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DREI JAHRE AM COLEGIO ALEMAN IN SANTIAGO DE CHILE Wo fange ich da bloß an zu erzählen? Von der Hinreise auf einem Kombischiff des Norddeutschen Lloyds über den stürmischen Atlantik, durch den Panamakanal, an der gran diosen Westküste Südamerikas entlang bis zum Haupthafen Chiles, Valparaiso? - Von den langen Sommerferien (21.12. -lo.3.),in denen man Land , nein Länder und Leute kennen lernen konnte? Oder lieber von der Schule? Ja?? Sie ist unter den etwa 3o deutschen Schulen des Landes die größte und wie alle eine Privatschule, also relativ teuer. Etwa 135o Kinder besuchen sie, Jungen und Mädchen, und sie umfaßt einen Kindergarten (2 Jahre), Preparatoria =Volkschu le und Humanidadesabteilung = Höhere Schule (6 Jahre). Sie liegt im schönen Villenviertel Santiagos uni besteht nun schon 72 Jahre, ist aber mit diesem respektvollen Alter nicht die älteste deutsche Schule. Im Süden Chiles wo seit über hundert Jahren deutsche Siedler leben, gibt es noch ältere z. B. die Karl Anwandter Schule - in Valdivia mit I06 Jahren. Auch am Colegio Aleman stammen die Schüler zum größten Teil aus deutschen oder deutschsprachigen Eamilien - und ich glaubte, als am 13.3.1961 das erste Schuljahr dort für mich begann, nun da unter recht ähnlichen Bedingungen wie zu Hau se unterrichten zu können. Aber da hatte ich mich getäuscht. Denn als ich zur ersten Unterrichtsstunde in die Klasse trat, bot sich mir ein ganz ungewohntes Bild. Alle Jungen trugen lange graue Hosen, blaue Jacken mit dem Schulabzeichen, wei­ ße Hemden und blaue Kravatten, die Mädchen blaue Röcke, wei­ ße Blusen und blaue Pullover. Wer keine Schuluniform anhat, wird nach Hause geschickt. Und mit dem Deutschsprechen war das auch ein bischen anders, als ich mir d?_s vorgestellt hat te. In den Pausen sprachen alle nur spanisch - aber das ist .ja verständlich, wenn man weiß, daß alle Fächer außer 6 Stun den Deutsch in der Humanidadesabteilung in spanisch erteilt werden. Es war also ein bischen illusorisch von den Schülern zu verlangen, sie sollten immer deutsch sprechen. Wie ddnn wenn sie sich z. B. über Mathematik oder Biologie unterhal­ ten sollten? Sie kennen doch alle Fachausdrücke nur auf Spa­ nisch. Ja und dann der Deutschunterricht! Damit ging es auch nicht ganz so wie ich mir das gedacht hatte. Warum? Nun in den spanischsprachigen Fächern wird nacheiner ganz anderen Methode unterrichtet als in Deutschland, Da hält -*

der chilenische Lehrer die ganze Stunde einen Vortrag oder liest aus seinem Lehrbuch vor und die Schüler machen sich Notizen oder er diktiert ins Heft. Zum Fragen kommen die Schüler kaum, auch ein Gespräch zwischen Lehrern und Schü­ lern ist während des Unterrichts kaum üblich. Von Zeit zu 'Zeit wird dann in einer "interrogacion" das durchgenommene Pensum schriftlich abgefragt und in jedem Trimester gibt es pro Fach eine schriftliche "prueba trimestral" und von die­ ser Notp hängt dann die Zeugnisnote ab. Dreimal gibt es Zeug nisse: Im Juni, August und Oktober, die beste Note ist 7, die schlechteste 1. Ein "reines"Vergnügen ist die Zeit vor den Zeugnisterminen für Lehrer und Schüler. Da müssen dann 1-2 Wochen lang Tag für Tag "pruebas" geschrieben werden! Ja, die Schüler haben dort such nichts zu lachen - und wenn auch nicht, wie hier, ständig ihr Mitdenken und ihre kritische Stellunmahme gefordert werden, so wird dafür ihr Gedächtnis durch das unablässige Auswendiglernen - öfter ganzer Bücher dauernd in Schwung gehalten. Tragisch wird die Sache für man che, wenn das Schuljahr Mitte NovemV'r zu Ende geht und die gefürchteten Jahresahschlußexamen beginnen, die vor einer staatlichen Kommision abgelegt werden müssen. Alle Humanida des Klassen werden in allen Fächern schriftlich geprüftj­ auch zum Beispiel im Turnen! /er das Pech hat und in ein münd liohes kamen muß, de'-- kommt mitunter spät nach Hause, denn alle Examen finden nachmittags statt-und das bei ca. 3o Grad im Schatten! Wer noch mehr Pech hat und durchfällt, hat keinen großen Genuß von denFerien, aber er muß das Schuljahr noch nicht unbedingt verlieren, er kann nämlich die Examen in den nicht b°standenen Fächern im März bei Schuljahrsbeginn noch­ mal in Unterrichtsministerium ablegen - und wenn er dann beteht, mit seiner Klasse aufrücken. Alle abpr, die diese Nervenprobe der Examen gut Überstunden haben, fliehen bei Ferienbpginn - so schnell und so weit sie können - aus üer heißen Stadt, von den Ferien aber und von dem, was sich in der Schule zu Santiago außerhalb des Unterrichts ereignete, von Sport- uif Theaterveranstaltungen erzähle ich gerne ein andermal.