Würzburger Straße 49: Unterschied zwischen den Versionen

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Das durch die [[Würzburger Straße]] im Norden und die [[Hardstraße]] im Süden begrenzte Gebiet im Nordwesten der Fürther Altstadt wurde Mitte der 1870er Jahre erschlossen und in Bauplätze aufgeteilt. Die Bauplätze wurden zunächst von der Bevölkerung nicht so wie gewünscht angenommen, sodass die Grundstücke meist im Besitz der Eigentümer blieben und als landwirtschaftliche Fläche oder Gartenanlage genutzt wurden. Auch die Anlage eines Stadtparkes wurde von Seiten der Stadt wieder als Idee verworfen.  
Das durch die [[Würzburger Straße]] im Norden und die [[Hardstraße]] im Süden begrenzte Gebiet im Nordwesten der Fürther Altstadt wurde Mitte der 1870er Jahre erschlossen und in Bauplätze aufgeteilt. Die Bauplätze wurden zunächst von der Bevölkerung nicht so wie gewünscht angenommen, sodass die Grundstücke meist im Besitz der Eigentümer blieben und als landwirtschaftliche Fläche oder Gartenanlage genutzt wurden. Auch die Anlage eines Stadtparkes wurde von Seiten der Stadt wieder als Idee verworfen.  


Eines der ersten errichteten Gebäude in dem Areal aus Sandstein war die einstöckige Villa mit der ursprünglichen Adresse [[Diebsteig]] 10. Das Gebäude wurde von dem Fürther Baupalier [[Wilhelm Horneber]] für den Schneidermeister Josef Körmeier geplant und gebaut. <ref>Bauregistratur Fürth, Bauakten der Würzburger Straße 49</ref> Das Gebäude hatte im Erdgeschoss alle lebensnotwendigen Räume. leidglich im Satteldach wurde eine Schlafkammer ausgebaut. Im Jahr 1876 entstand auf dem Grundstück etwas abseits vom Gebäude ein kleines Bade- und Waschhaus.<ref>Stadt Fürth, Bauarchiv Fürth, Bauakte Würzburger Straße 49</ref> Im Zuge eines Insolvenzverfahrens musste die Ehefrau Körmeiers, vermutlich durch den Tod des Eigentümers, das Anwesen im Jahr 1878 an die Privatbank [[Hirschmann und Kitzinger]] verkaufen. Die beiden Eigentümer des Bankhauses [[Friedrich Hirschmann]] und [[Samuel Kitzinger]] nutzten das Gebäude fortan als Sommerhaus für sich und ihre Familien. Samuel Kitzingers Sohn Wilhelm schreibt dazu 1943 in seinen Erinnerungen:
Eines der ersten errichteten Gebäude in dem Areal aus Sandstein war die einstöckige Villa mit der ursprünglichen Adresse [[Diebsteig]] 10. Das Gebäude wurde von dem Fürther Baupalier [[Wilhelm Horneber]] für den Schneidermeister Josef Körmeier geplant und gebaut. <ref>Bauregistratur Fürth, Bauakten der Würzburger Straße 49</ref> Alle für den als Sommerferienwohnsitz benötigten Räume waren im Erdgeschoss errichtet, lediglich im Satteldach wurde eine Schlafkammer ausgebaut. Im Jahr 1876 entstand auf dem Grundstück etwas abseits vom Gebäude ein kleines Bade- und Waschhaus.<ref>Stadt Fürth, Bauarchiv Fürth, Bauakte Würzburger Straße 49</ref> Im Zuge eines Insolvenzverfahrens musste die Ehefrau Körmeiers, vermutlich durch den Tod des Ehemanns, das Anwesen im Jahr 1878 an die Privatbank [[Hirschmann und Kitzinger]] verkaufen. Die beiden Eigentümer des Bankhauses [[Friedrich Hirschmann]] und [[Samuel Kitzinger]] nutzten das Gebäude fortan als Sommerhaus für sich und ihre Familien. Samuel Kitzingers Sohn Wilhelm schrieb dazu 1943 in seinen Erinnerungen:


:''Die Villa war ein bescheidenes, einstöckiges Wohnhaus, das in der Mitte des fast 2 Hektar großen, terrassenförmig angelegten Gartens stand. Sie lag außerhalb der Stadt an der Würzburger Straße, ungefähr zwanzig Minuten Gehzeit von der Stadtmitte entfernt auf sanft ansteigender Anhöhe am linken Ufer der Regnitz. Der Garten wurde als Blumen-, Obst- und Gemüsegarten gehalten, hatte zahlreiche Obstbäume und Sträucher, ein Teil der Fläche war Ackerland; zwei Springbrunnen, schattige Plätzchen, Lauben und Pavillon, sowie ein Turnplatz waren vorhanden oder wurden nach und nach errichtet. Die Pflege des Gartens oblag gewöhnlich einem Pächter, für dessen Familie ein kleines Nebenhaus mit Kuhstall vorhanden war, auch eine Scheune mit Dreschboden wurde für diesen gebaut. Regelmäßig wurde die Villa im Mai bezogen und im September wieder verlassen.''<ref>Aus: Wilhelm Kitzinger: ''Familienerinnerungen'', Tel Aviv 1943 - [https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=IE8409783 online]</ref>  
:''Die Villa war ein bescheidenes, einstöckiges Wohnhaus, das in der Mitte des fast 2 Hektar großen, terrassenförmig angelegten Gartens stand. Sie lag außerhalb der Stadt an der Würzburger Straße, ungefähr zwanzig Minuten Gehzeit von der Stadtmitte entfernt auf sanft ansteigender Anhöhe am linken Ufer der Regnitz. Der Garten wurde als Blumen-, Obst- und Gemüsegarten gehalten, hatte zahlreiche Obstbäume und Sträucher, ein Teil der Fläche war Ackerland; zwei Springbrunnen, schattige Plätzchen, Lauben und Pavillon, sowie ein Turnplatz waren vorhanden oder wurden nach und nach errichtet. Die Pflege des Gartens oblag gewöhnlich einem Pächter, für dessen Familie ein kleines Nebenhaus mit Kuhstall vorhanden war, auch eine Scheune mit Dreschboden wurde für diesen gebaut. Regelmäßig wurde die Villa im Mai bezogen und im September wieder verlassen.''<ref>Aus: Wilhelm Kitzinger: ''Familienerinnerungen'', Tel Aviv 1943 - [https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=IE8409783 online]</ref>  


Die Pflege des Gartens, der inzwischen auch kleine landwirtschaftliche Anteile mit Obst und Gemüse hatte, wurde größtenteils durch einen Pächter versorgt. Im Jahr 1881 wurde das Waschhaus als kleines Wohnhaus umgebaut und um einen Stall ergänzt. Zusätzlich wurde 1882 eine Holzremise errichtet mit Dreschboden errichtet, sowie 1889 mit einem Gewächshaus erweitert. Im Todesjahr Samuel Kitzingers im Jahr 1903 und dem altersbedingten Rückzug Friedrich Hirschmanns aus dem operativen Geschäft der Bank ging das Anwesen an die nächste Generation der Familie weiter. Beide Bankiers hatten zusammen insgesamt acht Kinder, die inzwischen mit ihrer späteren eigenen Familie erneut das Gelände samt Gebäude als Sommersitz nutzten. Ab 1910 erfuhr das Grundstück erneut eine bauliche Veränderung. So wurden nach den Plänen der örtlich ansässigen Architekten Perlinger & Rogler unter der Federführung der Söhne Gabriel Kitzinger und Carl Hirschmann weitere Gebäude errichtet.<ref>Sädtebilder-Verlag (Hg.): Die Häuser von Peringer und Rogler in Fürth, Fürth 2018</ref>  
Die Pflege des Gartens, der inzwischen auch kleine landwirtschaftliche Anteile mit Obst und Gemüse hatte, wurde größtenteils durch einen Pächter versorgt. Im Jahr 1881 wurde das Waschhaus als kleines Wohnhaus umgebaut und um einen Stall ergänzt. Zusätzlich wurde 1882 eine Holzremise mit Dreschboden errichtet, sowie 1889 mit einem Gewächshaus erweitert. Im Todesjahr Samuel Kitzingers im Jahr 1903 und dem altersbedingten Rückzug Friedrich Hirschmanns aus dem operativen Geschäft der Bank ging das Anwesen jeweils an die nächste Generation der Familien weiter. Beide Bankiers hatten zusammen insgesamt acht Kinder, die inzwischen mit ihrer späteren eigenen Familien erneut das Gelände samt Gebäude als Sommersitz nutzten. Ab 1910 erfuhr das Grundstück erneut eine bauliche Veränderung. So wurden nach den Plänen des örtlich ansässigen [[Architekturbüro Peringer und Rogler]] unter der Federführung der Söhne Gabriel Kitzinger und Carl Hirschmann weitere Gebäude errichtet.<ref>Sädtebilder-Verlag (Hg.): Die Häuser von Peringer und Rogler in Fürth, Fürth 2018</ref>  


Mit der Übernahme der Privatbank [[Hirschmann und Kitzinger]] durch die Commerzbank im Jahr 1918 ging das Anwesen in den Privatbesitz der beiden Familien über und wurde unter den Erben aufgeteilt. Die eine Hälfte des Grundstücks mit der Adresse [[Würzburger Straße 51]] ging an Carl Hirschmann, die andere mit der Nummer 49 an Dr. Gabriel Kitzinger. Mit dessen Umzug nach Nürnberg in den 1920er Jahren vermietete er die Villa an den befreundeten Fürther Fabrikbesitzer [[Ernst Rosenfelder]]. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ab 1933 wurde der Druck auf die jüdischen Bankhausbesitzer zunehmend größer. Im Sommer 1937 wurden die Familien Carl Hirschmann und Gabriel Kitzinger von ihrem Posten als Bankdirektoren der Commerzbank-Filialen in Nürnberg und Fürth enthoben, das Eigentum - darunter auch die Grundstücke Würzburger Straße 49 und 51 von Seiten der Stadtverwaltung zwangsarisiert - und zu völlig marktunüblichen günstigen Preisen weiterveräußert. Käufer der Grundstücke war der Großkaufmann [[Georg Roth]], der neben seinen Lebensmittelläden in der Umgebung auch sein Wohnhaus in unmittelbarer Nähe hatte - Würzburger Straße 196. Die Familie Hirschmann konnte noch rechtzeitig im November 1937 in die USA emigrieren und entging somit einer Deportation und dem sicheren Tod. Die Ehefrau Carl Hirschmanns, Alice Hirschmann, gab 1973 nach dem Tod ihres Ehemanns an, dass der Verkauf des Hauses an die Familie Roth zu einem fairen Preis erfolgt sei.<ref>The Suzanne Statland Collection in Holocaust Studies, Transcript des Interviews von Alice Hirschmann und Suzanne Statland, Kansas City 1973, S. 9</ref> Die Familie Kitzinger gelang die Flucht erst im Juli 1939 nach Großbritannien, große Teile ihres Grundstückes (Würzburger Straße 49) wurde unter Zwang an die Finanzverwaltung des Deutschen Reiches abgetreten.<ref>Staatsarchiv Nürnberg, Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Außenstelle Nürnberg, Nr. 1642</ref>
Mit der Übernahme der Privatbank [[Hirschmann und Kitzinger]] durch die Commerzbank im Jahr 1918 ging das Anwesen in den Privatbesitz der beiden Familien über und wurde unter den Erben aufgeteilt. Die eine Hälfte des Grundstücks mit der Adresse [[Würzburger Straße 51]] ging an Carl Hirschmann, die andere mit der Nummer 49 an Dr. Gabriel Kitzinger. Mit dessen Umzug nach Nürnberg in den 1920er Jahren vermietete er die Villa an den befreundeten Fürther Fabrikbesitzer [[Ernst Rosenfelder]]. Mit der Machtübernahme durch die [[Nationalsozialisten]] ab 1933 wurde der Druck auf die jüdischen Bankhausbesitzer zunehmend größer. Im Sommer 1937 wurden die Familien Carl Hirschmann und Gabriel Kitzinger von ihrem Posten als Bankdirektoren der Commerzbank-Filialen in Nürnberg und Fürth enthoben, das Eigentum - darunter auch die Grundstücke Würzburger Straße 49 und 51 von Seiten der Stadtverwaltung zwangsarisiert - und zu einem Bruchteil der sonst üblichen Marktpreisen weiterveräußert. Käufer der Grundstücke war der Großkaufmann [[Georg Roth]], der neben seinen Lebensmittelläden in der Umgebung auch sein Wohnhaus in unmittelbarer Nähe hatte - [[Würzburger Straße 196]]. Die Familie Hirschmann konnte noch rechtzeitig im November 1937 in die USA emigrieren und entging somit einer Deportation und dem sicheren Tod. Die Ehefrau Carl Hirschmanns, Alice Hirschmann, gab 1973 nach dem Tod ihres Ehemanns an, dass der Verkauf des Hauses an die Familie Roth zu einem fairen Preis erfolgt sei.<ref>The Suzanne Statland Collection in Holocaust Studies, Transcript des Interviews von Alice Hirschmann und Suzanne Statland, Kansas City 1973, S. 9</ref> Die Familie Kitzinger gelang die Flucht erst im Juli 1939 nach Großbritannien, große Teile ihres Grundstückes (Würzburger Straße 49) wurde unter Zwang an die Finanzverwaltung des Deutschen Reiches abgetreten.<ref>Staatsarchiv Nürnberg, Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Außenstelle Nürnberg, Nr. 1642</ref>


Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Grundstücke der beiden Familien durch die US-Verwaltung beschlagnahmt und als Wohnhäuser für Beteiligte an den Nürnberger Prozessen genutzt. Während das Haus Hirschmann im Anschluss wieder an Georg Roth zurückgegeben wurde, bekam das Grundstück der Familie Kitzinger die Stadt Fürth übereignet. Letzteres wurde durch die Stadt Fürth als Bauland ausgewiesen und u.a. an Prof. Dr. [[Kurt Denecke]] - Chirurgischer Chefarzt am Klinikum Fürth - sowie an Obermedizinalrat Dr. Johann Schmidt und an den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg Dr. Robert Strobel verkauft. Diese bauten jeweils auf den Grundstücken ein entsprechendes repräsentatives Wohngebäude, die heute noch erhalten sind - aber mit einer Ausnahme - seit Jahren leer stehen.<ref>Stadt Fürth, Bauarchiv Fürth, Bauakten der Hardstraße 36 (Haus Strobel), Hardstraße 38 (Haus Schmidt) und Hardstraße 56 (Haus Denecke)</ref> Im Bereich der [[Hardstraße]] wurde bereits 1954 ein Teil des Grundstückes durch die Stadt veräußert. Es entstanden entlang der Straße zwei Wohnblöcke mit Sozialwohnungen, die 2015 durch die städtische WBG umfassend saniert wurden.<ref>WBG Fürth (Hg.): 100 Jahre Ludwig III. und Königin Marie Therese Goldene Hochzeitsstiftung, Fürth 2018, S. 17 f</ref>
Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Grundstücke der beiden Familien durch die [[US-Militärregierung]] beschlagnahmt und als Wohnhäuser für Beteiligte an den Nürnberger Prozessen genutzt. Während das Haus Hirschmann im Anschluss wieder an Georg Roth zurückgegeben wurde, bekam das Grundstück der Familie Kitzinger die Stadt Fürth übereignet. Letzteres wurde durch die Stadt Fürth als Bauland ausgewiesen und u.a. an Prof. Dr. [[Kurt Denecke]] - Chirurgischer Chefarzt am Klinikum Fürth - sowie an Obermedizinalrat Dr. Johann Schmidt und an den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg Dr. Robert Strobel verkauft. Diese bauten jeweils auf den Grundstücken ein entsprechend repräsentatives Wohngebäude, die heute noch erhalten sind - aber mit einer Ausnahme - seit Jahren leer stehen.<ref>Stadt Fürth, Bauarchiv Fürth, Bauakten der Hardstraße 36 (Haus Strobel), Hardstraße 38 (Haus Schmidt) und Hardstraße 56 (Haus Denecke)</ref> Im Bereich der [[Hardstraße]] wurde bereits 1954 ein Teil des Grundstückes durch die Stadt veräußert. Es entstanden entlang der Straße zwei Wohnblöcke mit Sozialwohnungen, die 2015 durch die städtische WBG umfassend saniert wurden.<ref>WBG Fürth (Hg.): 100 Jahre Ludwig III. und Königin Marie Therese Goldene Hochzeitsstiftung, Fürth 2018, S. 17 f</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 10. Juli 2024, 08:53 Uhr

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Das Anwesen Würzburger Straße 49 ist eine heute leerstehende Villa aus dem Jahr 1875.

Geschichte

Das durch die Würzburger Straße im Norden und die Hardstraße im Süden begrenzte Gebiet im Nordwesten der Fürther Altstadt wurde Mitte der 1870er Jahre erschlossen und in Bauplätze aufgeteilt. Die Bauplätze wurden zunächst von der Bevölkerung nicht so wie gewünscht angenommen, sodass die Grundstücke meist im Besitz der Eigentümer blieben und als landwirtschaftliche Fläche oder Gartenanlage genutzt wurden. Auch die Anlage eines Stadtparkes wurde von Seiten der Stadt wieder als Idee verworfen.

Eines der ersten errichteten Gebäude in dem Areal aus Sandstein war die einstöckige Villa mit der ursprünglichen Adresse Diebsteig 10. Das Gebäude wurde von dem Fürther Baupalier Wilhelm Horneber für den Schneidermeister Josef Körmeier geplant und gebaut. [1] Alle für den als Sommerferienwohnsitz benötigten Räume waren im Erdgeschoss errichtet, lediglich im Satteldach wurde eine Schlafkammer ausgebaut. Im Jahr 1876 entstand auf dem Grundstück etwas abseits vom Gebäude ein kleines Bade- und Waschhaus.[2] Im Zuge eines Insolvenzverfahrens musste die Ehefrau Körmeiers, vermutlich durch den Tod des Ehemanns, das Anwesen im Jahr 1878 an die Privatbank Hirschmann und Kitzinger verkaufen. Die beiden Eigentümer des Bankhauses Friedrich Hirschmann und Samuel Kitzinger nutzten das Gebäude fortan als Sommerhaus für sich und ihre Familien. Samuel Kitzingers Sohn Wilhelm schrieb dazu 1943 in seinen Erinnerungen:

Die Villa war ein bescheidenes, einstöckiges Wohnhaus, das in der Mitte des fast 2 Hektar großen, terrassenförmig angelegten Gartens stand. Sie lag außerhalb der Stadt an der Würzburger Straße, ungefähr zwanzig Minuten Gehzeit von der Stadtmitte entfernt auf sanft ansteigender Anhöhe am linken Ufer der Regnitz. Der Garten wurde als Blumen-, Obst- und Gemüsegarten gehalten, hatte zahlreiche Obstbäume und Sträucher, ein Teil der Fläche war Ackerland; zwei Springbrunnen, schattige Plätzchen, Lauben und Pavillon, sowie ein Turnplatz waren vorhanden oder wurden nach und nach errichtet. Die Pflege des Gartens oblag gewöhnlich einem Pächter, für dessen Familie ein kleines Nebenhaus mit Kuhstall vorhanden war, auch eine Scheune mit Dreschboden wurde für diesen gebaut. Regelmäßig wurde die Villa im Mai bezogen und im September wieder verlassen.[3]

Die Pflege des Gartens, der inzwischen auch kleine landwirtschaftliche Anteile mit Obst und Gemüse hatte, wurde größtenteils durch einen Pächter versorgt. Im Jahr 1881 wurde das Waschhaus als kleines Wohnhaus umgebaut und um einen Stall ergänzt. Zusätzlich wurde 1882 eine Holzremise mit Dreschboden errichtet, sowie 1889 mit einem Gewächshaus erweitert. Im Todesjahr Samuel Kitzingers im Jahr 1903 und dem altersbedingten Rückzug Friedrich Hirschmanns aus dem operativen Geschäft der Bank ging das Anwesen jeweils an die nächste Generation der Familien weiter. Beide Bankiers hatten zusammen insgesamt acht Kinder, die inzwischen mit ihrer späteren eigenen Familien erneut das Gelände samt Gebäude als Sommersitz nutzten. Ab 1910 erfuhr das Grundstück erneut eine bauliche Veränderung. So wurden nach den Plänen des örtlich ansässigen Architekturbüro Peringer und Rogler unter der Federführung der Söhne Gabriel Kitzinger und Carl Hirschmann weitere Gebäude errichtet.[4]

Mit der Übernahme der Privatbank Hirschmann und Kitzinger durch die Commerzbank im Jahr 1918 ging das Anwesen in den Privatbesitz der beiden Familien über und wurde unter den Erben aufgeteilt. Die eine Hälfte des Grundstücks mit der Adresse Würzburger Straße 51 ging an Carl Hirschmann, die andere mit der Nummer 49 an Dr. Gabriel Kitzinger. Mit dessen Umzug nach Nürnberg in den 1920er Jahren vermietete er die Villa an den befreundeten Fürther Fabrikbesitzer Ernst Rosenfelder. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ab 1933 wurde der Druck auf die jüdischen Bankhausbesitzer zunehmend größer. Im Sommer 1937 wurden die Familien Carl Hirschmann und Gabriel Kitzinger von ihrem Posten als Bankdirektoren der Commerzbank-Filialen in Nürnberg und Fürth enthoben, das Eigentum - darunter auch die Grundstücke Würzburger Straße 49 und 51 von Seiten der Stadtverwaltung zwangsarisiert - und zu einem Bruchteil der sonst üblichen Marktpreisen weiterveräußert. Käufer der Grundstücke war der Großkaufmann Georg Roth, der neben seinen Lebensmittelläden in der Umgebung auch sein Wohnhaus in unmittelbarer Nähe hatte - Würzburger Straße 196. Die Familie Hirschmann konnte noch rechtzeitig im November 1937 in die USA emigrieren und entging somit einer Deportation und dem sicheren Tod. Die Ehefrau Carl Hirschmanns, Alice Hirschmann, gab 1973 nach dem Tod ihres Ehemanns an, dass der Verkauf des Hauses an die Familie Roth zu einem fairen Preis erfolgt sei.[5] Die Familie Kitzinger gelang die Flucht erst im Juli 1939 nach Großbritannien, große Teile ihres Grundstückes (Würzburger Straße 49) wurde unter Zwang an die Finanzverwaltung des Deutschen Reiches abgetreten.[6]

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Grundstücke der beiden Familien durch die US-Militärregierung beschlagnahmt und als Wohnhäuser für Beteiligte an den Nürnberger Prozessen genutzt. Während das Haus Hirschmann im Anschluss wieder an Georg Roth zurückgegeben wurde, bekam das Grundstück der Familie Kitzinger die Stadt Fürth übereignet. Letzteres wurde durch die Stadt Fürth als Bauland ausgewiesen und u.a. an Prof. Dr. Kurt Denecke - Chirurgischer Chefarzt am Klinikum Fürth - sowie an Obermedizinalrat Dr. Johann Schmidt und an den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg Dr. Robert Strobel verkauft. Diese bauten jeweils auf den Grundstücken ein entsprechend repräsentatives Wohngebäude, die heute noch erhalten sind - aber mit einer Ausnahme - seit Jahren leer stehen.[7] Im Bereich der Hardstraße wurde bereits 1954 ein Teil des Grundstückes durch die Stadt veräußert. Es entstanden entlang der Straße zwei Wohnblöcke mit Sozialwohnungen, die 2015 durch die städtische WBG umfassend saniert wurden.[8]

Literatur

  • Simon Rötsch: Zwischen Park und Acker - Zur Bauhistorie der Würzburger Straße 49 & 51 in Fürth, Eigenverlag, 2022

Einzelnachweise

  1. Bauregistratur Fürth, Bauakten der Würzburger Straße 49
  2. Stadt Fürth, Bauarchiv Fürth, Bauakte Würzburger Straße 49
  3. Aus: Wilhelm Kitzinger: Familienerinnerungen, Tel Aviv 1943 - online
  4. Sädtebilder-Verlag (Hg.): Die Häuser von Peringer und Rogler in Fürth, Fürth 2018
  5. The Suzanne Statland Collection in Holocaust Studies, Transcript des Interviews von Alice Hirschmann und Suzanne Statland, Kansas City 1973, S. 9
  6. Staatsarchiv Nürnberg, Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Außenstelle Nürnberg, Nr. 1642
  7. Stadt Fürth, Bauarchiv Fürth, Bauakten der Hardstraße 36 (Haus Strobel), Hardstraße 38 (Haus Schmidt) und Hardstraße 56 (Haus Denecke)
  8. WBG Fürth (Hg.): 100 Jahre Ludwig III. und Königin Marie Therese Goldene Hochzeitsstiftung, Fürth 2018, S. 17 f

Siehe auch

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