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scheint. Legt man für die Fensterform einen zeitgleichen Baustil zugrunde, wäre die Ruine nach dem Chronisten Fronmüller wie die Heiliggrabkapelle in die Mitte des 12. Jahrhunderts zu datieren; gemeint ist wohl die Mitte des 13. Jahrhunderts, denn dort hat Fronmüller seine Nachricht eingereiht – 1258. In die gleiche Zeit um 1250 passen auch die von Boener dargestellten Quader mit Zangenlöchern an der Ruine, denn es ist davon auszugehen, dass diese Steinhebetechnik nach ihrer ersten belegbaren Anwendung an Burgen und Kirchen des Oberrheingebietes in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht gleichzeitig bei uns genutzt wurde – sondern zeitversetzt. Heiliggrabkapelle und Ruine scheinen also fast gleichzeitig erbaut worden zu sein. Dann ist in der Mitte der Ruine ein doppelt gemauerter Rundbogen zu sehen, der nicht zu einem Kreuzrippengewölbe gehört haben kann aber durchaus vergleichbar wäre mit dem Spitzbogen in der Michaelskirche, der das Kirchenschiff vom Chorraum trennt (Abb. 4). Auch hier wäre der Rundbogen im Vergleich mit dem gotischen Spitzbogen das ältere Bauelement. Ein bedeutender Unterschied zur Michaelskirche ist aber dennoch zu erkennen. Der Rundbogen in der Ruine hat keinesfalls einen Altarraum von einem Kirchenschiff abgetrennt oder

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sonst eine raumteilende Funktion gehabt, das ist auf der Abbildung deutlich zu sehen. Damit sind die Fakten, die an eine Kapellenruine denken lassen, bereits erschöpft. Für Johann Alexander Boener, der beide Bauwerke künstlerisch dargestellt hat, mögen die Kriterien ausgereicht haben, um im Wiesengrund von einer Kapellenruine zu sprechen, nur reichen sie für heutige Ansprüche aus? Was für ein Gebäude hätte alternativ dort gestanden haben können, das man nach seiner Zerstörung, wann auch immer, als rudimentäre Kapelle angesprochen hat? Die Zweifel an einer Kapelle mögen angebracht sein, nachdem im vergangenen Jahr neben dem Kapellendenkmal durch eine geomagnetische Prospektion der AG Archäologie eine Struktur entdeckt worden war, die, wenn es sich tatsächlich um ein Gebäuderest handelt, keinerlei Voraussetzungen für ein abgegangenes sakrales Gebäude erkennen lässt (siehe Altstadtbläddla 43, 2009/10, S. 22 – 25). Um die Gedanken ein wenig zu vertiefen, möchte ich den Versuch machen, die topografische Siedlungsaktivität zu erläutern, die bisher nachgewiesen werden kann und ein Einblick in die frühe Kirchengeschichte Fürths sollte der Frage nach dem Martinspatrozinium und dem Standort der ersten Kirche im Besonderen etwas näher kommen. ➢ Seite 34

Abb. 3: Heiliggrabkapelle auf dem Kirchenplatz mit Glockentürmchen. Detail aus einem Stich von J. A. Boener 1705. (Repro: Werner)

Abb. 4: Reliefartig gemauerter Spitzbogen über der Kanzel der Michaelskirche. Stich von G. C. Wilder 1831. (Repro: Werner)

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