2.298
Bearbeitungen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
(Ergänzungen interne Verweise) |
||
Zeile 15: | Zeile 15: | ||
Gnad selbst bezeichnete sich als Kaufmann und Kunstdichter und verkaufte Kanarienvögel. Weibliche Kanarienvögel (die nicht singen!) heißen in [[Fürther Sprache|Fürther Mundart]] "Siea", er gab sie oft als "Erli" (= Männchen) aus, um sie an den Mann zu bringen, daher der Spottname. Er verhökerte auch alte Kleider und verkaufte Lose. Diese Verkäufe begleitete er gerne mit selbstgemachten Versen. [[1894]] verstarb er 71-jährig.<ref>[[Adolf Schwammberger]]: [[Fürth von A bis Z]], S. 276</ref> | Gnad selbst bezeichnete sich als Kaufmann und Kunstdichter und verkaufte Kanarienvögel. Weibliche Kanarienvögel (die nicht singen!) heißen in [[Fürther Sprache|Fürther Mundart]] "Siea", er gab sie oft als "Erli" (= Männchen) aus, um sie an den Mann zu bringen, daher der Spottname. Er verhökerte auch alte Kleider und verkaufte Lose. Diese Verkäufe begleitete er gerne mit selbstgemachten Versen. [[1894]] verstarb er 71-jährig.<ref>[[Adolf Schwammberger]]: [[Fürth von A bis Z]], S. 276</ref> | ||
Kaum ein anderes Original war in Fürth in den Jahren vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] so populär, wie der Gnadnsia. Der seltsame Name, den ihm der Vormund gab, erklärte sich aus dem Familiennamen Gnad und daraus, dass der „Handelsmann Bernhard Gnad“ (1822–1894), wie er sich nannte (tatsächlich war er Hausierhändler), öfter weibliche Kanarienvögel, die im Volksmund „Sia“ genannt wurden, als männliche verkaufte, die bekanntlich im Gegensatz zu den Weibchen die Kunst des Gesangs beherrschen. So protestierten die geprellten Kanari-Liebhaber dagegen, dass ihnen Gnad ein stummes Weibchen für ein singendes Männchen andrehte, mit der Verleihung des Spitznamens. | |||
Kaum ein anderes Original war in Fürth in den Jahren vor dem | |||
In Wirklichkeit stammte Gnads richtiger Spitzname „Gnadnzieha“ aus seiner Schulzeit. Als er in die Schule einen Vogel mitbrachte, den er mit einem Nähfaden an einem Bein festhielt, wollte dieser durch das offene Fenster ins Freie gelangen. Die ganze Klasse schrie „Gnad zieh o“. Durch diese Begebenheit bekam er für sein ganzes Leben den Beinamen „Gnadnzieha“. Mit seiner Urwüchsigkeit fesselte er vor allem die Jugend auf den Straßen. | In Wirklichkeit stammte Gnads richtiger Spitzname „Gnadnzieha“ aus seiner Schulzeit. Als er in die Schule einen Vogel mitbrachte, den er mit einem Nähfaden an einem Bein festhielt, wollte dieser durch das offene Fenster ins Freie gelangen. Die ganze Klasse schrie „Gnad zieh o“. Durch diese Begebenheit bekam er für sein ganzes Leben den Beinamen „Gnadnzieha“. Mit seiner Urwüchsigkeit fesselte er vor allem die Jugend auf den Straßen. | ||
Zeile 35: | Zeile 34: | ||
:''Amen Seela<ref>Amen Sela = Die erste und letzte Zeile des phantasievollen Spruchs hat sich als ein Schlusswort des israelitischen Gottesdienstes erwiesen, das offensichtlich vom Gnadnsia irgendwann in Fürth aufgeschnappt wurde.</ref> Krebsscher. […]'' | :''Amen Seela<ref>Amen Sela = Die erste und letzte Zeile des phantasievollen Spruchs hat sich als ein Schlusswort des israelitischen Gottesdienstes erwiesen, das offensichtlich vom Gnadnsia irgendwann in Fürth aufgeschnappt wurde.</ref> Krebsscher. […]'' | ||
Einen schönen Rückblick auf das Leben des Fürther Originals lieferte der Ratsamtmann S. P. Erk (= Fritz Sperk) in einem Gedicht, das er nicht über ihn verfasste, sondern so, als wäre es von ihm. Dabei zieht Gnad als ´Philosoph´ über alle Neuerungen in Fürth um die 1910er Jahre her mit den neuen Häusern und „Palästen“. Damit meinte er das neue Wöchnerin- und Säuglingsheim, gleich daneben ein „Schulpalast“ für höhere Töchter, die Volksschulbäder (in die er natürlich nicht hineingehen möchte), ein neues Volksbildungsheim, das neue Theater und die Bedürfnishäusli (= „scheußli“). In denen traue er sich waß Gott nit nei! Und eine neue Müllverbrennung mit schöina Kehrichtkübl – da schaue er weg, sunst wird ihm übl. Sein Fazit: In Ferth is nimmer schöi – der Kutzer und der Holzer haben seine Vaterstadt umkrempelt, die Ferther seien zu nobl worn! | Einen schönen Rückblick auf das Leben des Fürther Originals lieferte der Ratsamtmann S. P. Erk (= Fritz Sperk) in einem Gedicht, das er nicht über ihn verfasste, sondern so, als wäre es von ihm. Dabei zieht Gnad als ´Philosoph´ über alle Neuerungen in Fürth um die 1910er Jahre her mit den neuen Häusern und „Palästen“. Damit meinte er das neue Wöchnerin- und Säuglingsheim, gleich daneben ein „Schulpalast“ für höhere Töchter, die Volksschulbäder (in die er natürlich nicht hineingehen möchte), ein neues Volksbildungsheim, das neue Theater und die Bedürfnishäusli (= „scheußli“). In denen traue er sich waß Gott nit nei! Und eine neue Müllverbrennung mit schöina Kehrichtkübl – da schaue er weg, sunst wird ihm übl. Sein Fazit: In Ferth is nimmer schöi – der [[Theodor Kutzer|Kutzer]] und der [[Otto Holzer|Holzer]] haben seine Vaterstadt umkrempelt, die Ferther seien zu nobl worn! | ||
Ich woar a Philosoph in Lebn, | Ich woar a Philosoph in Lebn, | ||
Zeile 48: | Zeile 47: | ||
Su hob i Kla und Grouß o´glugn. / | Su hob i Kla und Grouß o´glugn. / | ||
Die unter Stadt, dös woar mei Gäu, | Die unter Stadt, dös woar mei Gäu, | ||
Von Marktplatz bis zur Gaggelei | Von [[Marktplatz]] bis zur [[Gaggelei]] | ||
Hob ich hausiert mit Schouh und Schlappn, | Hob ich hausiert mit Schouh und Schlappn, | ||
Mit Schörznbändl, Knöpf, Flicklappn, | Mit Schörznbändl, Knöpf, Flicklappn, | ||
Zeile 58: | Zeile 57: | ||
Der Gnadnsieha wächst ka Spök – / | Der Gnadnsieha wächst ka Spök – / | ||
Dou hobn die Leut scho widder glacht: | Dou hobn die Leut scho widder glacht: | ||
Ich ober hob mei Gschäftla gmacht!<ref>Quelle: Sperk: Mit Pengetzwasser tauft, Sammelband vom Okt. 1937, Verlag Gebrüder Krauß, Fürth.</ref> | Ich ober hob mei Gschäftla gmacht!<ref>Quelle: Sperk: Mit Pengetzwasser tauft, Sammelband vom Okt. 1937, Verlag Gebrüder Krauß, Fürth.</ref> | ||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> |
Bearbeitungen