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smusik Zukunftsmusik Die wir nicht erwarten können, wirds lehren. Sie glänzt, ist ungewiß, fern. Die wir auf uns zukommen lassen, erwartet uns nicht, kommt nicht auf uns zu, nicht auf uns zurück, steht dahin.

Gehört uns nicht, fragt nicht nach uns, will nichts von uns wissen, sagt uns nichts,kommt uns nicht zu.

War nicht, ist nicht für uns da, ist nie dagewesen, ist nie da ist nie.

"Enzensbergers Gedichte sind eine geglie­ derte Meditation in Form reimloser Verse und Strophen”(SZ,21 März 1991) Untertitelt ist das Buch in vier Kapitel mit den Titeln:"Dasleere Blatt", "Alles Gute","Zum ewi­ gen Frieden" und "Abdrifft". "Zum ewigen Frieden" heißt auch die sehr eindrucksvolle Vision eben dieses:

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Dieses Zeug, das aus dem dunklen) Him­ mel hell fällt, leicht) gleichmäßig, lautlos, ohne) Aufenthalt tänzelnd, setzt sich)) auf alles, ohne Eile, was eckig) Ist, Hoch­ haus, Briefkasten, Sarg.) Alles, was eckig war, wird) rund, langsam bauschend sich)) In Ihrer Seelenruhe übersteht die Natur alles von Menschen Geschaffene. Anfangs ver­ sucht der Mensch sich zu wehren, aber auch dann "verschwindet der Krieg im Frie­ den, weiß und vollkommen.“ Die offensichtlich einzige Art einen wirkli­ chen Frieden zu schaffen, beschreibt En

zensberger Im letzen Vers mit der Auslöschung der Menschheit Der sanfte Enzensberger arbeitet schein­ barspielerisch mit Worten, bildet "Sprache­ tüden", drückt durch Zeitloses absolut Aktuelles aus. Die FAZ vom 25. März legt dem Leser des Buch so nohe: "Zukunftsmusik, das ist die Diagnose der Gegenwart, aus Ihrer Sprache gestellt. Sie fällt so differenziert und - so unterhaltsam aus, wie es Sprachen gibt.... So schafft die Lektüre Kurzweil und ein melancholisches Vergnügen.“ Alte Revolution

Ein Käfer der auf dem Rücken Hegt. Die alten Blutflecken sind noch da, im Museum. Jahrzehnte, die sich totstellen. Ein saurer Mundgeruch dringt aus dreißig Ministe­ rien. Im Hotel Naclpnal spielen vier verstorbene Musikan­ ten den Tango von 1959, Abend für Abend: Quizas, quizas, quizas.

Im Gemurmel der tropischen Maiandacht fallen der Geschichte die Augen zu. Nur die Sehnsucht nach Zahnpasta, Glühbirnen und Spaghetti Hegt schlaflos da zwischen feuchten Laken. Ein Somnambule vor zehn Mikrophonen, der kein Ende findet, schärft seiner müden Insel ein: nach mir kommt nichts mehr. Es ist erreicht. An den Maschinenpistolen glänzt das Öl.

Hans Magnus Enzensberger: "Zukunfts­ musik". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1991. 102 S„ geb., 25,- DM