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Eigenkirchen zu gelten haben. Auch die von ihm postulierte „Centenen-Pfarrkirche“ mit Martinspatrozinium in Fürth macht gerade im Vergleich mit dem Krongut Forchheim einen fragwürdigen Sinn. Die „Centene“ ist hier wohl als Gebietshundertschaft in einer Grafschaft zu verstehen, die im gesamten Frankenreich Gültigkeit hatte. In Alamannien hatte der „centenarius“ neben dem „comes“ oder seinem Stellvertreter den Vorsitz im Gericht. Demnach war sie dort ein Gerichtsbezirk. Das heißt St. Martin war eventuell die Pfarrkirche in einem Gerichtsbezirk, der nicht zwangsläufig aus Königsgut oder Krongut entstanden sein muss, sondern auch eine verwaltungstechnische Einteilung gewesen sein kann. Darüber, dass das Krongut in Forchheim in drei Gerichtsbezirke unterteilt gewesen sei, geht nur aus den Darstellungen Weigels hervor. Hier sollen die dem Kirchengut („abbatia“) Forchheim mit Martinskirche 1002 untergeordneten Zubehörgüter („villae“) Eggolsheim und Erlangen ihre jeweils eigenen Martinskirchen besessen haben, wobei archäologische Untersuchungen auf dem Martinsbühl in Erlangen bisher keine Erkenntnisse zu einer frühen Kirche erbringen konnten, das urkundliche Alter der Martinskirche in Forchheim mit 970 angegeben wird und der vergessene Zubehörort Kersbach (südlich Forchheim) kein Martinspatrozinium besitzt. Der Schluss, der aus Weigels Vermutung gezogen wurde, deutet darauf hin, dass das Kirchengut Forchheim mindestens aus drei „Centenen“ bestanden hätte, diese wiederum auf eine frühere Organisationsform hinweisen würden, bevor man sie dem Kirchengut zugeschlagen hatte. Ein ähnliches Ergebnis sieht auch D. George in seiner Untersuchung zum Forchheimer Namengut, indem er Eggolsheim älter als Forchheim aufgrund des Personennamens im Bestimmungswort des „-heim“-Typennamens einstuft (Forchheim in Geschichte und Gegenwart, Bamberg 2005, S. 35). Warum ein Pfarrsprengel gleichzeitig einen Gerichtsbezirk definieren soll, bleibt dabei unbeantwortet. Wenn sich der Nachweis einer frühen Martinskirche in Erlangen nicht direkt führen lässt, ist es wohl interessant darauf hinzuweisen, dass der dem „praedium“ Forchheim zugeordnete „locum“-Ort Möhrendorf, entstanden aus 1007 „Merdindorf“, vermutlich den Namen des Heiligen unmittelbar im Bestimmungswort des „-dorf“-Ortsnamens aufführt, aber kein Martinspatrozinium besitzt. Es ist daher anzunehmen, dass der Name zur Entstehungszeit des Ortes ziemlich beliebt war in der Sippe des Grundeigentümers, die damit lediglich die Verehrung des Heiligen zum Ausdruck brachte und anscheinend mit altfränkischer (= merowingischer) oder vielleicht westbayerischer Tradition vertraut war. Gleiches würde für den Martinsbühl in Erlangen Gültigkeit haben. Die Ansicht Weigels, dass alte Flurnamensbezeichnungen 24

Altstadtverein Fürth

Nr. 57 – 2024

auf abgegangene Martinskirchen hinweisen, wäre in diesem Fall und wohl auch für Erlangen entsprechend zu revidieren. Die von E. v. Guttenberg vorgebrachte Aneinanderreihung von Martinskirchen entlang der Regnitzlinie mit Bamberg, Eggolsheim, Forchheim, Erlangen? und Fürth hätte hier ihr jähes Ende gefunden, so als sei die alte Verkehrsroute der fränkischen Missionsausrichtung von Norden nach Süden in Fürth abrupt zu Ende gewesen. Die vorgebrachten Ausbreitungsthesen zum Martinspatrozinium wird man also nicht unbedingt als Hinweis auf die ursprünglichen kirchlichen Verhältnisse und schon gar nicht für die politische Verwaltung heranziehen wollen, wenn das ermittelbare Alter der Kirchen nicht zeitgleich ist. Für Fürth ist darum ein Überdenken der Entstehungszeit seiner Martinskirche dringend geboten, zumal ältere wie auch jüngere Varianten zur Verfügung stehen und eine Verbindung zu Forchheim aufgrund ähnlicher Ausstattungsmerkmale (in dem Schenkungsakt von 1007) nicht zwangsläufig gegeben ist. Zur Beantwortung der Frage zum Alter des Fürther Martinspatroziniums sind zunächst alle Kirchen rechts des Rheins vom alemannischen über den bayerischösterreichischen bis in den sächsisch-thüringisch-hessischen Raum interessant, die sich zeitlich zuordnen lassen und denen das Martinspatrozinium zu Eigen war, um deren Verbreitung mit dem bekannten Landesausbau des austrasischen Frankenreichs zu vergleichen. Dann ist es wohl dringend erforderlich, sich mit dem Patron, dem Heiligen Martin, und die Anwendung des Patrozinium in den historischen Belegen auseinander zu setzen, ein kirchengeschichtliches Problem, das hier als Hilfsmittel herangezogen werden kann. Für einen frühen Datierungsansatz kann als Ausgangspunkt die Pertinenzformel der Vertragsgüter in den Urkunden behilflich sein, für einen relativ späten Zeitansatz bietet aber auch die belegbare Anwendung des Patroziniums sehr gute Erklärungsgrundlagen. Das älteste Denkmal neben der Michaelskirche, das zum Fürther Kirchenwesen bekannt, heute aber verschollen ist, ist das Epitaph des „plebanus Ulricus Centgräf“, des St. Martin zugeordneten Pfarrers 1323 – 1370/72 (siehe oben). Einer Notiz Fronmüllers zufolge soll der Grabstein als „Treppenunterlage im neuen Schulgebäude“ gedient haben. Auf einer Zusammenstellung wichtiger Gebäude in Fürth in Form eines plakativen Stichs von Wilder/Herrlein 1835 wird das heutige Wilhelm-Löhe-Haus am Kirchenplatz 2 von 1823/24 als „Das neue Schulgebäude“ betitelt. Es kann sich aus der zeitlichen Sicht Fronmüllers aber auch um den Vorgängerbau des heutigen Grundschulgebäudes am Kirchenplatz gehandelt haben, weil die älteste Schule am Ort, die dompropsteiliche Schule in der Südostecke des Kirchenplatzes, 1812 durch ein städti-