Spiegelfabriken: Unterschied zwischen den Versionen

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"Während im 18. Jahrhundert noch Nürnberg Mittelpunkt des Tafel- sowie Spiegelglashandels und Spiegelgeschäftes war, übernahmen an der Wende zum 19. Jahrhundert Fürther Kaufleute diese Position."<ref>Michael Müller: ''Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne'', S. 12. - [http://www.fuerther-freiheit.info/wp-content/uploads/2012/10/2012-10-03_glashuette-seligman-bendit.pdf zur pdf-Datei]</ref>
"Während im 18. Jahrhundert noch Nürnberg Mittelpunkt des Tafel- sowie Spiegelglashandels und Spiegelgeschäftes war, übernahmen an der Wende zum 19. Jahrhundert Fürther Kaufleute diese Position."<ref>Michael Müller: ''Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne'', S. 12. - [http://www.fuerther-freiheit.info/wp-content/uploads/2012/10/2012-10-03_glashuette-seligman-bendit.pdf zur pdf-Datei]</ref>


Die Spiegelherstellung im frühen 19. Jahrhundert erfolgte meist nicht in Fabriken, sondern in Heimarbeit, die folgendermaßen organisiert war: Der "Spiegelfabrikant" war ein Unternehmer, der die rohen Gläser bei z.B. böhmischen Glashütten kaufte, sie von den Schleifmühlen in der Umgebung schleifen und polieren ließ und sie dann zu den Arbeitern nach Hause lieferte. Dort wurden die Gläser von der ganzen Familie mit dem Quecksilber und der Zinnfolie belegt.<ref>''Ueber die Silberspiegelfabrication.'' In: Polytechnisches Journal 1860, Band 157, Nr. L. (S. 205–212) - [http://dingler.culture.hu-berlin.de/article/pj157/ar157050 zum online-Digitalisat]</ref>
Die Spiegelherstellung im 18. und frühen 19. Jahrhundert erfolgte zunächst nicht in Fabriken, sondern in Heimarbeit, die folgendermaßen organisiert war: Der "Spiegelfabrikant" war ein Unternehmer, der die rohen Gläser bei z.B. böhmischen Glashütten kaufte, sie von den Schleifmühlen in der Umgebung schleifen und polieren ließ und sie dann zu den Arbeitern nach Hause lieferte. Dort wurden die Gläser von der ganzen Familie mit dem Quecksilber und der Zinnfolie belegt.<ref>''Ueber die Silberspiegelfabrication.'' In: Polytechnisches Journal 1860, Band 157, Nr. L. (S. 205–212) - [http://dingler.culture.hu-berlin.de/article/pj157/ar157050 zum online-Digitalisat]</ref>
Die nötigen Zinnfolien wurden u.a. von der Fürther Firma [[Morgenstern]] geliefert und für das anschließende Rahmen "gab es in Fürth
Die nötigen Zinnfolien wurden u.a. von der Fürther Firma [[Morgenstern]] geliefert und für das anschließende Rahmen "gab es in Fürth
das eigenständige Berufsbild des [[Spiegelschreiner]]s".<ref>Gilbert Krapf: ''Spiegelglas für Fürth.'' In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S.5. - [http://geschichtsverein-fuerth.de/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=30 zur pdf-Datei]</ref>
das eigenständige Berufsbild des [[Spiegelschreiner]]s".<ref>Gilbert Krapf: ''Spiegelglas für Fürth.'' In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S.5. - [http://geschichtsverein-fuerth.de/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=30 zur pdf-Datei]</ref>
Erst nach und nach haben die Glasfabrikanten eigene Belegen und damit Spiegelfabriken i.e.S. etabliert.
Erst nach und nach haben die Glasfabrikanten eigene Belegen und damit Spiegelfabriken i.e.S. etabliert. 1886 gab es dann bereits 26 fabrikmäßig organisierte Belegen.<ref>Philipp Berlin: ''Die Bayerische Spiegelglasindustrie.'', 1909, S. 31. [https://ia601307.us.archive.org/5/items/diebayerischespi00berl/diebayerischespi00berl.pdf zum online-Digitalisat]</ref>


Die Blütezeit der Spiegelherstellung war im ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Adressbuch von 1891 wurden ganze 78 Spiegel- oder Spiegelnebenprodukte herstellende Firmen gelistet. "Im Adressbuch von 1895 werden [...] außerdem etwa 40 Rahmenhersteller sowie zehn Firmen, die sich mit dem Belegen der Gläser befasst haben [...]" genannt.<ref>Gilbert Krapf: ''Spiegelglas für Fürth.'' In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S.3. - [http://geschichtsverein-fuerth.de/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=30 zur pdf-Datei]</ref>
Die Blütezeit der Spiegelherstellung war im ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Adressbuch von 1891 wurden ganze 78 Spiegel- oder Spiegelnebenprodukte herstellende Firmen gelistet. "Im Adressbuch von 1895 werden [...] außerdem etwa 40 Rahmenhersteller sowie zehn Firmen, die sich mit dem Belegen der Gläser befasst haben [...]" genannt.<ref>Gilbert Krapf: ''Spiegelglas für Fürth.'' In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S.3. - [http://geschichtsverein-fuerth.de/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=30 zur pdf-Datei]</ref>

Version vom 2. März 2016, 23:38 Uhr

mit Spiegeln beladenes Pferdegespann

Die Spiegelherstellung und -verarbeitung war und ist noch heute ein sehr wichtiges Gewerbe in Fürth. Fürth war die Stadt der Spiegel.

Im Volksmund werden die Fürther deshalb manchmal heute noch "Glasschleifer" genannt. Auch das "Glasscherbenviertel", in dem vor allem die Arbeiter der Hofspiegelfabrik N. Wiederer & Co. wohnten, erinnert noch an die Bedeutung der Spiegelherstellung in Fürth.

Seit 2007 steht ein neun Meter hohe Spiegelsäule in der Konrad-Adenauer-Anlage in Erinnerung an die traditionsreiche Fürther Spiegelindustrie.

Geschichte

"Während im 18. Jahrhundert noch Nürnberg Mittelpunkt des Tafel- sowie Spiegelglashandels und Spiegelgeschäftes war, übernahmen an der Wende zum 19. Jahrhundert Fürther Kaufleute diese Position."[1]

Die Spiegelherstellung im 18. und frühen 19. Jahrhundert erfolgte zunächst nicht in Fabriken, sondern in Heimarbeit, die folgendermaßen organisiert war: Der "Spiegelfabrikant" war ein Unternehmer, der die rohen Gläser bei z.B. böhmischen Glashütten kaufte, sie von den Schleifmühlen in der Umgebung schleifen und polieren ließ und sie dann zu den Arbeitern nach Hause lieferte. Dort wurden die Gläser von der ganzen Familie mit dem Quecksilber und der Zinnfolie belegt.[2] Die nötigen Zinnfolien wurden u.a. von der Fürther Firma Morgenstern geliefert und für das anschließende Rahmen "gab es in Fürth das eigenständige Berufsbild des Spiegelschreiners".[3] Erst nach und nach haben die Glasfabrikanten eigene Belegen und damit Spiegelfabriken i.e.S. etabliert. 1886 gab es dann bereits 26 fabrikmäßig organisierte Belegen.[4]

Die Blütezeit der Spiegelherstellung war im ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Adressbuch von 1891 wurden ganze 78 Spiegel- oder Spiegelnebenprodukte herstellende Firmen gelistet. "Im Adressbuch von 1895 werden [...] außerdem etwa 40 Rahmenhersteller sowie zehn Firmen, die sich mit dem Belegen der Gläser befasst haben [...]" genannt.[5]

Etliche Firmen expandierten: Im Jahre 1872 erbaute z.B. der Glasunternehmer Winkler in Windischeschenbach eine eigene Glashütte. "1893 verlegte die Firma auch ihre Silberspiegelfabrik dorthin, beließ aber den Firmensitz in Fürth. 1882 errichteten Krailsheimer und Miederer aus Fürth eine Glasfabrik in Mitterteich."[6] 1887 errichtete die Firma Seligman Bendit & Söhne eine Glashütte in Marktredwitz.

"Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts aufkommende technisch-innovatorische, wettbewerbliche und politische Veränderungen brachten dann Verwerfungen für die überkommenen Geschäftsmodelle. Diese führten zu einem schleichenden Niedergang der Branche in Bayern und damit in Fürth."[7]

Herstellung der Spiegel

  • Ursprünglich wurden "Quecksilberspiegel" hergestellt: Dafür übergoss man eine auf dem Belegtisch ausgebreitete dünne Zinnfolie mit Quecksilber, verstreicht dieses vorsichtig "zuerst mit einem Hasenfuß, dann mit einer Rolle von Flanell"[8] und legte darauf die Glasplatte. Aus den beiden Metallen entstand eine stabile und fest haftende Quecksilberlegierung, ein Amalgam. Überschüssiges Quecksilber floss nach den Seiten hin über Rinnen ab, wurde aufgefangen und wiederverwendet. Allerdings ist Quecksilber hochgiftig und führte bei den Arbeitern und Arbeiterinnen zu häufigen Erkrankungen und einer hohen Sterblichkeit. So schrieb das Polytechnische Journal bereits 1860: "Wenn man die bejammernswürdigen Gestalten der zahlreichen Arbeiter und ihrer Familien in Fürth und der Umgegend von Nürnberg gesehen hat, die ihre Gesundheit durch das gewöhnliche Belegverfahren der Spiegelgläser mit Quecksilber eingebüßt haben und die einem frühen Tode oder hülflosen Alter entgegensiechen, so wird man von Mitleiden ergriffen."[9] Daher kam es 1886 zum Verbot von Quecksilberspiegeln.
  • In der Zwischenzeit hatte der deutsche Chemiker Justus von Liebig eine neue Methode der Spiegelherstellung entdeckt: Er fand heraus, dass sich beim Vermischen von Aldehyd und Silbernitrat eine Silberschicht an der Glaswand abscheidet. So konnten in der Folgezeit "Silberspiegel" hergestellt werden.

Belegen

Im Jahre 1857 gab es in Fürth 38 Belegen, also Firmen, die das Quecksilberamalgam auf die Glasplatten aufbrachten. In diesen Firmen gab es insgesamt ca. 110 Belegtische und 220 Arbeiter.[10] 12 dieser Belegen gehörten Fürther Glasfabrikanten und zwar:

  • J. Bach
  • Bendit und Söhne
  • Berlin und Ehrmann
  • M.J. Büchenbacher
  • Fleischmann
  • A. Frankenthal
  • L.H. Gostorffers Erben
  • L. Heilbronn
  • J. Offenbacher
  • J. Lehmann
  • K. Weinschenk
  • J.G.L. Winkler

Bekannte Fürther Spiegel- und Glas-Fabriken (Auswahl)

Literatur

  • Kilian, Georg: Einiges über Glas und Tafelglas. In: Fürther Heimatblätter, 1961/4, S.167 - 176
  • Müller, Bernhard: Aus der Geschichte der bayerischen Glasindustrie. In: Fürther Heimatblätter, 1961/4, S.177 - 182
  • „Ordnung und Articul denen Glaßer Meistern in dem Marckh-Flecken u. Ambt Fürth ertheilt den 3. Februar Anno 1727“. In: Fürther Heimatblätter, 1961/4, S.183 - 187
  • Spiegel. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 342
  • Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, 1/2006, S.2 - 25
  • Michael Müller: Seligman Bendit & Söhne. Spiegelglas- und Fensterglas-Fabriken. In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2006, S.51 - 75 und 3/2006, S.91 - 112

Lokalberichterstattung

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Michael Müller: Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne, S. 12. - zur pdf-Datei
  2. Ueber die Silberspiegelfabrication. In: Polytechnisches Journal 1860, Band 157, Nr. L. (S. 205–212) - zum online-Digitalisat
  3. Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S.5. - zur pdf-Datei
  4. Philipp Berlin: Die Bayerische Spiegelglasindustrie., 1909, S. 31. zum online-Digitalisat
  5. Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S.3. - zur pdf-Datei
  6. Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S.8. - zur pdf-Datei
  7. Michael Müller: Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne - zur pdf-Datei
  8. J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57. - zum online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek
  9. Ueber die Silberspiegelfabrication. In: Polytechnisches Journal 1860, Band 157, Nr. L. (S. 205–212) - zum online-Digitalisat
  10. J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57, S. 18. - online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek

Weblinks

  • o.N.: Ueber die Silberspiegelfabrication. In: Polytechnisches Journal 1860, Band 157, Nr. L. (S. 205–212) - zum online-Digitalisat
  • Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. Glashütten, Schleif- und Polierwerke im 18. und 19. Jahrhundert In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006. - zur pdf-Datei
  • Michael Müller: Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne - zur pdf-Datei
  • J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57. - zum online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek (genaueste Beschreibung der Spiegelglas- und Spiegelherstellung)