Müll-Schwelbrennanlage: Unterschied zwischen den Versionen

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''Siemens KWU'' bot der Stadt Fürth [[1985]] eine kostenlose Versuchsanlage zur '''Müllverschwelung''' an. Die Kosten wurden [[1989]] auf 170 Millionen Deutsche Mark beziffert (ca. 85 Mio. Euro), die sich bereits bis [[1995]] auf über 400 Millionen DM (ca. 200 Mio. Euro) erhöhten. [[1997]] konnte die Fürther '''Müll-Schwelbrennanlage''' (kurz: '''SBA''') fertiggestellt werden, jedoch waren bis zu diesem Zeitpunkt die Kosten völlig aus dem Ruder gelaufen und beliefen sich statt der ursprünglich geplanten 85 Mio. nun 200 Mio. Euro, womit das Pilotprojekt der Firma [[Siemens]] zum damaligen Zeitpunkt eines der teuersten Pilotprojekte der Firma im regionalen Raum darstellte. Ziel der Anlage sollte die Verschwelung von 100.000 Tonnen Restmüll im Jahr sein. Die Erzeugung elektrischer Energie fand mit einem geringen Wirkungsgrad statt.


Die [[1997]] fertig gestellte Fürther '''Müll-Schwelbrennanlage''' (kurz: '''SBA''') war ein 125 Millionen Euro teures Pilotprojekt der Firma [[Siemens]] zur Verschwelung von Müll und Herstellung von elektrischer Energie. Öffentlich wegen hochgiftiger Schwelgase heftig umstritten, brachten mehrere Störfälle schon nach wenigen Wochen im Betrieb das Aus. Als Folge wird der Fürther Restmüll seit der Schließung des [[Müllberg]]s in die Nürnberger Müllverbrennung gebracht.<ref>Website der [http://www.nuernberg.de/internet/abfallwirtschaft/muellverbrennung.html Müllverbrennung Nürnberg]</ref>
Nach der Genehmigung durch die Regierung von Mittelfranken begann der Bau der SBA im September [[1994]]. Nach einem gescheiterten Bürgerbegehren (siehe Abschnitt: Protest) wurde die Anlage noch vor Inbetriebnahme privatisiert ([[1995]]) und an die Stromkonzern-Tochter UTM GmbH veräußert - mit dem Ziel, weiteren Müll aus der unmittelbaren Umgebung (z. B. Erlangen) aufzunehmen. Hintergrund der Erweiterung war, dass die Auslastungskapazitäten durch die Planer viel höher als benötigt geschätzt worden war, so dass die tatsächlich deutlich geringe Auslastung mit Müll kaum rentabel für den Betreiber war, so dass nur durch eine deutliche Kapazitätsauslastung und sogar deren Erhöhung ein wirtschaftlicher Betrieb sinnvoll erschien.


== Initiative ==
== Protest ==
''Siemens KWU'' bot Fürth [[1985]] eine kostenlose Versuchsanlage zur Müllverschwelung an. Die Kosten wurden  [[1990]] auf 32 Millionen Deutsche Mark beziffert, bis [[1995]] wuchsen sie auf 66 Millionen DM an.
Bereits vor dem Bau der Anlage wurde öffentlich der Protest gegen die Anlage laut, da bei der Verschwelung hochgiftige Schwelgase entstehen, und die Verschwelung des Mülls als ökologisch nicht sinnvoll erachtet wurde. Der [[Bund Naturschutz]] hielt den Betreibern der SBA gemeinsam mit dem Verein "[[Müll und Umwelt e. V. Fürth]]" ein alternatives Abfallkonzept entgegen. Breite Unterstützung kam aus weiten Kreisen der Bevölkerung, unter anderem durch mehrere große Demonstrationen zwischen [[1990]] und [[1993]]. Der Verein [[Müll und Umwelt e. V. Fürth|Müll und Umwelt]] initiierte schließlich im Jahr [[1993]] ein Bürgerbegehen, das innerhalb kürzester Zeit mit 27.000 Einwendungen die erste Hürde nehmen konnte. Es folgte eine neuntägige Anhörung im Nürnberger Messezentrum, bei der die Einwendungen und das alternative Müllkonzept vorgetragen bzw. abgewogen wurden. Währenddessen begann bereits der Bau am Hafengelände, woraufhin fünf Betroffene gegen den Baubescheid mit dem Ziel des Baustopps klagten, jedoch ohne Erfolg. Der darauf folgende Bürgerentscheid scheiterte schließlich knapp mit 49 % zu 51 %.<ref>Waltraud Galaske: 20 Jahre Müll und Umwelt Fürth, Information der Bundesarbeitsgemeinschaft "Das Bessere Müllkonzept", Oktober 2008 - [http://das-bessere-muellkonzept.de/index.php?option=com_content&view=article&id=74%3A20-jahre-muell-und-umwelt-fuerth&catid=1%3Alatest-news&Itemid=75 online]</ref>


== Protest ==
== Scheitern und Schließung ==
Der [[Bund Naturschutz]] hielt der SBA gemeinsam mit dem "[[Müll und Umwelt e. V. Fürth]]" ein alternatives Abfallkonzept entgegen. Breite Unterstützung kam aus weiten Kreisen der Bevölkerung, es fanden mehrere Demonstrationen statt und [[1993]] wurden 27.000 Einwendungen gegen die SBA abgegeben. In einer neuntägigen Anhörung im Nürnberger Messezentrum wurde dann das alternative Müllkonzept vorgetragen. Nach Baubeginn klagten fünf Betroffene gegen den Bescheid, als noch während der Bauphase [[1995]] eine Privatisierung ins Gespräch kam, wurde in Fürth erstmals ein Bürgerbegehren gestartet, dass schließlich knapp mit 49 % zu 51 % scheiterte.<ref>"Das bessere Müllkonzept", Waltraud Galaske: "20 Jahre Müll und Umwelt Fürth", Oktober 2008 - online [http://das-bessere-muellkonzept.de/index.php?option=com_content&view=article&id=74%3A20-jahre-muell-und-umwelt-fuerth&catid=1%3Alatest-news&Itemid=75 hier] abrufbar</ref>
Nach der Aufnahme des Probebetriebs [[1997]] traten zahlreiche technische Probleme in der Anlage auf, wie z. B. Materialstau, Softwareausfall und Schwelgasfreisetzung nach einer Bypassöffnung. Eine neugegründete Initiative "Bürger beobachten die Schwel-Brenn-Anlage" dokumentierte diese Fälle genau und veröffentlichte regelmäßig die Störfälle. [[1998]] wurde von Seiten des Betreibers nochmals nachgebessert, doch beim Probelauf im August [[1998]] kam es zum entscheidenden Störfall, der das Aus für die Anlage bedeutete. Ein Metallgeflecht im Müll führte zu einem Materialstau, in der Folge wurde eine Schweltrommeldichtung zerstört, so dass giftiges Schwelgas austrat und 73 Personen in und um die Anlage verletzt wurden.<ref>Johannes Alles: Der Tag, an dem die Giftwolke über Fürth zog. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 28. August 2008 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/der-tag-an-dem-die-giftwolke-uber-furth-zog-1.855132 online]</ref> Nach dieser Pannenserie musste die Schwelbrennanlage - ein Jahr nach Aufnahme des Probebetriebs - [[1998]] außer Betrieb genommen werden. Der Fürther Restmüll muss seit der Schließung des [[Müllberg]]s und der Schließung der Schwelbrennanlage fortan in die Nürnberger Müllverbrennung gebracht werden.<ref>Website der [http://www.nuernberg.de/internet/abfallwirtschaft/muellverbrennung.html Müllverbrennung Nürnberg]</ref>


== Bau ==
Der Ausstieg aus dem Pilotprojekt wurde für die Stadt Fürth (und dem Landkreis) zum größten finanziellen Debakel in der Fürther Stadtgeschichte. Die Stadt Fürth hatte sich eine Technologie von der Firma Siemens aufdrängen lassen, die sich im Nachhinein als noch völlig unausgereift und für die eigenen Verhältnisse völlig unzulänglich herausstellte. So wurde der teure Stahlbau über Nacht zur unbrauchbaren Ruine. Bereits beim Bau mussten die ''Partner im Zweckverband Abfallbeseitigung Rangau'' (ZAR) einer Risikobeteiligung zustimmen. Als die SBA endgültig außer Betrieb ging, hatte die Stadt für den Ausstieg aus dem Projekt 8,8 Millionen Mark (4,4 Mio. Euro) an Siemens zu zahlen; weitere 5 Millionen Mark (2,5 Mio. Euro) musste der damalige ''Müllzweckverband'' aus dem Landkreis aufbringen.
Nach der Genehmigung durch die Regierung von Mittelfranken begann der Bau der SBA im September [[1994]].
Nach gescheitertem Bürgerbegehren (siehe Abschnitt: Protest) wurde die Anlage noch vor Inbetriebnahme privatisiert und an die Stromkonzern-Tochter UTM GmbH veräußert. Ziel war es, weiteren Müll aus Erlangen aufzunehmen.


== Scheitern ==
== Verkauf ==
Nach Inbetriebnahme [[1997]] traten zahlreiche Probleme wie Materialstau, Softwareausfall und Schwelgasfreisetzung nach Bypassöffnung auf. Die neugegründete Aktion "Bürger beobachten die Schwel-Brenn-Anlage" dokumentierte dies. [[1998]] wurde nochmals nachgebessert, doch beim Probelauf im August 1998 kam es zum entscheidenden Störfall, als ein Metallgeflecht im Müll zu einem Materialstau führte, eine Schweltrommeldichtung zerstörte und giftiges Schwelgas austrat und 73 Personen verletzte.<ref name="Fürther Nachrichten 855132">Fürther Nachrichten: "Der Tag, an dem die Giftwolke über Fürth zog", Artikel vom 28.08.2008, [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/der-tag-an-dem-die-giftwolke-uber-furth-zog-1.855132 online abrufbar]</ref>
[[1999]] erwarb der Bauunternehmer Günther Karl die Anlage von Siemens. Wie erst Anfang [[2009]] bekannt wurde, hatte dieser die stillgelegte SBA bereits zum [[13. März]] [[2008]] an die Max Aicher GmbH, Freilassing weiterveräußert.<ref>Volker Dittmar: Ex-Müllofen wechselte Besitzer. In: Fürther Nachrichten vom 2. Februar 2009 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/ex-mullofen-wechselte-besitzer-1.509929 online]</ref> Noch 2009 hatte ein Firmensprecher gegenüber der Presse vermeldet, dass man das Gelände "aktiv und sinnvoll weiterentwickeln" wolle - so war von einem Tauchzentrum oder einer Disco die Rede. Tatsächlich hat hier lediglich die Feuerwehr einige Übungen abgehalten, bzw. die Nürnberger Theatergruppe "Pocket Opera Company" im Jahr [[2004]] einige Inszenierungen dargeboten.


=== Kosten ===
== Abriss ==
Bereits beim Bau mussten die ''Partner im Zweckverband Abfallbeseitigung Rangau'' (ZAR) einer Risikobeteiligung zustimmen.
Im Juni 2018 gab der Eigentümer bekannt, dass das Gebäude nach 20-jährigem Leerstand nun abgerissen wird. Die Eigentümerfirma hat bei der Stadt entsprechende Anträge gestellt, wie auch der Wirtschaftsreferent Horst Müller gegenüber der Presse bestätitgte. Genauere Angaben über die weitere Nutzung des Geländes wollte der Eigentümer noch nicht bekannt geben.<ref>Birgit Heidingsfelder: Müll-Ruine vor dem Abbruch. In: Fürther Nachrichten vom 9. Juni 2018 (Druckausgabe, S. 34)</ref>


Als die SBA endgültig außer Betrieb ging, hatte die Stadt 8,8 Millionen Mark an Siemens zu zahlen, weitere 5 Millionen Mark musste der damals im ''Müllzweckverband'' angeschlossene Landkreis aufbringen.
== Chronik der SBA ==
* 1985: Die Firma Siemens tritt mit Fürth in Verhandlungen über eine SBA
* 1989: Der Zweckverband Abfallbeseitigung Rangau (ZAR) spricht sich für eine SBA von Siemens aus
* 1991: Volksbegehren gegen Müllschwelbrennanlagen scheitert in Bayern, zu Gunsten von Siemens
* 1992: Im Rahmen der formalen Bürgerbeteilung wird das Planfeststellungsverfahren zur Errichtung einer SBA ausgelegt
* 1993: Insgesamt 23.500 Einwendungen gehen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gegen die SBA ein
* 1993: Die Anhörung der Einwendungen findet in der Messe Nürnberg statt
* 1994: Fünf Anwohner klagen gegen den Bau der SBA, die Regierung von Mittelfranken genehmigt den Bau der SBA
* 1995: Die SBA wird privatisiert, der bisherige Betreiber Siemens veräußert das Projekt an die Bayernwerktochter UTM
* 1996: Ein Bürgerentscheid gegen die SBA scheitert
* 1997: Die Klagen gegen den Bau bzw. Betrieb der SBA werden vor Gericht abgewiesen, die Belieferung von Müll beginnt
* 1998: Die Anlage muss mehrfach überholt werden, da immer wieder Pannen auftreten
* 1998: 12. August - durch eine defekte Schweltrommeldichtung tritt explosionsartig Schwelgas aus, dabei werden 73 Personen verletzt
* 1999: Die ZAR kündigt alle Verträge mit der SBA, der Fürther Müll wird nun nach Dettendorf im Landkreis Neustadt/ Aisch verbracht
* 1999: Siemens verabschiedet sich von dem Projekt und erklärt das Projekt SBA für beendet bzw. verfolgt dieses Thema nicht weiter
* 2000: Der Fürther Müll wird inzwischen in die Müllverbrennungsanlage nach Nürnberg verbracht - die SBA wird stillgelegt
* 2001: Pläne, die SBA umzubauen, werden nicht genehmigt
* 2018: Der Abriss der Anlage wird genehmigt - im Juli fangen die Abrissarbeiten an


== Verkauf ==
== Protest-Marterl ==
[[1999]] erwarb der Bauunternehmer Günther Karl die Anlage von Siemens. Wie erst Anfang [[2009]] bekannt wurde, hatte dieser die stillgelegte SBA bereits zum [[13. März]] [[2008]] an die Max Aicher GmbH, Freilassing weiterveräußert.<ref name="Fürther Nachrichten 0209">Fürther Nachrichten: "Ex-Müllofen wechselte Besitzer", Artikel vom 2. Februar 2009, [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/ex-mullofen-wechselte-besitzer-1.509929 online abrufbar]</ref>
{{Gebäude
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[[1994]] errichtete der Verein [[Müll und Umwelt e. V. Fürth|Müll und Umwelt e. V.]] ein sog. "Protest-Marterl" gegen die Müll-Schwelbrennanlage. Der ehem. Grabstein stammt von einem aufgelassenen Grab aus dem Burgfarrnbacher Friedhof. Das Protest-Marterl hat die Müll-Schwelbrannanlage "überlebt" und steht weiterhin mahnend an der [[Mainstraße]]/ Ecke [[Aischweg]] bzw. [[Schwarzachstraße]].


== Sonstiges ==
== Sonstiges ==
Gegen 10.24 Uhr ging am Sonntag, den [[28. Januar]] [[2018]] der Feueralarm bei der Berufsfeuerwehr Fürth ein. Im 2. OG brannte ein ca. 20 qm großer Raum mit Kartonagen und Müll.<ref>fn: Feuer verwüstet alte Schwelbrennanlage in Fürth. In: Fürther Nachrichten vom 28. Januar 2018 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/feuer-verwustet-alte-schwelbrennanlage-in-furth-1.7159788 online abrufbar]</ref>
Gegen 10:24 Uhr ging am Sonntag, den [[28. Januar]] [[2018]] der Feueralarm bei der Berufsfeuerwehr Fürth ein. Im 2. Obergeschoss brannte ein ca. 20 m<sup>2</sup> großer Raum mit Kartonagen und Müll.<ref>Feuer in der alten Schwelbrennanlage. In: Fürther Nachrichten vom 29. Januar 2018 (Druckausgabe) bzw. fn: Feuer verwüstet alte Schwelbrennanlage in Fürth. In: nordbayern.de vom 28. Januar 2018 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/feuer-verwustet-alte-schwelbrennanlage-in-furth-1.7159788 online]</ref> Vier Wochen später, am 23. Februar, brannte es in der Anlage erneut; kurz danach konnte die Polizei vier verdächtige junge Männer festnehmen, die die Brandstiftung zugaben.<ref>fn: Festnahme nach Brand. In: Fürther Nachrichten vom 26. Februar 2018 (Druckausgabe) bzw. Serie in Fürther Schwelbrennanlage: Brandstifter gefasst. In: nordbayern.de vom 25. Februar 2018 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/serie-in-further-schwelbrennanlage-brandstifter-gefasst-1.7276909 online]</ref>


==Siehe auch==
==Siehe auch==
* [[Müllentsorgung]]
* [[Müllentsorgung|Städtische Müllentsorgung]]
* [[Müll und Umwelt e. V. Fürth]]
* [[Müll und Umwelt e. V. Fürth]]
* [[Mercedes Benz Logistik Center]]
* [[Bürgerbegehren]]
* [[Bauhof]]
* [[Bauhof]]
* [[Mercedes Benz Logistik Center|Mercedes-Benz Logistik-Center]]
== Literatur ==
* ar: ''Klares Votum gegen die Schwelbrennanlage - Analyse des Volksentscheids in Fürth''. In: [[Fürther Freiheit (Stadtillustrierte)|Fürther Freiheit]] vom März 1991, Nr. 52, S. 6 ff.
== Lokalberichterstattung ==
* Volker Dittmar; ''Störfall vom 12. August 1988''. In: Fürther Nachrichten vom 13. August 1998 (Druckausgabe)   
* Bernd Noack: ''Statt Müll brannte die Leidenschaft''. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 10. Januar 2011 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/statt-mull-brannte-die-leidenschaft-1.428130 online]
* Birgit Heidingsfelder: ''Müll-Ruine vor dem Abbruch''. In: Fürther Nachrichten vom 9. Juni 2018 (Druckausgabe, S. 34) bzw. ''Fürths Schwelbrennanlage vor dem Abbruch''. In: nordbayern.de vom 9. Juni 2018 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/furths-schwelbrennanlage-vor-dem-abbruch-1.7680840 online]
* Birgit Heidingsfelder: ''Schwelbrennanlage: Abbruchfirma will bald loslegen''. In: Fürther Nachrichten vom 23. Juni 2018 (Druckausgabe) bzw. nordbayern.de vom 24. Juni 2018 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/schwelbrennanlage-abbruchfirma-will-bald-loslegen-1.7738239 online]
* Birgit Heidingsfelder: ''Irritationen um Abbrucharbeiten''. In: Fürther Nachrichten vom 2. Juli 2018 (Druckausgabe) bzw. ''Millionengrab: Fürths Schwelbrennanlage wird abgerissen''. In: nordbayern.de - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/millionengrab-furths-schwelbrennanlage-wird-abgerissen-1.7773688 online]
* Johannes Alles: ''Millionengrab: Fürths Schwelbrennanlage verschwindet''. In: nordbayern.de vom 7. August 2018 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/millionengrab-furths-schwelbrennanlage-verschwindet-1.7920611 online]
* Armin Leberzammer: ''„Super-Gau für eine industriehörige Politik”''. In: Fürther Nachrichten vom 26. September 2018 (Druckausgabe)
* Birgit Heidingsfelder: ''Schwelbrennanlage: Nur noch ein Treppenturm steht''. In: Fürther Nachrichten vom 30. März 2019 (Druckausgabe)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
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[[Kategorie:Atzenhof]]
[[Kategorie:Atzenhof]]

Aktuelle Version vom 27. Januar 2024, 02:40 Uhr

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Die Müll-Schwelbrennanlage im Mai 2018
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Siemens KWU bot der Stadt Fürth 1985 eine kostenlose Versuchsanlage zur Müllverschwelung an. Die Kosten wurden 1989 auf 170 Millionen Deutsche Mark beziffert (ca. 85 Mio. Euro), die sich bereits bis 1995 auf über 400 Millionen DM (ca. 200 Mio. Euro) erhöhten. 1997 konnte die Fürther Müll-Schwelbrennanlage (kurz: SBA) fertiggestellt werden, jedoch waren bis zu diesem Zeitpunkt die Kosten völlig aus dem Ruder gelaufen und beliefen sich statt der ursprünglich geplanten 85 Mio. nun 200 Mio. Euro, womit das Pilotprojekt der Firma Siemens zum damaligen Zeitpunkt eines der teuersten Pilotprojekte der Firma im regionalen Raum darstellte. Ziel der Anlage sollte die Verschwelung von 100.000 Tonnen Restmüll im Jahr sein. Die Erzeugung elektrischer Energie fand mit einem geringen Wirkungsgrad statt.

Nach der Genehmigung durch die Regierung von Mittelfranken begann der Bau der SBA im September 1994. Nach einem gescheiterten Bürgerbegehren (siehe Abschnitt: Protest) wurde die Anlage noch vor Inbetriebnahme privatisiert (1995) und an die Stromkonzern-Tochter UTM GmbH veräußert - mit dem Ziel, weiteren Müll aus der unmittelbaren Umgebung (z. B. Erlangen) aufzunehmen. Hintergrund der Erweiterung war, dass die Auslastungskapazitäten durch die Planer viel höher als benötigt geschätzt worden war, so dass die tatsächlich deutlich geringe Auslastung mit Müll kaum rentabel für den Betreiber war, so dass nur durch eine deutliche Kapazitätsauslastung und sogar deren Erhöhung ein wirtschaftlicher Betrieb sinnvoll erschien.

Protest

Bereits vor dem Bau der Anlage wurde öffentlich der Protest gegen die Anlage laut, da bei der Verschwelung hochgiftige Schwelgase entstehen, und die Verschwelung des Mülls als ökologisch nicht sinnvoll erachtet wurde. Der Bund Naturschutz hielt den Betreibern der SBA gemeinsam mit dem Verein "Müll und Umwelt e. V. Fürth" ein alternatives Abfallkonzept entgegen. Breite Unterstützung kam aus weiten Kreisen der Bevölkerung, unter anderem durch mehrere große Demonstrationen zwischen 1990 und 1993. Der Verein Müll und Umwelt initiierte schließlich im Jahr 1993 ein Bürgerbegehen, das innerhalb kürzester Zeit mit 27.000 Einwendungen die erste Hürde nehmen konnte. Es folgte eine neuntägige Anhörung im Nürnberger Messezentrum, bei der die Einwendungen und das alternative Müllkonzept vorgetragen bzw. abgewogen wurden. Währenddessen begann bereits der Bau am Hafengelände, woraufhin fünf Betroffene gegen den Baubescheid mit dem Ziel des Baustopps klagten, jedoch ohne Erfolg. Der darauf folgende Bürgerentscheid scheiterte schließlich knapp mit 49 % zu 51 %.[1]

Scheitern und Schließung

Nach der Aufnahme des Probebetriebs 1997 traten zahlreiche technische Probleme in der Anlage auf, wie z. B. Materialstau, Softwareausfall und Schwelgasfreisetzung nach einer Bypassöffnung. Eine neugegründete Initiative "Bürger beobachten die Schwel-Brenn-Anlage" dokumentierte diese Fälle genau und veröffentlichte regelmäßig die Störfälle. 1998 wurde von Seiten des Betreibers nochmals nachgebessert, doch beim Probelauf im August 1998 kam es zum entscheidenden Störfall, der das Aus für die Anlage bedeutete. Ein Metallgeflecht im Müll führte zu einem Materialstau, in der Folge wurde eine Schweltrommeldichtung zerstört, so dass giftiges Schwelgas austrat und 73 Personen in und um die Anlage verletzt wurden.[2] Nach dieser Pannenserie musste die Schwelbrennanlage - ein Jahr nach Aufnahme des Probebetriebs - 1998 außer Betrieb genommen werden. Der Fürther Restmüll muss seit der Schließung des Müllbergs und der Schließung der Schwelbrennanlage fortan in die Nürnberger Müllverbrennung gebracht werden.[3]

Der Ausstieg aus dem Pilotprojekt wurde für die Stadt Fürth (und dem Landkreis) zum größten finanziellen Debakel in der Fürther Stadtgeschichte. Die Stadt Fürth hatte sich eine Technologie von der Firma Siemens aufdrängen lassen, die sich im Nachhinein als noch völlig unausgereift und für die eigenen Verhältnisse völlig unzulänglich herausstellte. So wurde der teure Stahlbau über Nacht zur unbrauchbaren Ruine. Bereits beim Bau mussten die Partner im Zweckverband Abfallbeseitigung Rangau (ZAR) einer Risikobeteiligung zustimmen. Als die SBA endgültig außer Betrieb ging, hatte die Stadt für den Ausstieg aus dem Projekt 8,8 Millionen Mark (4,4 Mio. Euro) an Siemens zu zahlen; weitere 5 Millionen Mark (2,5 Mio. Euro) musste der damalige Müllzweckverband aus dem Landkreis aufbringen.

Verkauf

1999 erwarb der Bauunternehmer Günther Karl die Anlage von Siemens. Wie erst Anfang 2009 bekannt wurde, hatte dieser die stillgelegte SBA bereits zum 13. März 2008 an die Max Aicher GmbH, Freilassing weiterveräußert.[4] Noch 2009 hatte ein Firmensprecher gegenüber der Presse vermeldet, dass man das Gelände "aktiv und sinnvoll weiterentwickeln" wolle - so war von einem Tauchzentrum oder einer Disco die Rede. Tatsächlich hat hier lediglich die Feuerwehr einige Übungen abgehalten, bzw. die Nürnberger Theatergruppe "Pocket Opera Company" im Jahr 2004 einige Inszenierungen dargeboten.

Abriss

Im Juni 2018 gab der Eigentümer bekannt, dass das Gebäude nach 20-jährigem Leerstand nun abgerissen wird. Die Eigentümerfirma hat bei der Stadt entsprechende Anträge gestellt, wie auch der Wirtschaftsreferent Horst Müller gegenüber der Presse bestätitgte. Genauere Angaben über die weitere Nutzung des Geländes wollte der Eigentümer noch nicht bekannt geben.[5]

Chronik der SBA

  • 1985: Die Firma Siemens tritt mit Fürth in Verhandlungen über eine SBA
  • 1989: Der Zweckverband Abfallbeseitigung Rangau (ZAR) spricht sich für eine SBA von Siemens aus
  • 1991: Volksbegehren gegen Müllschwelbrennanlagen scheitert in Bayern, zu Gunsten von Siemens
  • 1992: Im Rahmen der formalen Bürgerbeteilung wird das Planfeststellungsverfahren zur Errichtung einer SBA ausgelegt
  • 1993: Insgesamt 23.500 Einwendungen gehen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gegen die SBA ein
  • 1993: Die Anhörung der Einwendungen findet in der Messe Nürnberg statt
  • 1994: Fünf Anwohner klagen gegen den Bau der SBA, die Regierung von Mittelfranken genehmigt den Bau der SBA
  • 1995: Die SBA wird privatisiert, der bisherige Betreiber Siemens veräußert das Projekt an die Bayernwerktochter UTM
  • 1996: Ein Bürgerentscheid gegen die SBA scheitert
  • 1997: Die Klagen gegen den Bau bzw. Betrieb der SBA werden vor Gericht abgewiesen, die Belieferung von Müll beginnt
  • 1998: Die Anlage muss mehrfach überholt werden, da immer wieder Pannen auftreten
  • 1998: 12. August - durch eine defekte Schweltrommeldichtung tritt explosionsartig Schwelgas aus, dabei werden 73 Personen verletzt
  • 1999: Die ZAR kündigt alle Verträge mit der SBA, der Fürther Müll wird nun nach Dettendorf im Landkreis Neustadt/ Aisch verbracht
  • 1999: Siemens verabschiedet sich von dem Projekt und erklärt das Projekt SBA für beendet bzw. verfolgt dieses Thema nicht weiter
  • 2000: Der Fürther Müll wird inzwischen in die Müllverbrennungsanlage nach Nürnberg verbracht - die SBA wird stillgelegt
  • 2001: Pläne, die SBA umzubauen, werden nicht genehmigt
  • 2018: Der Abriss der Anlage wird genehmigt - im Juli fangen die Abrissarbeiten an

Protest-Marterl

100%
Von den Bürgerinitiativen gegen die Müll-Schwelbrennanlage aufgestelltes "Protest-Marterl" gegenüber der Abzweigung des Aischwegs von der Mainstraße
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1994 errichtete der Verein Müll und Umwelt e. V. ein sog. "Protest-Marterl" gegen die Müll-Schwelbrennanlage. Der ehem. Grabstein stammt von einem aufgelassenen Grab aus dem Burgfarrnbacher Friedhof. Das Protest-Marterl hat die Müll-Schwelbrannanlage "überlebt" und steht weiterhin mahnend an der Mainstraße/ Ecke Aischweg bzw. Schwarzachstraße.

Sonstiges

Gegen 10:24 Uhr ging am Sonntag, den 28. Januar 2018 der Feueralarm bei der Berufsfeuerwehr Fürth ein. Im 2. Obergeschoss brannte ein ca. 20 m2 großer Raum mit Kartonagen und Müll.[6] Vier Wochen später, am 23. Februar, brannte es in der Anlage erneut; kurz danach konnte die Polizei vier verdächtige junge Männer festnehmen, die die Brandstiftung zugaben.[7]

Siehe auch

Literatur

  • ar: Klares Votum gegen die Schwelbrennanlage - Analyse des Volksentscheids in Fürth. In: Fürther Freiheit vom März 1991, Nr. 52, S. 6 ff.

Lokalberichterstattung

  • Volker Dittmar; Störfall vom 12. August 1988. In: Fürther Nachrichten vom 13. August 1998 (Druckausgabe)
  • Bernd Noack: Statt Müll brannte die Leidenschaft. In: Fürther Nachrichten vom 10. Januar 2011 - online
  • Birgit Heidingsfelder: Müll-Ruine vor dem Abbruch. In: Fürther Nachrichten vom 9. Juni 2018 (Druckausgabe, S. 34) bzw. Fürths Schwelbrennanlage vor dem Abbruch. In: nordbayern.de vom 9. Juni 2018 - online
  • Birgit Heidingsfelder: Schwelbrennanlage: Abbruchfirma will bald loslegen. In: Fürther Nachrichten vom 23. Juni 2018 (Druckausgabe) bzw. nordbayern.de vom 24. Juni 2018 - online
  • Birgit Heidingsfelder: Irritationen um Abbrucharbeiten. In: Fürther Nachrichten vom 2. Juli 2018 (Druckausgabe) bzw. Millionengrab: Fürths Schwelbrennanlage wird abgerissen. In: nordbayern.de - online
  • Johannes Alles: Millionengrab: Fürths Schwelbrennanlage verschwindet. In: nordbayern.de vom 7. August 2018 - online
  • Armin Leberzammer: „Super-Gau für eine industriehörige Politik”. In: Fürther Nachrichten vom 26. September 2018 (Druckausgabe)
  • Birgit Heidingsfelder: Schwelbrennanlage: Nur noch ein Treppenturm steht. In: Fürther Nachrichten vom 30. März 2019 (Druckausgabe)

Einzelnachweise

  1. Waltraud Galaske: 20 Jahre Müll und Umwelt Fürth, Information der Bundesarbeitsgemeinschaft "Das Bessere Müllkonzept", Oktober 2008 - online
  2. Johannes Alles: Der Tag, an dem die Giftwolke über Fürth zog. In: Fürther Nachrichten vom 28. August 2008 - online
  3. Website der Müllverbrennung Nürnberg
  4. Volker Dittmar: Ex-Müllofen wechselte Besitzer. In: Fürther Nachrichten vom 2. Februar 2009 - online
  5. Birgit Heidingsfelder: Müll-Ruine vor dem Abbruch. In: Fürther Nachrichten vom 9. Juni 2018 (Druckausgabe, S. 34)
  6. Feuer in der alten Schwelbrennanlage. In: Fürther Nachrichten vom 29. Januar 2018 (Druckausgabe) bzw. fn: Feuer verwüstet alte Schwelbrennanlage in Fürth. In: nordbayern.de vom 28. Januar 2018 - online
  7. fn: Festnahme nach Brand. In: Fürther Nachrichten vom 26. Februar 2018 (Druckausgabe) bzw. Serie in Fürther Schwelbrennanlage: Brandstifter gefasst. In: nordbayern.de vom 25. Februar 2018 - online

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