Bernhard Gnad

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Bernhard Johann Gnad (geb. 1822, gest. 13. September 1894 in Fürth) wurde als Fürther Original Gnadnsiea bekannt.

Gnad selbst bezeichnete sich als Kaufmann und Kunstdichter und verkaufte Kanarienvögel. Weibliche Kanarienvögel (die nicht singen!) heißen in Fürther Mundart "Siea", er gab sie oft als "Erli" (= Männchen) aus, um sie an den Mann zu bringen, daher der Spottname. Er verhökerte auch alte Kleider und verkaufte Lose. Diese Verkäufe begleitete er gerne mit selbstgemachten Versen. 1894 verstarb er 71-jährig.[1]

Kaum ein anderes Original war in Fürth in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg so populär, wie der Gnadnsia. Der seltsame Name, den ihm der Vormund gab, erklärte sich aus dem Familiennamen Gnad und daraus, dass der „Handelsmann Bernhard Gnad“ (1822–1894), wie er sich nannte (tatsächlich war er Hausierhändler), öfter weibliche Kanarienvögel, die im Volksmund „Sia“ genannt wurden, als männliche verkaufte, die bekanntlich im Gegensatz zu den Weibchen die Kunst des Gesangs beherrschen. So protestierten die geprellten Kanari-Liebhaber dagegen, dass ihnen Gnad ein stummes Weibchen für ein singendes Männchen andrehte, mit der Verleihung des Spitznamens.

In Wirklichkeit stammte Gnads richtiger Spitzname „Gnadnzieha“ aus seiner Schulzeit. Als er in die Schule einen Vogel mitbrachte, den er mit einem Nähfaden an einem Bein festhielt, wollte dieser durch das offene Fenster ins Freie gelangen. Die ganze Klasse schrie „Gnad zieh o“. Durch diese Begebenheit bekam er für sein ganzes Leben den Beinamen „Gnadnzieha“. Mit seiner Urwüchsigkeit fesselte er vor allem die Jugend auf den Straßen.

Der Gnadnsia war schon vom Erscheinungsbild her ein Aufsehen erregender Typ. Der Überlieferung nach schlurfte der Straßenhändler mit überdimensionalen, ausgelatschten Schuhen, in einer faltenreichen dunklen Hose dahin. Er trug ein dunkelweißes Hemd, darüber eine tief ausgeschnittene Weste und einen speckigen, bis zu den Knien reichenden Bratenrock in einer nicht mehr zu definierenden Farbe. Das graue, ungekämmte Wuschelhaar bedeckte ein alter, verbeulter Filzhut, unter dem ein Paar dunkle Augen listig hervorblinzelten. Der Gnadnsia hatte stets ein breites Lächeln, trug in der einen Hand einen Vogelkäfig mit mehreren Kanari darin. Über dem Arm hatte er ein paar abgetragene Kleidungsstücke, die er zum Kauf anbot. In einer Umhängetasche befanden sich allerlei Nähutensilien wie Wäscheknöpfe, Nähfaden, Nadeln, Stopfwolle und Fingerhüte. Damit ging er von Tür zu Tür und bot den Hausfrauen seine Waren mit folgenden Eigenbau-Versen an:

„Bin zu dir etz extra gloffn / dass d´wos kaffst, des will i hoffn,
lang frisch zou, bsinn di nit lang / i mach net gern an Metzgersgang.“

Für die Abende hatte der Handelsmann Gnad eine weitere Einnahmequelle aufgetan. Er ging in die Gaststätten und bot die damals herausgegebenen Kirchenbaulose an. Die Gäste sprach er ebenfalls in Reimen an, wenn er an den Tisch trat:

„Lass des Essn gout dir schmeckn / brauchst di nit vur mir verschteckn.
Kaaf a Kärnglous mir oh, nou werst ball a gmachter Mo.“

Mit seiner Verse-Schmiederei war der Gnadnsia auch bei den Dorfbewohnern im Fürther Umland bekannt und beliebt. Neben seinen Nähutensilien und launigen Reimen bot er auch bei Sterbefällen seine Dienste an. Im Einvernehmen mit den Hinterbliebenen schrieb er den Lebenslauf des Verstorbenen auf. Der Geistliche brauchte ihn dann nur noch zu verlesen. In der Stadt wurde der „Volksdichter“ ebenfalls in Anspruch genommen. Immer wieder wurde er beauftragt, den Text für Traueranzeigen und auch Nachrufen zu verfassen, die dann im „Fürther Tagblatt“ erschienen. Sein originellstes Reimprodukt, fast schon ein Morgenstern-Gedicht in Mundart, wurde durch glücklichen Zufall überliefert:

„Amen Seela Krebsscher / die Gens däi laafn barfäß.
Dou gäit der Babierkrong[2] in Gensberch naaf / und maand, er is geborng.
Begechnet ihm es Gschmiesla[3] / und sachd nern gudn Morng.
Amen Seela[4] Krebsscher. […]

Einen schönen Rückblick auf das Leben des Fürther Originals lieferte der Ratsamtmann S. P. Erk (= Fritz Sperk) in einem Gedicht, das er nicht über ihn verfasste, sondern so, als wäre es von ihm. Dabei zieht Gnad als ´Philosoph´ über alle Neuerungen in Fürth um die 1910er Jahre her mit den neuen Häusern und „Palästen“. Damit meinte er das neue Wöchnerin- und Säuglingsheim, gleich daneben ein „Schulpalast“ für höhere Töchter, die Volksschulbäder (in die er natürlich nicht hineingehen möchte), ein neues Volksbildungsheim, das neue Theater und die Bedürfnishäusli (= „scheußli“). In denen traue er sich waß Gott nit nei! Und eine neue Müllverbrennung mit schöina Kehrichtkübl – da schaue er weg, sunst wird ihm übl. Sein Fazit: In Ferth is nimmer schöi – der Kutzer und der Holzer haben seine Vaterstadt umkrempelt, die Ferther seien zu nobl worn!

Ich woar a Philosoph in Lebn, In Ferth houts leicht kann zweitn gebn. /

A Kaufmann woar i Nummera zwa Und drittns a Kunstdichter ah. / Und wenn i halt mei Sprüch hob gmacht, Hob ich die Leut zon Lachn bracht. /

Es hobn si oft die Balkn bugn, Su hob i Kla und Grouß o´glugn. / Die unter Stadt, dös woar mei Gäu, Von Marktplatz bis zur Gaggelei Hob ich hausiert mit Schouh und Schlappn, Mit Schörznbändl, Knöpf, Flicklappn, Hob Bröifpapöir, an ganzn Stouß Und Husntröger una ah Lous O´butn freunli, Stück für Stück: / „Secht, wer in Glück hockt, hockt in Glück Und wer in Drök hockt, hockt in Drök – Der Gnadnsieha wächst ka Spök – / Dou hobn die Leut scho widder glacht: Ich ober hob mei Gschäftla gmacht![5]

Einzelnachweise

  1. Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z, S. 276
  2. Babierkrong = Papierkragen. Aus heutiger Sicht muss man zu dieser „Unsinns-Lyrik“ bemerken, dass die Zeit der Papierkragen als Ersatz für den sog. "Vatermörder" aus gestärktem Leinen ebenso längst vorbei war.
  3. Die Chemisette (chemise = Hemd), zu Deutsch „Hemdbrust“ oder Brustlatz, wurde über dem Hemd getragen. Beim Gnad war es wohl vielmehr vor irgendein eventuell nicht mehr ganz sauberes Hemd geknöpftes um ein blütenweißes Leinen vorzutäuschen.
  4. Amen Sela = Die erste und letzte Zeile des phantasievollen Spruchs hat sich als ein Schlusswort des israelitischen Gottesdienstes erwiesen, das offensichtlich vom Gnadnsia irgendwann in Fürth aufgeschnappt wurde.
  5. Quelle: Sperk: Mit Pengetzwasser tauft, Sammelband vom Okt. 1937, Verlag Gebrüder Krauß, Fürth.

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