung für dieses Gebiet, sondern reiche Fürther Bürger kauften von Dambacher Bauern größere Ackerflächen, um zunächst einmal Garten- oder Sommerhäuser darauf zu bauen. Da die Stadt, nach der Eingemeindung von Dambach, ab [[1901]] für die weitere Entwicklung zuständig war, kam es immer häufiger zu Petitionen der Fabrikanten, Unternehmer, Rechtsanwälte und Direktoren, die sich im Westen niedergelassen hatten. Sie ließen die ersten Sommerhäuser auch bald wieder abreißen und durch repräsentative Villen ersetzen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderst wollten einge der Fürther Bürger zumindest kurzzeitig dem Lärm und der schlechten Luft in der Stadt entfliehen. Sie wollten die Annehmlichkeiten der Stadt nicht missen, dies aber mit den Vorteilen eines Landaufenthaltes verbinden. Als besonders geeignet erschien die leichte Anhöhe im Westen der Stadt. So baute der Spielwarenfabrikant [[Johann Philipp Kreß]] [[1885]] als erster ein kleines Gartenhaus, damalige Adresse ''Scherbsgraben'', heute [[Lindenstraße 9]]. Noch vor [[1900]] kamen weitere Gartenhäuser dazu. Schon [[1892]] errichtete die private Münchener ''Localbahn-Actiengesellschaft'' an der Bahnlinie nach Cadolzburg eine Bahnhaltestelle für einen westlichen Stadtteil. Heute findet sich diese Haltestelle ''Fürth-Westvorstadt'' an der Parkstraße. Im Jahr 1900 definierte die Stadt Fürth offiziell ein ''neues Baugelände westlich der Cadolzburger Bahn und südlich der Würzburger Bahnlinie''. Allerdings übernahm nicht die Stadt die Planung für dieses Gebiet, sondern reiche Fürther Bürger kauften von Dambacher Bauern größere Ackerflächen, um zunächst einmal Garten- oder Sommerhäuser darauf zu bauen. Da die Stadt, nach der Eingemeindung von Dambach, ab [[1901]] für die weitere Entwicklung zuständig war, kam es immer häufiger zu Petitionen der Fabrikanten, Unternehmer, Rechtsanwälte und Direktoren, die sich im Westen niedergelassen hatten. Sie ließen die ersten Sommerhäuser auch bald wieder abreißen und durch repräsentative Villen ersetzen.


Zu den ersten Villen gehörten die [[Lindenstraße 17]] von Kaufmann Paul Bauer, [[Lindenstraße 18]] von Kaufmann Nikolaus Bauer und [[Uhlandstraße 3]] von Möbelfabrikant Fritz Scheidig. Da immer neue Gebäude dazukamen, erließ die Stadt Fürth [[1906]] eine Bausatzung und [[1908]] eine überarbeitete Form. Darin wurde unter anderem die Größe und Form der Häuser beschränkt, aber auch festgelegt, dass die Hälfte des Grundstücks unbebaut bleiben sollte sowie keine Vermietungen zulässig waren. Es sollte ein Viertel im Grünen sein mit ''freistehenden, schönen Villen, eingebettet in große Gärten, keine Störung durch irgendwelche Gewerbe, kein Durchgangsverkehr, Ruhe, saubere Luft.''<ref>Barbara Ohm: ''Die Dambacher Villenkolonie - Häuser, Menschen, Geschichte''. In: Fürther Geschichtsblätter, Ausgabe 2/2024, S. 37</ref> Anfangs war die Infrastruktur noch sehr dürftig. Erst nach und nach wurden eine Wasserleitung gelegt (1901), Gas- und Elektroanschlüsse gebaut und mit der Gasleitung dann auch eine Straßenbeleuchtung ermöglicht (1909). [[1919]] kam dann auch die Kanalisation, aber eine geplante Brücke als hochwasserfreier Talübergang in Verlängerung der [[Karolinenstraße]] oder einer ihrer Parallelstraßen wurde nie gebaut. Es blieb bei den Zufahrten über die [[Billinganlage]] oder die [[Fuchsstraße]]. Während in der Zeit nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] neue Gebäude teilweise in ''Bauhaus-Archtektur'' entstanden, zum Beispiel [[Schwedenstraße 19]], wurden im Nationalsozialismus eher einfache, kleinere Häuser mit spitzen Giebeln und Satteldächern gebaut, zum Beispiel [[Uhlandstraße 36]].
Zu den ersten Villen gehörten die [[Lindenstraße 17]] von Kaufmann Paul Bauer, [[Lindenstraße 18]] von Kaufmann Nikolaus Bauer und [[Uhlandstraße 3]] von Möbelfabrikant Fritz Scheidig. Da immer neue Gebäude dazukamen, erließ die Stadt Fürth [[1906]] eine Bausatzung und [[1908]] eine überarbeitete Form. Darin wurde unter anderem die Größe und Form der Häuser beschränkt, aber auch festgelegt, dass die Hälfte des Grundstücks unbebaut bleiben sollte sowie keine Vermietungen zulässig waren. Es sollte ein Viertel im Grünen sein mit ''freistehenden, schönen Villen, eingebettet in große Gärten, keine Störung durch irgendwelche Gewerbe, kein Durchgangsverkehr, Ruhe, saubere Luft.''<ref>Barbara Ohm: ''Die Dambacher Villenkolonie - Häuser, Menschen, Geschichte''. In: Fürther Geschichtsblätter, Ausgabe 2/2024, S. 37</ref> Anfangs war die Infrastruktur noch sehr dürftig. Erst nach und nach wurden eine Wasserleitung gelegt (1901), Gas- und Elektroanschlüsse gebaut und mit der Gasleitung dann auch eine Straßenbeleuchtung ermöglicht (1909). [[1919]] kam dann auch die Kanalisation, aber eine geplante Brücke als hochwasserfreier Talübergang in Verlängerung der [[Karolinenstraße]] oder einer ihrer Parallelstraßen wurde nie gebaut. Es blieb bei den Zufahrten über die [[Billinganlage]] oder die [[Fuchsstraße]].  


In der Villenkolonie gab es viele große Gärten, häufig mit Wintergärten zum Überwintern der vielen Pflanzen, mit Nutzgärten und großen Blumenbeeten, mit Pavillons, Bänken, Pergolen und Brunnen. Es gab aber auch einen Weiher mit einem Felsaufbau in der Mitte, aus dessen Spitze ein Wasserstrahl herauskam und sich in Kaskaden nach unten ergoss. Geschmückt war der Bereich mit etlichen Statuen, wie ''Der Kuss'', ''Die schlafende Diana'', ''Der Frühling'', ''Der Gänsedieb'' und vielen Putten und Steinfresken.<ref>[[Barbara Ohm]]: ''Die Dambacher Villenkolonie - Häuser, Menschen, Geschichte''. In: [[Fürther Geschichtsblätter]], Ausgabe 2/2024, S. 45</ref>
Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] war auch die Villenkolonie betroffen. So stellte der Kaufmann [[Sally Löwengart]] seine Villa in der [[Uhlandstraße 35]] [[1915]] dem [[Rotes Kreuz|Roten Kreuz]] als Lazarett zur Verfügung.<ref>StAFü, Rieß-Chronik 1915, Bl. 196</ref> [[1924]] erfolgte in der Villenkolonie eine Vereinheitlichung der Häuser-Nummerierung. Hatten die Straßennamen bis dahin immer den Zusatz ''Dambach-...'' und die Häuser noch Dambacher Hausnummern, so entfiel nun der Zusatz und die Häuser wurden nach dem üblichen Schema neu nummeriert.<ref>Barbara Ohm: ''Die Dambacher Villenkolonie - Häuser, Menschen, Geschichte''. In: Fürther Geschichtsblätter, Ausgabe 2/2024, S. 50</ref>
 
In der Zeit nach dem Krieg entstanden neue Gebäude teilweise in ''Bauhaus-Architektur'', zum Beispiel [[Schwedenstraße 19]], im Nationalsozialismus waren es dann eher einfache, kleinere Häuser mit spitzen Giebeln und Satteldächern, zum Beispiel [[Uhlandstraße 36]]. Noch [[1930]] aber galt die Villenkolonie als Stadtviertel mit einem anspruchsvollen Niveau. In diesem Jahr wurde ein Antrag für die Errichtung einer Gastwirtschaft in der [[Bismarckstraße 15]] von der Stadt Fürth abgelehnt. Die Begründung lautete: ''Die Kolonie wird überwiegend von den ersten Gesellschaftskreisen bewohnt, zu deren Lebensgewohnheiten der Besuch von Schankwirtschaften der beabsichtigten Art ... nicht gehört.''<ref>StAFü, AR 19 / 24</ref> Die Regierung von Mittelfranken bestätigte diese Begründung. In der Villenkolonie gab es viele große Gärten, häufig mit Wintergärten zum Überwintern der vielen Pflanzen, mit Nutzgärten und großen Blumenbeeten, mit Pavillons, Bänken, Pergolen und Brunnen. Es gab aber auch einen Weiher mit einem Felsaufbau in der Mitte, aus dessen Spitze ein Wasserstrahl herauskam und sich in Kaskaden nach unten ergoss. Geschmückt war der Bereich mit etlichen Statuen, wie ''Der Kuss'', ''Die schlafende Diana'', ''Der Frühling'', ''Der Gänsedieb'' und vielen Putten und Steinfresken.<ref>[[Barbara Ohm]]: ''Die Dambacher Villenkolonie - Häuser, Menschen, Geschichte''. In: [[Fürther Geschichtsblätter]], Ausgabe 2/2024, S. 45</ref>


Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurden etliche der Villen durch die Amerikaner beschlagnahmt. Hier wurden Offiziere untergebracht oder auch vorübergehend der Chefankläger der ''Nürnberger Prozesse'', [[wikipedia:Benjamin Ferencz|Benjamin Ferencz]]. Er wohnte in der Soldan-Villa, [[Lindenstraße 33]]. In der Nachkriegszeit wurden manche alte Villen abgerissen, neue Häuser entstanden, aber nicht mehr nach einheitlichen Kriterien. Mitte der 1990er Jahre wollte Oberbürgermeister [[Uwe Lichtenberg|Lichtenberg]] die großen Grundstücke teilen und bebauen lassen. Stadtrat [[Joachim Krauße]] setzte sich jedoch für den Erhalt der städtebaulich besonderen Villenkolonie ein, dem der Bauausschuss [[1995]] zustimmte. Inzwischen gibt es sogar eine Veränderungssperre, die Teilungen auch zukünftig verhindern soll.
Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurden etliche der Villen durch die Amerikaner beschlagnahmt. Hier wurden Offiziere untergebracht oder auch vorübergehend der Chefankläger der ''Nürnberger Prozesse'', [[wikipedia:Benjamin Ferencz|Benjamin Ferencz]]. Er wohnte in der Soldan-Villa, [[Lindenstraße 33]]. In der Nachkriegszeit wurden manche alte Villen abgerissen, neue Häuser entstanden, aber nicht mehr nach einheitlichen Kriterien. Mitte der 1990er Jahre wollte Oberbürgermeister [[Uwe Lichtenberg|Lichtenberg]] die großen Grundstücke teilen und bebauen lassen. Stadtrat [[Joachim Krauße]] setzte sich jedoch für den Erhalt der städtebaulich besonderen Villenkolonie ein, dem der Bauausschuss [[1995]] zustimmte. Inzwischen gibt es sogar eine Veränderungssperre, die Teilungen auch zukünftig verhindern soll.