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1974/75 auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt noch einmal erheblich verschärften. Waren 1980 bei einer Zuwachsrate des um den Preisanstieg bereinigten, realen Bruttoinlandsprodukts um 1,4 Prozent im Jahresdurchschnitt 888.900 Arbeitslose registriert worden, so stieg die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit bei einem realen wirtschaftlichen Wachstum um 0,5 Prozent 1981 auf 1.271.574 Personen und bei einem „Minuswachstum“ um 0,2 Prozent 1982 auf 1.833.244 Personen.799 Die Wirtschaftskrise 1981/82 führte auch zu einem Regierungswechsel, bei dem es um die Ausrichtung der Politik ging. Hatte die sozialliberale Koalition nach der Wirtschaftskrise 1974/75 bis zur Bundestagswahl 1980 noch eine „Politik der mittleren Linie“ betrieben,800 die aus angebotsorientierten Steuererleichterungen, Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen und Leistungseinschränkungen sowie aus nachfrageorientierten staatlichen Investitionsprogrammen bestand,801 hielt der FDP-Vorsitzende, Vizekanzler und Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher (1927-2016) in einem Schreiben an die FDP-Bundestagsabgeordneten im August 1981 eine Wende zu einer ausschließlichen Angebotsorientierung für unverzichtbar.802 Diese Wende trat Anfang September 1981 ein, als bei den Kabinettsberatungen über die „Haushaltsoperation‘82“ der Antrag der SPD scheiterte, ein arbeitsmarktpolitisches Programm über eine Ergänzungsabgabe zu finanzieren,803 womit die nachfrageorientierte Komponente der bisherigen „Politik der mittleren Linie“ entfiel. Als die SPD ein Jahr später das am 12. September 1982 von Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff veröffentlichte angebotsorientierte Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als Scheidungspapier für die sozialliberale Koalition verstand,804 traten die vier FDP-Minister am 17. September 1982 zurück. Danach verständigten sich CDU/CSU und FDP auf eine Koalition und auf ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt, bei 799Vgl.: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2013, Wiesbaden 2013, S.315. 800So Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff am 17. April 1980 in der Rede zum Jahreswirt-

schaftsbericht 1980. Vgl.: Jahreswirtschaftsbericht 1980 vor dem Deutschen Bundestag, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bunderegierung vom 18. April 1980, Nr.41, S.347-356, hier: S.352. Otto Graf Lambsdorff (1926-2009) war seit 1951 Mitglied der FDP, von 1968 bis 1978 Schatzmeister des FDP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, von 1972 bis 1978 Mitglied des Bundestages, dort von 1972 bis 1977 und von 1984 bis 1997 wirtschaftspolitischer Sprecher der FDPBundestagsfraktion und von 1977 bis 1984 Bundeswirtschaftsminister. Als Bundeswirtschaftsminister trat Otto Graf Lambsdorff 1984 zurück, nachdem der Bundestag im Zuge der Flick-Parteispendenaffäre im Dezember 1983 seine Immunität auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben hatte und 1984 Anklage wegen Steuerhinterziehung erhoben wurde. Nach einem eineinhalb Jahre dauernden Gerichtsprozess, bei dem auch der Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch und der vormalige und von 1972 bis 1977 amtierende Bundeswirtschaftsminister Hans Fridrichs/FDP angeklagt waren, wurde Otto Graf Lambsdorff wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe in Höhe von 180.000 DM verurteilt, aber vom Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen. Vgl. den Artikel Otto Graf Lambsdorff, in: www.wikipedia.de, hier: Ausdruck vom 28.05.2021. 801Zu den angebotsorientierten Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen und Leistungseinschränkungen zählten das Haushaltstrukturgesetz vom Dezember 1976, das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz und das 20. Rentenanpassungsgesetz vom Juni 1977 sowie das 21. Rentenanpassungsgesetz vom Juli 1978. Zu den nachfrageorientierten staatlichen Investitionsprogrammen gehörten das Zukunftsinvestitionsprogramm vom März 1977 mit einem finanziellen Gesamtvolumen in Höhe von 16 Mrd. DM, ergänzt durch zusätzliche Finanzmittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vom Mai 1977 und ein regionales Schwerpunktprogramm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vom Mai 1979. 802Vgl, zu diesem Schreiben: Wolfram Bickerich (Hrsg.), Die 13 Jahre. Bilanz der sozialliberalen Koalition, Reinbek bei Hamburg 1982, S.241. 803Vgl.: Der Spiegel, 1981, Nr.37, S.19-27, hier: S.21. 804Vgl.: Das Lambsdorff-Papier, in: Vorstand der SPD (Hrsg.), Dokumente der Reaktion. Die Kampfansage der Rechten an den Sozialstaat, Bonn o.J. (1983), S.27-32.

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