Bella Rosenkranz

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Bella Rosenkranz (geb. 16. Oktober 1921 in Fürth; gest. 11. April 2017 in Fürth) ist bekannt geworden durch ihre Autobiographie Bella - Odyssee einer Fürtherin in der Sowjetunion.

Leben und Wirken[Bearbeiten]

Die Fürtherin Bella Rosenkranz (geboren in der Lilienstraße 16) verbrachte ihre frühe Kindheit in Colmar und Regensburg. Nach dem Tod der Mutter lebte sie ab 1929 im jüdischen Waisenhaus in Fürth. Rosenkranz' verstorbener Vater war gebürtiger Pole, deshalb galt auch Bella Rosenkranz als polnischstämmig und hatte, obwohl im deutschen Reich geboren, keine deutsche Staatsangehörigkeit. 1938 wurde sie, ein paar Tage nach ihrem 17. Geburtstag, am 28. Oktober 1938 im Rahmen der sogenannten "Polen-Aktion" mit 53 weiteren Juden von der Gestapo nach Polen deportiert. Gemeinsam mit zwei Freundinnen wurde sie am frühen Morgen von Gestapo-Männern aus dem Waisenhaus abgeholt mit der Aussage: "Ihr müsst was unterschreiben".

Anlass der Ausweisung aus Deutschland war vermutlich eine Verfügung der polnischen Behörden vom 6. Oktober 1938. Die polnische Regierung befürchtete nach der Annektion Österreichs die Rückkehr von mehr als 20.000 österreichischen und weiteren rund 50.000 polnischstämmigen Juden aus dem Deutschen Reich. Um die erzwungende Einwanderungswelle zu verhindern beschloss die polnische Regierung, dass alle Pässe polnischer Staatsangehöriger, die länger als fünf Jahre ihren Wohnort im Ausland hatten, bis zum 31. Oktober 1938 ihre Gültigkeit verlieren. Mit dem Verlust der gültigen Papiere ging zeitgleich auch die polnische Staatsbürgerschaft verloren, sodass eine Einreise nach Polen nicht mehr möglich gewesen wäre. Eine Reaktion des NS-Staates auf den Beschluss der polnischen Regierung ließ nicht lange auf sich warten. In einer anti-jüdischen Offensive kam es in der Folge durch die Gestapo zu Massenabschiebungen, und das bereits im Vorfeld der Pogromnacht am 9. November 1938. Bei dieser Aktion wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ca. 17.000 jüdische Polen aus dem deutschen Reich ausgewiesen. Das NS-Regime wollte die Juden "loswerden" - gleichzeitig wollte Polen die Juden nicht aufnehmen, und so wurden viele der deportierten Juden (ca. 8.000 Menschen) in den Raum Zbaszyn (ehem. Bentschen) zunächst sich selbst überlassen. Der Ort hatte zu dieser Zeit gerade einmal knapp 4.000 Einwohner - mit der Versorgung von ca. 8.000 deportierten polnischstämmigen Juden aus dem gesamten Deutschen Reich waren diese völlig überfordert.[1]

Bella Rosenkranz wurde am 28. Oktober 1938 zunächst mit ihren Freundinnen und den 50 weiteren jüdischen Polen zur Polizeizentrale gebracht. Gegen Mittag kam der Befehl: "Alle Mann raus" - ohne Angabe von Gründen. Die bis dahin inhaftierten Fürtherinnen und Fürther wurden im Ungewissen gehalten, stattdessen kamen sie auf einen offenen Lkw mit Bretterbänken auf der Ladefläche, während vorne und hinten je einer von der Gestapo mit dem Gewehr stand. So wurden sie in verschiedenen Gruppen nach Nürnberg zum Bahnhof gebracht. Dort begegneten sie den Nürnberger polnischen Juden, die bereits in der Bahnhofshalle in Sechserreihen aufgestellt dort warteten. Die Fürther Juden mussten dann zum letzten Gleis am Bahnhof, wo auf sie bereits ein Sonderzug wartete. Der Zug fuhr - mit einem Zwischenstopp in Leipzig - zum Grenzbahnhof Zbaszyn (ehem. Bentschen), wo bereits deportierte Juden aus dem gesamten Gebiet des Deutschen Reiches angekommen waren. In diesem Niemandsland zwischen Polen und Deutschland verharrten viele Menschen für einige Monate in Baracken und Ställen, denn die polnischen Behörden verweigerten den meisten Juden den Zutritt zum Land. Unter den vertriebenen polnischen Juden in Zbaszyn war auch der damals junge Marcel Reich-Ranicki, der sich später nach Warschau ins jüdische Ghetto durchschlagen konnte.[2]

Rosenkranz gelang die Einreise mit dem Zug von Bentschen nach Posen bzw. Lodz, wo sich zunächst ein Onkel um sie kümmerte. Von dort aus ging es weiter zu einem Landgut an der russischen Grenze, in dem sich zionistische Gruppen auf ein künftiges Leben in Palästina vorbereiteten. Nach dem Überall auf Polen durch das deutsche Militär im September 1939 musste Rosenkranz erneut flüchten, eine Ausreise nach Palästina rückte in weite Ferne. Rosenkranz floh nach Wilna und landete schließlich in der Kleinstadt Krasnaja Sloboda (im heutigen Aserbaidschan). Zunächst arbeitete sie in einem Krankenhaus, ehe sie dann in ein Kinderspital in Wizebsk (Weißrussland) versetzt wurde. Dort erlebte sie den Überfall Hitlerdeutschlands auf Russland am 22. Juni 1941 - das sog. "Unternehmen Barbarossa". Nach Kriegsbeginn im Juni 1941 war Rosenkranz als ehem. deutsche Jüdin von einer Minute zur anderen ein Feind des Sowjetrussischen Reiches. "Ganz plötzlich war ich zum Feind geworden, ... weil sie Deutsche ist in der Sowjetunion... Die Milizionäre sagten zu mir, ich solle Wäsche und einen Mantel mitnehmen. Das hätten sie gar nicht gedurft, sie taten es aber aus Mitleid. Es war Hochsommer und ich fand es absurd, Winterkleidung einzupacken. Außerdem dachte ich, dass ich spätestens abends wieder zurück sein würde". Rosenkranz verglich die Lage mit der nahezu gleichen Situation vor knapp drei Jahren in Fürth, bei der Deportation durch die Gestapo. Nach der erneuten Verhaftung landete sie in einem Gefangenlager: "Ich wurde wie eine Schwerverbrecherin behandelt ... politischen Häftlingen geht es weit schlechter als "normalen" Verbrechern, das muss sie immer wieder erfahren in den folgenden Jahren ... Wer hier einmal eingesperrt war, hatte mit der Außenwelt keinen Kontakt mehr."[2] Von Wizebsk ging es mit dem Zug weiter nach Gorki, der Hauptstadt des Urals. Es folgte ein lagerähnliches Gefängnis, in dem sie nach drei Monaten erstmals einem Untersuchungsrichter vorgeführt wurde. Der Untersuchungsrichter verkündete fünf Jahre Arbeitslager, das Bella Rosenkranz allerdings erst knapp zwei Jahre später im Jahr 1943 erreichte.

Nach dem Abarbeiten ihrer fünf Jahre Arbeitslager hoffte Rosenkranz vergeblich auf die Freilassung aus dem Lager. Jedoch legte eine neue Verordnung Stalins fest, "dass sich bei allen deutschen politischen Gefangenen die Entlassungsfrist auf unbestimmte Zeit verlängere." Es folgte die Verbannung nach Sibirien, bei der ihr unterwegs die Flucht gelang. Unter falschem Namen gelang es Bella Rosenkranz - inzwischen unter der falschen Identität Bella Goldberg - sich russische Papiere als Staatsbürgerin zu besorgen und eine kleine Existenz aufzubauen. In den Städten Nachodka und Wladiwostok in Sibirien heuerte sie von 1953 bis 1961 auf diversen Schiffen an. Die Fracht- und Fischereischiffe fuhren überwiegend im Pazifik, während Bella Rosenkranz als "übel schikanierte Putzhilfe" zunächst auf den Schiffen arbeitete, ehe ihr der Aufstieg als Buchhälterin gelang.

1961 bekam Rosenkranz vom Suchdienst des Roten Kreuzes Post. Das Rote Kreuz forderte die sowjetische Regierung auf, Rosenkranz aus dem Land ausreisen zu lassen. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, da sie inzwischen unter falschem Namen mit gefälschten Papieren in Russland lebte. Die Ausreise gelang mit etlichen Zwischenstationen noch im gleichen Jahr, so dass sie schließlich wieder nach Fürth zurückkam und dort als Buchhalterin eine Anstellung fand. Sie stellte fest, dass von ihren früheren Bekannten kaum noch jemand am Leben war - nach eigenem Bekunden erfuhr sie erst jetzt vom Holocaust und dessen Ausmaß.

Ihre Erlebnisse und teils abenteuerlichen Aktionen, durch die sie sich rettete, schrieb Rosenkranz zusammen mit dem Dramaturgen Michael Kerstan nieder. Das Buch ist 2005 unter dem Titel Bella - Odyssee einer Fürtherin in der Sowjetunion im Metropol Verlag, Berlin erschienen.

Rosenkranz blieb zeitlebens mit Fürth eng verbunden. In den USA und in Israel konnte sie nicht wirklich Fuß fassen, obwohl sie dort Freunde und Verwandte hatte und immer wieder den Versuch unternahm auszuwandern. Sie kam stets nach Fürth zurück und blieb bis zum Lebensende 2017 mit der Stadt eng verbunden. Sie engagierte sich zeitlebens in der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, gab den zugewanderten Juden aus Osteuropa Deutsch-Unterricht und drängte sie, wirklich Deutsch zu sprechen. Sie lernte Bauchtanz und trat mit russischen und jüdischen Liedern auf der Bühne auf, begleitet vom Jazz-Pianisten Thomas Fink.

Ruth Weiss berichtet in ihrer autobiographischen Erzählung Wege im harten Gras von ihrem Treffen mit Bella Rosenkranz im Oktober 1990.[3]

Zitate[Bearbeiten]

  • Zünde lieber ein Licht an, als über die Dunkelheit zu meckern.

Ehrungen und Auszeichnungen[Bearbeiten]

Veröffentlichungen[Bearbeiten]

Dies ist eine Liste von Medien rund um die Stadt Fürth, die von "Bella Rosenkranz" erstellt wurden.

 UntertitelErscheinungsjahrAutorVerlagGenreAusführungSeitenzahlISBN-Nr
Bella (Buch)Odysee einer Fürtherin in der Sowjetunion2005Bella Rosenkranz
Michael Kerstan
Metropol Verlag BerlinBiografie198

Literatur, Medien[Bearbeiten]

  • Bella Rosenkranz: "Reise ins Ungewisse. Erinnerungen an die Aussiedlung der 'polnischen Juden' aus Fürth im Jahre 1938", in: Nachrichten für den jüdischen Bürger Fürths (NJBF), 1990, S. 11 - 13
  • Margarete Buber-Neumann: Die Geschichte der Bella Rosenkranz, in: Flucht, Vertreibung, Exil, Asyl, Frauenschicksale im Raum Erlangen, Fürth, Nürnberg, Schwabach. FIBIDOZ Nürnberg 1990, Seite 143 - 158

Lokalberichterstattung[Bearbeiten]

  • Alexander Jungkunz: 23 Jahre Odyssee. In: Nürnberger Nachrichten vom 25. Oktober 2008 - online
  • Birgit Heidingsfelder: Enorm engagiert. In: Fürther Nachrichten vom 5. Februar 2011 - online
  • di: Markante Fürtherin - Bella Rosenkranz ist tot. In: Fürther Nachrichten vom 18. April 2017 (Druckausgabe)
  • Johannes Alles: Was für eine Lebensgeschichte. In: Fürther Nachrichten vom 22. November 2017 (Druckausgabe) bzw. Wer war Bella Rosenkranz? - Die Fürther Jüdin musste in ihrem Leben viel erdulden. In: nordbayern.de vom 22. November 2017 - online
  • Johannes Alles: Neuer Name für die Schwammbergerstraße. In: Fürther Nachrichten vom 22. November 2017 (Druckausgabe) bzw. Fürther Nazi-Archivar: Schwammbergerstraße wird umbenannt. In: nordbayern.de vom 22. November 2017 - online
  • Johannes Alles: Bella Rosenkranz statt Schwammberger. In: Fürther Nachrichten vom 21. Februar 2018 (Druckausgabe) bzw. Jüdische Fürtherin löst Schwammberger-Straße ab. In: nordbayern.de vom 20. Februar 2018 - online

Siehe auch[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Wikipeida: Polenaktion, online abgerufen am 21. Februar 2018 | 8:00 Uhr - online
  2. 2,0 2,1 Alexander Jungkunz: 23 Jahre Odyssee. In: Nürnberger Nachrichten vom 25. Oktober 2008 - online
  3. Wege im harten Gras. Erinnerungen an Deutschland, Südafrika und England. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1994, ISBN 3872946226, S. 27 f.

Bilder[Bearbeiten]


Videos[Bearbeiten]