Kinderspital: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 27. Januar 2024, 00:18 Uhr

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Das ehemalige Kinderspital in der Theresienstraße 30 in Fürth (Quelle: Klinikum Fürth)
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Das Kinderspital (ehem. Krippenanstalt) wurde 1878 bis 1889 in der Theresienstraße für den protestantischen St. Johannis-Zweigverein gebaut und in den folgenden Jahrzehnten mehrfach umgebaut und erweitert. Die Einrichtung diente zur medizinischen Versorgung von kranken Kindern ab 2 Jahren - in strenger Abgrenzung zum Nathanstift, das der Bevölkerung für Entbindungen und Behandlung von Kindern bis zum 2. Lebensjahr zur Verfügung stand.


Gründungsjahre

Die Gründung des St. Johannis-Zweig-Vereins in Fürth erfolgte 1854 überkonfessionell. Dies geschah nicht zuletzt auf Anregung von König Maximilian II im Jahr 1853, in dem er die Bevölkerung dazu aufrief, freiwillige Armenpflege zu leisten, z.B. durch die Gründung solcher Vereine. Seinem Wunsch, Zweig-Vereine im ganzen Königreich zu gründen, kamen unter anderem in Fürth der katholische Stadtpfarrer Zahnleitner, der Kaufmann Salomon Berolzheimer und der Oberrabbiner Dr. Loewi nach. Allerdings konzentrierten sich ihre Aktivitäten schon sehr bald auf die Pflege von Kindern. Ziel und Zweck des Vereines war: … zu vermeiden, daß die Kinder arbeitender und kranker Mütter gesundheitlich und moralisch verwahrlosten… [1]

Unter tatkräftiger Mitwirkung des königlichen Kreis- und Gerichtrates Dr. Wolfring und des künftigen Chefarztes Dr. Wilhelm Hedrich eröffnete am 2. Juni 1856 in dem Privathaus des Getreideunterhändlers Friedrich Breitenbach [2] - im sog. Dockelesgarten - der damaligen Schlehengasse 150,I (später Schlehenstraße 1 ½ (ehemals)) die erste Kleinkinder-Krippenanstalt.[3] In den ersten Jahren wurden bis zu 18 Kinder nur während des Tages verpflegt. Ab 1858 wurde auch die Nachtpflege eingeführt. Bereits nach wenigen Jahren wurden durchschnittlich 80 bis 90 Kinder pro Tag betreut, davon bis zu einem Drittel auch nachts. Diese „Nachtkinder“ waren hauptsächlich Waisenkinder oder Kinder von erkrankten Müttern. Um der Anstalt ein eigenes Heim zu verschaffen, wurde 1868 ein Anwesen in der Hirschenstraße (Haus-Nr. 21) erworben, und 1879 ein neues Gebäude errichtet.[4]

1859 konnte auf Betreiben des Gerichtsarztes Dr. Mair das erste Kinderspital eröffnet werden.

Kranke Kinder aus der Krippe, aber auch andere erkrankte Kinder wurden zunehmend auf der Krankenstation der Kinderkrippe aufgenommen, die ursprünglich von den Schwestern für Pfleglinge eingerichtet worden war. Die exponentielle Zunahme von kranken Kindern in der Krippe führte alsbald zu dem Bau eines Kinderspitals in der Theresienstraße.

Eröffnung Kinderspital

Innenansicht Kinderspital, ca. 1942

Am 15. September 1889 fand die feierliche Eröffnung statt.[5] Die Baukosten beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 35.654 Mark ohne Einrichtungsgegenstände. Das Gebäude war somit ursprünglich als Entlastung der benachbarten Krippe gedacht. Im Laufe der Zeit entstand aber auch als neues Ziel das Bestreben, durch die Aufnahme der kranken Kinder die Geschwister vor Infektionen zu schützen (Eingrenzung von Epidemien), und die Familie von der oft belastenden Pflege zu befreien. Bereits im Jahr der Eröffnung wurde das Kinderspital auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Durch eine schwere Diphterie-Epidemie im Winter 1889/90 wurde das Spital bis an seine Leistungsgrenze in Anspruch genommen. Von 39 mit Diphterie aufgenommen Kindern überlebten diese Zeit lediglich 17 Kinder. 22 Kinder starben während des Aufenthaltes, was allerdings die Akzeptanz des Spitals in der Bevölkerung nicht schmälerte. In den laufenden Jahrzehnten wurde das Kinderspital immer wieder umgebaut und erweitert z.B. während des 2. Welkrieges. Hier baute der Fürther Architekt Richard Kohler den Keller vor dem Gebäude zu einem Lufstchutzkeller aus. Letztmalig wurde das Gebäude 1957 umgebaut. Das Kinderspital bot gegen Ende 1950 130 aufgestellte Betten zur Versorgung von kranken Kindern.

Nachkriegszeit

Kinderspital, Theresienstraße 30, ca. 1950

Analog dem Nathanstift, hatte auch das Kinderspital gegen Ende der 1950er Jahre viele unverkennbare Probleme. Neben dem chronischen Geldmangel und der völligen Überbelegung machte sich die „Flickschusterei“ der letzten Jahrzehnte bemerkbar. In einer Begehung des Gesundheitsamtes der Stadt Fürth am 16. Oktober 1962 hielt der Regierungsmedizinalrat Dr. Horst Schmidt folgendes in einem Aktenvermerk fest: … Trotz dieser Maßnahmen (Umbau und Erweiterung 1956) bleibt noch viel zu veranlassen, wenn die krankenhaus-hygienischen Belange gewahrt bleiben sollen. So liegt der Operationsraum unmittelbar neben dem Haupteingang außergewöhnlich ungünstig. Der gesamte Verkehr bewegt sich am OP-Raum vorbei…. Die einzelnen Stationen des Haupthauses sind nur über schmale Treppenaufgänge erreichbar. Im Falle eines Brandes dürften bei der Räumung dadurch Schwierigkeiten zu erwarten sein. Ein Krankenhausaufzug fehlt. Frisch operierte Kinder müssen von den Schwestern über die schmale Treppe in das erste und zweite Stockwerk getragen werden. Ganz abgesehen von der körperlichen Belastung der Schwestern kann ein derartiger Transport von Frischoperierten nicht gutgeheißen werden… Die Stationen verfügen nicht über die notwendigen Funktionsräume. Ein ärztliches Untersuchungszimmer fehlt…. Die auf dem Gang eingerichtete Geschirrspüle ist mit hygienischen Grundsätzen schwerlich zu vereinbaren…. Insgesamt besteht der Eindruck, dass die einzelnen Krankenzimmern überbelegt sind.[6]

Zeitzeugenbericht

1956 kam ich mit 8 Jahren nach einem herzhaften Sprung in einen Flaschenboden mit gemeinen Glasspitzen im Bucher Landgraben bei Stadeln bei dem alle Sehnen in der Fußsohle durchtrennt wurden ins Kinderspital in die Theresienstraße. Bei der Anmeldung im EG war so ein intensiver Küchenduft, der zeigte, die Küche ist nicht weit. Es war wirklich ein sehr überschaubares, kleines Spital. Über die schmale Treppe kam man im 1. und 2. Stock in einen größeren Raum mit ca. 8 Betten für Jungs mit einem Zugang zu den daneben befindlichen großen Mädchen Saal mit auch 8-10 Betten. Zwischen beiden Abteilungen war eine große Glasscheibe in der Trennwand wie auf der Postkarte von 1942 unter „Bilder“ gut ersichtlich ist. In den großen Krankensaal mit 3 Fenster zur Theresienstraße hin wurde ich an der Glaswand zu den Mädchen einquartiert. Auf der anderen Schmalseite meines Krankenraumes ging es direkt in einen Raum mit WC und einer Wanne. Das baden der nicht gehfähigen Kinder ging in der Weise von sich, indem sie im Bett ausgezogen wurden und splitterfasernackt unter den Gejohle der Zimmernachbarn in das Badezimmer getragen wurde. Dass auch manche Mädchen im Nebenraum durch das große Trennfenster dies mitbekamen, machte es für uns „Betroffenen“ noch peinlicher (ein Königreich für einen Armbruch…). Das Grundgesetz war eben noch blutjung, der Artikel 1 noch nicht so bekannt und wir waren eigentlich noch keine richtigen Menschen, nur Kinder… Es gab einige Isolierzimmer für an Scharlach und Masern erkrankte Kinder (darunter meine Frau mit 4 Jahre 1951), da diese Krankheiten noch zahlreich im Stadtgebiet auftraten. Von den Schwestern wurde jeder Abend mit einem gemeinsamen Lied wo alle mitsangen wie „Der Mond ist aufgegangen…“ abgeschlossen und die Nachtruhe folgte. Was für mich heute noch an die schönen Momente im alten Kinderspital erinnert, die es auch gab…… Norbert Pietsch


Neubau des Kinderspitals - jetzt Kinderklinik

Trotz aller Erschwernisse und Erkenntnisse über die Missstände im Kinderspital (und ähnlichen Problemen im Nathanstift in der Tannenstraße[7]) und dessen Notwendigkeit eines bzw. mehrerer Neubauten am Stadtkrankenhaus konnte sich die Stadt Fürth zunächst nicht dazu durchringen einen Neubau anzustreben. Unstrittig bei allen Entscheidungen war lediglich die Tatsache, dass wenn überhaupt künftig Neubauten entstehen, diese auf dem Grundstück des Stadtkrankenhauses erfolgen sollen, um so die Synergieeffekte und Rationalisierungspotentiale voll ausschöpfen zu können. Erste Schritte zur Rationalisierung wurden bereits 1954 vorgenommen, in dem die Verwaltung und die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung der Beschäftigten im Nathanstift durch das Städt. Krankenhaus abgewickelt wurde.

Im Vordergrund: Die "neue Kinderklinik" bei der Fertigstellung ca. 1970, im Hintergrund das Klinikum Fürth vor dem Umbau

Strittig war vielmehr zunächst eine fachliche Auseinandersetzung der medizinischen Disziplinen darüber, ob eine Trennung der Wöchnerinnen- und Säuglingsabteilung als Organisationseinheit erstrebenswert ist, oder ob die Entbindungsklinik unmittelbar mit einer Säuglingsklinik zusammengehört. Die damit verbundene Frage – ob es künftig auch weiterhin zwei voneinander getrennte Gebäudeeinheiten mit einer fachlichen Trennung geben soll – wurde von den beteiligten Personen unterschiedlich gesehen und erschwerte somit eine politische Diskussion und deren Entscheidung bzgl. der weiteren Vorgehensweise. Die fachliche Meinung vieler Mediziner dieser Zeit war eher die Verbindung bzw. die Integration der Entbindungskliniken innerhalb der Kinderkrankenhäuser und somit gegen eine Verselbständigung von Entbindungskliniken.[8]

Neben all der fachlichen Diskussion gab es selbstverständlich auch immer eine andere Diskussion, die auch nach wie vor für heutige Großbauten gilt, nämlich die Frage nach der Finanzierung. In einem Schreiben vom 30. Juli 1962 schrieb das Staatsministerium des Innern an die Stadt Fürth: Das Ministerium begrüßt daher, daß die Stadt eine Gesamtplanung aufgestellt hat, um so die betrieblichen Zusammenhänge in den Grundzügen festzulegen…. Als vordringlichste Maßnahme erscheint der Neubau der Entbindungs- und Säuglingsklinik sowie des Kinderkrankenhauses (Kinderspital). Diese wurden daher auch in den ersten Bauabschnitt aufgenommen.[9] Obwohl das Kinderkrankenhaus ausdrücklich durch das Ministerium in den ersten Bauabschnitt mit aufgenommen wurde, klammerte die Stadt Fürth den Neubau in der Detailplanung zunächst mit Rücksicht auf die allgemeine Finanzlage der Stadt Fürth aus. Die ersten Schätzungen vom Frühjahr 1962 ergaben für das neue Nathanstift, der Säuglingsklinik und einem Schwesternwohnheim die stolze Summe von 7.117.000 Mark.

Als einer der ersten Neubauten auf dem Gelände des Städt. Krankenhauses wurde am 18. Dezember 1967 die neue Geburtshilfe-Abteilung an den ärztlichen Leiter Prof. Dr. Denecke des Krankenhauses und dem neu im Amt befindlichen Chefarzt der Frauenklinik Dr. Hahn übergeben. Die Kostenexplosion von ursprünglich geplanten 7 Millionen DM auf über 10 Millionen DM waren erst ein Vorgeschmack auf noch kommende Kostensteigerungen, die zum damaligen Zeitpunkt in ihrer Gänze noch nicht abzusehen waren. Der Stadtbaurat Schneider verhehlte während des Festaktes vor knapp 100 Festgästen nicht, dass die eingeschalteten und freischaffenden Architekten hinsichtlich der Genauigkeit ihrer Kostenschätzung so manchen Wunsch offen ließen.[10]

Mit der offiziellen Einweihung am 10. Januar 1969 konnte ab März der Umzug in die neuen Räumlichkeiten der Kinderklinik von der ehem. Theresienstraße vollzogen werden. Während sich hier noch die Medien mit der allgemeinen Kritik zurück hielten und bzgl. der neuen Räume vollen Lobes waren, konnte man in der darauffolgenden Berichterstattung bereits eine Kritik laut herauslesen: von den ursprünglich geschätzten 7 Millionen DM Kosten belief sich gegen Ende der Bauarbeiten die Kosten auf über 12,5 Millionen DM – somit also um mehr als 5 Millionen – und dabei handelt es sich nur um einen Schätzbetrag, so der damalige Stadtbaurat Schneider.

Heutige Nutzung

Vor dem Umbau - ehem. Kinderspital in der Theresienstraße 30. Bild von Jan. 2008

Nach dem Umzug des Kinderspitals auf das Gelände des heutigen Klinikums bezog die Arbeiterwohlfahrt (AWO) das ehem. Kinderspital. Später wurden die Gebäude als Altenheim genutzt, in der Nachkriegszeit ein Anbau hochgezogen und in den vergangenen Jahren wohnten vornehmlich sozial schwache Mieter in der Theresienstraße. Nachdem der St.-Johannis-Verein mit der Sanierung der Gebäude überfordert war, bot er das Anwesen den Fürther Wohlfahrtsverbänden an. Nur die AWO-Stiftung wollte sich dem Anwesen zuwenden. Ein im Jahr 2005 gegründeter Verein, der "Anders Wohnen Verein Fürth e. V.", arbeitete mit der AWO-Stiftung das Konzept des "Allen gerechten Wohnens" aus. So wurde aus dem einstigen Kinderhospital ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt mit 15 Wohnungen, einem Musikübungsraum, Fitnessraum sowie einem Veranstaltungsraum. Das Anwesen der Theresienstraße gibt heute auch der Kulturbrücke ein neues Zuhause.

Die 1969 bezogene Kinderklinik auf dem Gelände des Klinikums stand seit 2002 weitestgehend leer, sie wurde schließlich 2016 abgerissen. In der Endphase befanden sich nur im Erdgeschoss diverse medizinische Dienste und CLINC - Kreativ und Kunst Centrum, ein Ateliergemeinschaft mit verschiedenen Künstlern aus Fürth. Letztere belegten seit Mitte 2013 nahezu vollständig das Erdgeschoss. Die heutige Kinderklinik existiert seit 2002 in einem neuen Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Klinikumgeländes.

Beschreibung des Baudenkmals

Dreigeschossiger Satteldachbau mit durch Pilaster gegliederter Sandsteinfassade, rustiziertem Erdgeschoss und Zahnschnittfries an der Traufe, Neurenaissance von Josef Bleschart, 1878-83.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eva-Marie Platz: Von der Kinderkrippe zur Kinderklinik, 1981, S. 10 f.
  2. siehe dazu Adressbuch der Stadt Fürth von 1857, Seite 9; neben dem Wirt "Zur Stadt Nürnberg" Johann Peter Gruber wird ebenso die Krippenanstalt aufgeführt
  3. Fronmüllerchronik, 1887, S. 303 ff
  4. Georg Wüstendörfer: Wanderungen durch Fürth, 1898, S. 97
  5. Allgemeine Zeitung Nr. 260/1889 vom 19. Sept. 1889 - online
  6. Akte Klinikum Fürth, Pflegesätze Sammlung, Nr. II/9 – 3522 e 29 Betreff Ausbildung von Kinderkrankenschwestern am Nathanstift in Fürth 1962, S. 1
  7. Klinikum Fürth, Protokolle des Stiftungsrates der Nathanstiftung, 12. Sitzung vom 18.12.1954
  8. Akte Klinikum Fürth, Rundschreiben Verwaltung 1952-1968, Betriff Neubau des Nathanstift auf dem Krankenhausgelände vom 19.06.1963, S. 3
  9. Akte Klinikum Fürth, Rundschreiben Verwaltung 1952-1968, Betriff Neubau des Nathanstift auf dem Krankenhausgelände vom 19.06.1963, S. 1
  10. Fürther Nachrichten, Nagelneues Haus für nagelneue Säuglinge, 19.12.1967, S. 13 f.

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