Seite:Pennalen Jg 3 Nr 6 1956.pdf/2

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Menschen aus allen Ländern der l'.rde. die zu­ sammen in Deutsehland in Arbeitslagern (workcamps) beim Wiederaufbau halfen. So wurden nicht nur Häuser aufgebaut, sondern auch Freundschaften geschlossen, die die Grenzen überwanden. Seit 1948 schlossen sich immer mehr Jugend­ liche aus allen Ländern und Berufen den 1JGD an, im vergangenen Jahr nahmen mehr als 2100 Jungen und Mädchen an den Lagern teil, unter ihnen 700 Ausländer. Sic alle kamen um zu ar­ beiten. das ist wichtig, nicht etwa um tagsüber Vergnügungsreisen miteinander zu unterneh­ men. Wenn Du meinst, daß liier über der Ar­ beit das Vergnügen und die Krholung zu kurz kämen, täuschst Du Dich, denn die Abende und zwei Stunden am Tage stehen jedem frei zur Verfügung. Ls wird am Tag nie mehr als sechs Stunden gearbeitet. Man hat genügend Freizeit, um zu wandern, um zu lesen, um einander nähcrzukommcri, aber am besten und sihncllsten freundet man sich bei der Arbeit an. Die Lagorgemeinschaft Wenn Du in eines der IJGD-Lagcr kommst, trittst Du in eine Gemeinschaft ein, die anders ist als Deine gewohnte l mgebung. Da sind Jun­ gen und Mädchen aus ganz ers h'cdenen Be­ rufen, aus vielerlei Gegenden der V eit. von versehe Jenen Konfessionen und sicher mit un­ terschiedlichen Ansichten und Meinungen. Mit die er Vielfalt wirst Du Dich auseinanderzu­ setzen haben. Dabei wirst Du merken, daß eine Gemeinschaft ni ht entstehen kann, wenn jeder tut, was er gerade will oder wozu er gerade Lust hat, aber auch nicht dadurch, daß einer angibt und alle nach seiner Pfeife tanzen. Line echte Gemeinschaft entsteht in der Auseinan­ dersetzung. in der Du Dich mit den andern und sic sich mit Dir auseinandersetzen. Wenn jeder etwas von sich hergibt, den andern gibt, dann führt das zur Gemeinschaft. Wenn jeder nur seine Trägheit und seinen Lgoismus bei­ steuert, dann allerdings nicht! So wirst Du in einem Lager der 1JGD erleben, wie eine Ge­ meinschaft entsteht, und deshalb wäre es schon wert, daran teilzunehmen. Selbstverständlich kommt man auch in einem Work-camp. das immerhin aus etwa 20 jungen Menschen besteht, nicht ohne eine gewisse Ordnung aus. Diese Lagerordnung, welche die Arbeitszeit, die Bu­ hezeit nach der Arbeit, die Essenszeiten, den Haus- und Küchendienst regelt, geben sich die Teilnehmer selbst, und sie ist auch für alle bindend. 2

Bei uns wird gearbeitet W'as wird in den Jugendgemeinschaftsdiensten geleistet V Die Arbeit, die auf die Teilnehmer eines Lagers wartet, umfaßt Mithilfe hei Forslarbeitcn, beim Siedlungsbau. in Flüchtlingslagern, bei der Kin­ derbetreuung, in Schul- und Jugendheimen, beim Anlegen von Jugendherbergen. Jugop1heimen, Kinderspielplätzen, bei Dünenbcft^ gütigen, beim Aufbau von Vcrlriebencnsiedlungen usw. Sic ist es, die manchen davon ab­ hält. ein paar Wo heil in einem Lager zu 'er­ bringen. Aber zunächst ist es ja so, daß Du für Deinen Aulenthalt im betreffenden Lager ar­ beitest, denn dafür brauchst Du keinen l’fennig zu bezahlen. Die Unterkunft und Verpflegung geht zu Lasten des Trägers der Arbeit. Dafür stellst Du ihm sechs Stunden am Tag Deine Arbeitskraft zur Verfügung. Das ist die rein finanzielle Seite. Aber Du wirst leicht einsehen, daß die gemeinsame Arbeit für andere Men­ schen auch ideelle Werte crmiltelt. Überlege Dir. für wen Du arbeiten kannst, wem Du hel­ fen kannst: einer Sicdlergcmcinsrdiaft beispiels­ weise. Diese Menschen sind dankbar für Deine Hilfe, ohne die sie vielleicht ihre l’länc nie verwirklichen könnten. Oder stelle Dir vor, wie es sein wird, wenn die Lehrlinge ihr neues Heim beziehen, dessen Grund Du mit ausge­ schaufelt hast, oder wie der Wald in einigen Jahren wieder grünen wird, für den Du jetzt hunderte kleiner Bilanzen gesteckt oder v<r Unkraut ge änberst hast — tliese überlcgungV werden Dich vielleicht überzeugen, wie wichtig und gut es ist, daß Du an diesem Platz stehst

Blick hinter die Kulissen d er O R -B ühne:

WI R SPI ELEN W I E D E R THEATER

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Und viel Freizeit Aber mit der rbcil ist ja der Tag in einem IJGD-Lagcr noch lange nicht zu Ende. Denn mehr als sechs Stunden arbeitest Du in keinem Fall. Nach der gemeinsamen Arbeit wirs Du Dich mit allen auf die Freizeit freuen. Vicle Möglichkeiten gibt cs, diese Stunden zu netzen. Du wirst vielleicht mit Vorbedacht ein Lager in einer ganz besonders schönen Landschaft aus­ gewählt haben lind eine Freude daran finden, mit Deinen ausländischen Freunden dieses Stückchen Erde zu erkunden, ihnen Deine Landsleute mit ihren Eigenheiten näberzubrin­ gen. Gemeinsame Wanderungen. Be i bti-.ungen und Gespräche können Dir vieles erschließen, von dem Du bisher nur wenig gewußt hast. Fortsetzung Seite 4

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Die Schülerbühne der Oberrealsehule ist wie­ der da! Nach zwei Jahren des Schweigens war­ tet sie mit „Der Revisor“, einer Komödie von Nikolai Gogol, auf. Hoffentlich hat ihr dieser lange Winterschlaf frische Kraft und neuen S vung gebracht. Zu wünschen wäre es ihr, denn in ihrer vergangenen Blütezeit hat sie ja cin ges geleistet. Neben bewährten Klassikern („Der Geizige“ von Moliere, „Der Widerspen»tigenzähmung“ von Shakespeare) brachte sie auch moderne Dramen (Gerhard Hauptmann: Hanneles Himmelsfahrt). Als letztes Stück ge­ langte „Robinson soll nicht sterben“ im Herbst 1S53 zur Aufführung. Robinson ist zwar nicht gestorben — aber die Schülerbühne wäre beinahe so weit gewesen. Denn sobald die erprobten Kräfte und vor al­ lem der damalige Leiter, Herr Dr. Neumann, die Schule verlassen hatten, hörte man nichts mehr von ihr. Dieses Jahr nun hat sich wieder eine kleine Spiclgruppe zusammengefunden. Der erste An­ fang war freilich schwer, denn noch kein Schü­ ler unserer Anstalt hatte bisher eine Hauptrolle in irgend einem Stück gespielt. Aber mit der Unterstell zung Herrn Dr. Opels und Herrn Dr. Maas’ schafften sie es doch. Die Proben laufen seit einigen Wochen plan•"äß g. In der Werkstatt (das ist einfach der

11er des Schulhauses) wird gesägt, genagelt, geleimt und gemalt. Bald werden die Kulissen stehen und die Schauspieler auf den Brettern, die die Welt bedeuten, in Gogol’schen Versen sprechen. Noch aber ist cs nicht soweit! Aus prache, Be­ tonung, angemessene Lautstärke, Mimik und Gestik wollen erlernt sein. Jede Bewegung wird vom Regisseur erklärt, vorgeführt, besprochen — um bei der nächsten Probe wieder vergessen fcu sein. Ja, ein Regisseur hat schon seine Ser­ gen! Und dann dieses Lampenfieber, obwohl bisher ohne Scheinwerfer gespielt wurde. Hof­ fentlich ist die Angst vor dem gestrengen Publi­ kum nicht so groß wie die vor der leeren Turn­ halle. So geht es Chlestakow, wenn er mit Pathos und Kraft seinen hohen Rang und Titel in die Ohren der Kleinstadtbeamten brüllt, um gleich darauf vor dem Echo seiner eigenen Stimme zu­ sammenzuschrecken. Einige Spieler rufen ver­ zweifelt nach Regenschirmen, wenn der Poli­ zeimeister im fünften Akt seinen Wutausbruch

bekommt. D e größten Sorgen hat doch Chle­ stakow: laut Textbuch muß er stinkendes Was­ ser als Suppe genießen. Auch muß er Marja darum bitten, nur kußechte Lippenstifte zu ver­ wenden, damit er nach dem vierten Aufzug we­ gen seines Aussehens nicht zum Gespött aller Anwesenden wird! Um die Haltbarkeit seiner Knochen festzustellen, ist ein anderer Darsteller schon einem Boxvercin beigetreten. Wie leicht könnte er nach seinem „eleganten“ Sturz mit zerschmetterten Kieferknochen und einer nied­ lichen Gehirnerschütterung von der Bühne ge­ tragen werden! Beim technischen Stab ist das Risiko am größ­ ten, nicht zuletzt auch deswegen, weil diese un­ fähigen Jünglinge ständig mit unserem lieben Hausverwalter verhandeln müssen. Aber er.staunliehcrwci.se ging es hier noch ohne Schwer­ verletzte ah. Zuwe.len sah ich freilich manchen mit einem dick bandagierten Finger umherlau­ fen, aber es kann ja mal Vorkommen, daß man statt den Nagel au h den Daumen trifft. Anregend — aufregend wäre ein bißchen zuviel gesagt — sind die technischen Arbeiten auf der Bühne. Es würde beispielsweise einen Zirkus­ direktor zu einem neuen Balanceakt anregen, wenn er sähe, wie unser Vorhangspezialist die altersschwache Leiter — sie ist zwecks Ver­ längerung ihrer Reichweite auf zwei morsche Wirtshaustische gestellt — hinaufkriccht und hei jeder Sprosse um sein Lehen winselt, als verlöre die Welt mit ihm einen Nobelpreis­ träger. Zum Festmachen der Kulissen mußten einige Löcher durch die Decke gebohrt werden. Das war eine Arbeit, bei der man von Kopf bis Fuß mit rötlichbraunem Backsteinstaub berieselt Vvurde. Wie sich da die Helfer alle drängten, um auch etwas von dieser herrlich gesunden Farbe abznhekommen! Wir versuchten es dann sogar mit einem elektrischen Bohrer, und nach zwei Stunden schon zierten die fertigen Löcher die Halbkugel des ßühnenhimmels. Ja, Spaß macht die ganze Geschichte trotz aller persönlichen Aufopferung, oder gerade deswe­ gen. Wir wären aber ohne die Unterstützung durch unseren Herrn Direktor und durch die Herren Studienräte Dr. Opel und Dr. Maas nie so weit gekommen. Hoffentlich ma.ht die Auf­ führung den Lesern und uns genau so viel Freude wie — hoffen wir es — dieser kleine Bericht. —tsch — 3