Seite:Pennalen Jg 5 Nr 1 1957.pdf/7

Aus FürthWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.


NFSZ 5/1

Seite 7

Feuilleton

"Die^ föekeiwtHMe; eines Spickers

A u f d e n „ B e n i m m " k o m m t's a n

Mit einem Präventiv-Vorwort „Honny soi qui m al y p ense“ — diese „Confessio transpectandi u m ero s“ erhebt w ed er A nspruch darauf, als S tre itsch rift fü r oder gegen die ohne Z w eifel von der einen S eite begehrtesten aller im schulischen Bereich gelegenen K ü n ste, von der anderen w ied eru m ob ihres „unerzieherischen, zersetzen d en “ C harakters am stä rkste n b e k ä m p fte n aller schülerischen R egungen zu gelten, noch eine A n le itu n g fü r u n terschleif süchtige junge L eu te zu bieten u nd d a m it A n la ß fü r die o b jektives N otengeben als oberstes G ebot erachtenden Lehrer, unsere Schü lerzeitsch rift scharf zu kritisieren — w enngleich das nicht die schlechtesten F rüchte sind, an den en die W espen nagen, w o m it w iederum unsere E rzieher selbstverständlich von uns nicht als zur G attung der In se k te n u n d B ru m m e r gehörig angesehen w erd en —, sondern ganz schlicht, u m u nserem Theodorius P latz fü r seine H erzensergüsse zu bieten, d enn schließlich: „Man ka n n ruhig darüber sprechen“ oder „Auch ich w ar ein Jü n gling m it (bisw eilen) seitlichem B lick.“ (A nm . vo n T hom asius M ännlein.) Ich w ar ein b eg e isterter Spicker. Bis zum letzten Schultag in d er allerletzten K lasse. E rstens spickte ich aus Not w eh r u n d zw eitens ta t ich’s aus S port In jed em F all ab er sah ich das Spicken den „U nterschleif“, als K av aliersd elik t an. D enn alle m eine K am eraden m ogel­ te n ja auch. A uf diese W eise hob sich das N iveau d er A rbeiten. W er nicht ab­ schrieb, m ußte autom atisch eine im V erh ältn is schlechtere N ote bekom m en U nd ich m uß zugeben: A ls m itte lm ä ß i­ ger Schüler schätzte ich einen erspickte n D reier viel h ö h er als eine ehrliche F ü n f oder Sechs. A nders ausgedrückt, w eil ich nicht in allen F ächern ein gründliches W issen h atte, m ußte ich in drin g en den F ällen zu verb o ten en M it­ te ln greifen, um nicht jede A rbeit zu v erh au en. Es ist schließlich ein p ein ­ liches G efühl fü r den, der in den v o rd eren B an k reih en sitzt u nd sich E hrlichkeit geschw oren hat, zu wissen, daß sich w eiter h in ten ein K lüngel von L ilip u t-L ex ik an ern , M oglern un d A bfeilern e tab liert hat, die m it solcher arb eitsteiligen G em einschaftsleistung b rav e n E inzelgängern haushoch ü b e r­ legen sind. D erartig e E rk en n tn isse b e ­ stä rk e n in dem G lauben, das nächste M al u n bedingt auch spicken zu m üssen. E inm al, gegen Ja h resen d e, hing es fü r mich von einer einzigen L a te in ­ a rb e it ab, ob ich durchfallen oder in die nächste K lasse aufsteigen w ürde. Also b a t ich m einen H in term an n , m ir von Zeit zu Z eit die richtige Ü b erset­ zung zu flü stern , die ich dan n g etre u ­ lich, durch einige K om m a-F ehler und W o rtän derungen abgew andelt, auf m ein B la tt niederschrieb. D ieser — na, sagen w ir’s ruhig — U nehrlichkeit v erd a n k e ich ein ganzes S chuljahr. So viel zur N otw ehr. A ber ich w eiß nicht, w as uns Schüler m eh r trieb, N otw ehr oder Sport. Je d e n ­ falls ta te n m anche L eh rer das ihrige, um zum A bschreiben zu reizen. E tw a so: Ein neu er M a th em atik leh rer stellt sich vor. E r n e n n t seinen N am en und

äu ß e rt den üblichen W unsch nach g u ter Z usam m enarbeit. Da sp rin g t u n s auch schon die H erau sfo rd eru n g entgegen, w enn er sagt: „Also, daß m ir n iem an d zu m ogeln versu ch t.“ Folgt eine farbige B eschreibung des h ingew orfenen F eh d eH andschuhs: „Da w ä rt Ih r bei m ir g e­ rad e am Richtigen. Ich ken n e näm lich alle E ure Schliche, w a r ja selb er ein ­ m al jung. Es soll m ir n u r ja k ein er probieren, sonst g eh t es ihm schlecht.“ U nd schon b eg in n t d er listenreiche W ettkam pf zw ischen L eh rer und K lasse. M otto: „W er ist schlauer, behender, ra ffin ie rte r. Die Ju n g e n im Verstecken, oder die A lten im E ntdecken?“ Z uerst w ird d er G egner ab g etastet, das heißt, m an versucht es m it den einfachsten Tricks. Buch u n te r d er Bank, N otizen auf dem L öschblatt, E in ­ sagen beim B anknachbarn. D er L eh rer w ird getestet: ist er schw erhörig, sieh t er noch gut? B leibt e r au f dem K a th e ­ d er sitzen oder geht er nervös von vorn nach h in ten au f u n d ab.? Sind solche g ru ndlegenden E rk e n n t­ nisse ü b er die S trateg ie des T u rn iers A llgem eingut u n te r den Schülern ge­ w orden, g eh t m an zu den besseren Sachen ü b er und tre ib t das seltsam e Spiel m it d er G efahr so lange, bis der erste V erw eis im B riefk asten steckt. Wie selbstverständlich die „sportliche G esinnung“ ist, die das Spicken k e n n ­ zeichnet, soll zum Schluß eine k leine Geschichte zeigen. Sie ist seh r b ek an n t, n u r um ih re E chtheit h a t es schon h e f­ tige D iskussionen gegeben. A ber d ara u f kom m t es h ier nicht an. Also: A bitur, Schw itzen und Stöhnen. Ein Schüler ist noch dazu arg beh in d ert. Seinen link en A rm trä g t er in Gips und im m er w ied er stü tzt er e rm a tte t sein m üdes H au p t auf den V erband. Dem au fsichtfüh ren d en L eh rer fallen so n d er­ b are G eräusche auf, e r g eh t zum G ipsarm igen h in und b em erk t — in den G ips eing eb ettet — einen w inzigen K urzw ellenem pfänger. Von d rau ß e n h a t ein F reu n d dem begabten E rfin d e r die richtigen E rgebnisse gefunkt.

Sechste Stunde. U ngeduldig blickt A n g elika a uf die A rm b a n d u h r. Noch zeh n M in u ten bis Schulschluß! H eute dauert die L a tein stu n d e bei S tu d ien ra t P rudens w ieder einm al eine E w igkeit. Und dabei w a rtet u n te n vo r der Schule sicher schon der F reund. Höchste Zeit, daß ich m ich m al ' ein bißchen „ver­ schönere“, d e n k t sie. Die „M änner“ sind ja h eu te sehr anspruchsvoll. A n g e­ lika schließt geräuschvoll ih re M appe a u f u n d e n tn im m t ih r das K o s m e tik ­ necessaire. W ährend eine M itschülerin holprig einen H orazvers deklam iert, schneidet A n g elika sich die Fingernägel. D ann trägt sie krä ftig Rouge m it dem L ip p e n stift a u f die Lippen. Die P u d er­ quaste k o m m t auch zu ih re m Recht. M an m u ß schließlich „ w ettb ew erb s­ fä h ig “ bleiben, und Schule und L ernen schaden ja leider d em T eint. A n g elika ist völlig m it der Schön­ heitspflege beschäftigt, da schrickt sie auf: „Ü bersetzen S ie den nächsten Vers, A n g elika “, r u ft S tu d ien ra t P rudens. Er erhält kein e A n tw o rt. A n g elika lackiert sich gerade. die Fingernägel. B en im m t sich ju n g e Dame?

A n g elika

w ie

eine

V_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ D iese Geschichte h ab en w ir einm al einigen u n se re r L eh rer erz äh lt u n d ge­ frag t, w as sie w ohl m it dem G ip sarm igen an g estellt h ätten , da e r doch lu p e n ­ rein en „U nterschleif“ g etrieb en habe. A n tw o rt: „W er so viel technisches G e­ schick zeigt, h a t vielleicht das A b itu r v erd ie n t.“ Ja, das Mogeln ist ein K av aliers­ delikt. Zu u n se re r Z eit w ar das je d en ­ falls so. A b er h eu te spickt ja w ohl n ie­ m and m ehr. Theodor B eyer