Hans Kleinschmidt: Unterschied zwischen den Versionen
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Dr. '''Hans Georg Kleinschmidt''' (geb. [[9. November]] [[1905]] in Fürth; gest. [[1999]] in Niederbayern) war Kinderarzt und ärztlicher Direktor des Kinderkurheim in Bad Dürrheim. Während seiner Zeit im Kinderheim kam es während des Nationalsozialismus zur Kinder-Euthanasie, sowie nach dem 2. Weltkrieg zu Medikamentenversuchen im Rahmen der Kinderlandverschickungen. | |||
== Leben und Wirken == | |||
Nach dem Abitur studierte Kleinschmidt Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Medizinischen Universität Wien. Anschließend ging er 1937 an die Uni-Klinik in Leipzig zu Prof. Dr. Werner Julius Eduard Catel, der bereits 1933 dem NS-Ärztebund beigetreten war und während des Nationalsozialismus Gutachter im sog. Reichsausschuss im Euthanasieprogramm - und somit maßgeblich an der der Kinder-„Euthanasie“ beteiligt war. In dieser Zeit trat Kleinschmidt der dem NS-Ärtzebund, der Marine-SA und der NSDAP bei und diente im 2. Weltkrieg als Stabsarzt. Ende der 1930er Jahre ließ sich Kleinschmidt in Ansbach als Kinderarzt nieder und behandelte dort auch ein Kind, dessen Tod ihn später juristisch belasten sollte. Das Kind Egon M, geboren am 22. Mai 1939, wurde als zartes und oft kränkelndes Achtmonatskind beschrieben, dass mittels Zangengeburt auf die Welt kam. Ende 1941 kam die Mutter Egons erstmals in die Sprechstunde von Kleinschmidt. Das Kind hatte offensichtlich einen bleibenden Gehirnschaden behalten nach einer Gehirnhautentzündung mit sechs Monaten. Kleinschmidt überwies das Kind an die Universitätsklinik in Erlangen mit der Bitte um Beobachtung und Beurteilung des Krankheitsbildes. Die Beurteilung fiel vernichtend aus: "Macht einen vollkommen idiotischen Eindruck. Schielt. Dicke Zunge. Schnorchelnde Atmung. Blöder Gesichtsausdruck." Das Resümee: "Besserung wohl kaum zu erwarten." Was folgt ist die Überweisung von Egon M. durch Kleinschmidt an die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach - mit dem Wissen - dass dies das Todesurteil für das Kind war. Wie nicht anders zu erwarten - und stereotypisch für die Ermordung von Kindern in solchen Einrichtungen zur damaligen Zeit - starb Egon M. am 16. Dezember 1942 an den "Folgen einer Lungenentzündung". Letztes war häufig die Umschreibung der Tötung von Kindern durch die Gabe des Medikamentes Luminal - ein Barbiturate, das zur Atemlähmung führt. | |||
== Entnazifizierung == | |||
In dem Entnazifizierungsverfahren in Ansbach fand Kleinschmidt eine Vielzahl von Fürsprechern aus dem Bereich der Kirche und Musik, die ihm attestierten, dass das er sich politisch niemals engagiert hatte. Als auch noch Prof. Dr. Catel ihm einem sog. Persilschein im Spruchkammerverfahren ausstellte, schien der Bogen überspannt worden zu sein. Kleinschmidt wurde zunächst als "minderbelastet", im Revisionsverfahren als "Mitläufer" eingestuft. Eine weitere Revision zog Kleinschmidt zurück, da ein befreundeter Arzt ihm zu verstehen gab, dass Dr. Catel als Leumund ihm eher schaden als nutzen würde.<ref>Spruchkammerakte Ansbach - Findmitteldatenbank der Staatlichen Archive Bayerns - [https://www.gda.bayern.de/service/findmitteldatenbank/Archivalie/387e8de8-db76-46da-a8cb-e5fc1b2531d2 online]</ref> Somit erhielt er eine Haftstrafe von einem Jahr und eine Geldbusse in Höhe von 5.000 Mark. Nach seiner Haftentlassung zog er mit seiner Familie nach Bad Dürrheim, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1973 wohnhaft war. | |||
== Menschenversuche in Bad Dürrheim == | |||
1956 wechselte Kleinschmidt an das Kindersolbad in Bad Dürrheim in Baden-Württemberg, südlich von Villingen-Schwenningen. Zu dieser Zeit war das Kindererholungsheim eines der größten in Deutschland. Als ärztlicher Direktor des DRK-Kindersolbads war Kleinschmidt von 1959 bis 1973 und zudem Arzt in mehreren privaten Kinderkurheimen. In dem Kindersolbad wurden Verschickungskinder betreut und an ihnen ohne deren Wissen oder Zustimmung der Eltern Medikamententests durchgeführt. Die Kinder wurden hierzu meinst mit Sedativa ruhiggestellt. Mit unbehandelten Vergleichsgruppen nahm Kleinschmidt wissenschaftliche Studien vor, über die er später publizierte. So testete er demnach Antibiotika, Hustentherapeutika, Asthma-Präparate, Tabletten gegen Masern und Mittel gegen Wurmmaden-Befall für namhafte deutsche Hersteller wie Janssen-Cilag in Neuss oder Schaper & Brümmer in Salzgitter. Nach einem später erstellten Gutachten der Landesärztekammer Baden-Württemberg nahm er dabei auch billigend in Kauf, dass Unverträglichkeiten bei den Probanden auftragen. Auch die Überdosoierung von Schlaf- und Beruhigungsmittel wurde in Kauf genommen. | |||
Weiterhin sind während seiner Amtszeit verschiedene Formen der Mißhandlung belegt. In über 70 von Hans Kleinschmidt verfassten Schriften findet man auch einen zweiseitigen Strafenkatalog für Kurkinder, der überschrieben ist mit dem Begriff: „Sanktionen“. Die Sanktionen dienten vor allem den sog. ungezogenen Kindern, die für Kleinschmidt nicht anderes waren als "straffällige". Die Sanktionen bestanden im wesentlichen aus Schlägen gegen den Körper, aber nicht ins Gesicht, Demütigungen und Ausschluss einzelner Kinder aus der Gemeinschaft bis hin zu prangerartiger Bestrafung.<ref>Hilke Lorenz: Ein Nazi-Arzt im Kindersolbad. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Dezember 2021</ref> Selbst nachdem 1963 körperliche Strafen an Kindern in Kurheimen verboten wurden, kamen diese weiter vor, wie ein Gutachten des NRW-Landtages in Düsseldorf unter Einbeziehung dieser 1964 veröffentlichten Schrift von Kleinschmidt verdeutlicht. | |||
== Ruhestand == | |||
Im Alter von 68 Jahren beendete Kleinschmidt seine berufliche Laufbahn in Bad Dürrheim, ohne sich jemals für sein Handeln juristisch verantworten zu müssen. Der Tod von Egon M. war zwar im Rahmen eines Prozesses 1963/64 gegen den ehemaligen Chefarzt der Universitätsklinik Erlangen Albert Viethen öffentlich geworden, führte aber nicht zu einer weiteren juristischen Belastung Kleinschmidts. Kleinschmidt siedelte in das niederbayerische Pfarrkichen über. Mit dabei seine deutlich jüngere Ehefrau, samt fünf Kinder. | |||
Seinen Lebensabend beendete mit 94 Jahren im niederbayerischen Pfarrkirchen, ohne erneut juristisch belangt zu werden. Erst im Jahr 2021 bzw. 2024 wurden die Mißhandlungen und Medikamentenversuche einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Die Aufarbeitung erfolgte im Rahmen eines Programmes des Land Baden-Württemberg - mit Unterstützung des ehemaligen Träger des Heimes, dem Deutschen Roten Kreuz. | |||
== Literatur == | |||
== Siehe auch == | |||
== Lokalberichterstattung == | |||
== Einzelnachweise == | |||
== Bilder == | |||
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Version vom 29. Oktober 2024, 14:06 Uhr
- Namenszusatz
- Dr.
- Vorname
- Hans
- Nachname
- Kleinschmidt
- Geschlecht
- männlich
- Geburtsdatum
- 9. November 1905
- Geburtsort
- Fürth
- Todesdatum
- 1999
- Todesort
- Niederbayern
- Beruf
- Arzt
- Partei
- NSDAP
Dr. Hans Georg Kleinschmidt (geb. 9. November 1905 in Fürth; gest. 1999 in Niederbayern) war Kinderarzt und ärztlicher Direktor des Kinderkurheim in Bad Dürrheim. Während seiner Zeit im Kinderheim kam es während des Nationalsozialismus zur Kinder-Euthanasie, sowie nach dem 2. Weltkrieg zu Medikamentenversuchen im Rahmen der Kinderlandverschickungen.
Leben und Wirken
Nach dem Abitur studierte Kleinschmidt Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Medizinischen Universität Wien. Anschließend ging er 1937 an die Uni-Klinik in Leipzig zu Prof. Dr. Werner Julius Eduard Catel, der bereits 1933 dem NS-Ärztebund beigetreten war und während des Nationalsozialismus Gutachter im sog. Reichsausschuss im Euthanasieprogramm - und somit maßgeblich an der der Kinder-„Euthanasie“ beteiligt war. In dieser Zeit trat Kleinschmidt der dem NS-Ärtzebund, der Marine-SA und der NSDAP bei und diente im 2. Weltkrieg als Stabsarzt. Ende der 1930er Jahre ließ sich Kleinschmidt in Ansbach als Kinderarzt nieder und behandelte dort auch ein Kind, dessen Tod ihn später juristisch belasten sollte. Das Kind Egon M, geboren am 22. Mai 1939, wurde als zartes und oft kränkelndes Achtmonatskind beschrieben, dass mittels Zangengeburt auf die Welt kam. Ende 1941 kam die Mutter Egons erstmals in die Sprechstunde von Kleinschmidt. Das Kind hatte offensichtlich einen bleibenden Gehirnschaden behalten nach einer Gehirnhautentzündung mit sechs Monaten. Kleinschmidt überwies das Kind an die Universitätsklinik in Erlangen mit der Bitte um Beobachtung und Beurteilung des Krankheitsbildes. Die Beurteilung fiel vernichtend aus: "Macht einen vollkommen idiotischen Eindruck. Schielt. Dicke Zunge. Schnorchelnde Atmung. Blöder Gesichtsausdruck." Das Resümee: "Besserung wohl kaum zu erwarten." Was folgt ist die Überweisung von Egon M. durch Kleinschmidt an die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach - mit dem Wissen - dass dies das Todesurteil für das Kind war. Wie nicht anders zu erwarten - und stereotypisch für die Ermordung von Kindern in solchen Einrichtungen zur damaligen Zeit - starb Egon M. am 16. Dezember 1942 an den "Folgen einer Lungenentzündung". Letztes war häufig die Umschreibung der Tötung von Kindern durch die Gabe des Medikamentes Luminal - ein Barbiturate, das zur Atemlähmung führt.
Entnazifizierung
In dem Entnazifizierungsverfahren in Ansbach fand Kleinschmidt eine Vielzahl von Fürsprechern aus dem Bereich der Kirche und Musik, die ihm attestierten, dass das er sich politisch niemals engagiert hatte. Als auch noch Prof. Dr. Catel ihm einem sog. Persilschein im Spruchkammerverfahren ausstellte, schien der Bogen überspannt worden zu sein. Kleinschmidt wurde zunächst als "minderbelastet", im Revisionsverfahren als "Mitläufer" eingestuft. Eine weitere Revision zog Kleinschmidt zurück, da ein befreundeter Arzt ihm zu verstehen gab, dass Dr. Catel als Leumund ihm eher schaden als nutzen würde.[1] Somit erhielt er eine Haftstrafe von einem Jahr und eine Geldbusse in Höhe von 5.000 Mark. Nach seiner Haftentlassung zog er mit seiner Familie nach Bad Dürrheim, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1973 wohnhaft war.
Menschenversuche in Bad Dürrheim
1956 wechselte Kleinschmidt an das Kindersolbad in Bad Dürrheim in Baden-Württemberg, südlich von Villingen-Schwenningen. Zu dieser Zeit war das Kindererholungsheim eines der größten in Deutschland. Als ärztlicher Direktor des DRK-Kindersolbads war Kleinschmidt von 1959 bis 1973 und zudem Arzt in mehreren privaten Kinderkurheimen. In dem Kindersolbad wurden Verschickungskinder betreut und an ihnen ohne deren Wissen oder Zustimmung der Eltern Medikamententests durchgeführt. Die Kinder wurden hierzu meinst mit Sedativa ruhiggestellt. Mit unbehandelten Vergleichsgruppen nahm Kleinschmidt wissenschaftliche Studien vor, über die er später publizierte. So testete er demnach Antibiotika, Hustentherapeutika, Asthma-Präparate, Tabletten gegen Masern und Mittel gegen Wurmmaden-Befall für namhafte deutsche Hersteller wie Janssen-Cilag in Neuss oder Schaper & Brümmer in Salzgitter. Nach einem später erstellten Gutachten der Landesärztekammer Baden-Württemberg nahm er dabei auch billigend in Kauf, dass Unverträglichkeiten bei den Probanden auftragen. Auch die Überdosoierung von Schlaf- und Beruhigungsmittel wurde in Kauf genommen.
Weiterhin sind während seiner Amtszeit verschiedene Formen der Mißhandlung belegt. In über 70 von Hans Kleinschmidt verfassten Schriften findet man auch einen zweiseitigen Strafenkatalog für Kurkinder, der überschrieben ist mit dem Begriff: „Sanktionen“. Die Sanktionen dienten vor allem den sog. ungezogenen Kindern, die für Kleinschmidt nicht anderes waren als "straffällige". Die Sanktionen bestanden im wesentlichen aus Schlägen gegen den Körper, aber nicht ins Gesicht, Demütigungen und Ausschluss einzelner Kinder aus der Gemeinschaft bis hin zu prangerartiger Bestrafung.[2] Selbst nachdem 1963 körperliche Strafen an Kindern in Kurheimen verboten wurden, kamen diese weiter vor, wie ein Gutachten des NRW-Landtages in Düsseldorf unter Einbeziehung dieser 1964 veröffentlichten Schrift von Kleinschmidt verdeutlicht.
Ruhestand
Im Alter von 68 Jahren beendete Kleinschmidt seine berufliche Laufbahn in Bad Dürrheim, ohne sich jemals für sein Handeln juristisch verantworten zu müssen. Der Tod von Egon M. war zwar im Rahmen eines Prozesses 1963/64 gegen den ehemaligen Chefarzt der Universitätsklinik Erlangen Albert Viethen öffentlich geworden, führte aber nicht zu einer weiteren juristischen Belastung Kleinschmidts. Kleinschmidt siedelte in das niederbayerische Pfarrkichen über. Mit dabei seine deutlich jüngere Ehefrau, samt fünf Kinder.
Seinen Lebensabend beendete mit 94 Jahren im niederbayerischen Pfarrkirchen, ohne erneut juristisch belangt zu werden. Erst im Jahr 2021 bzw. 2024 wurden die Mißhandlungen und Medikamentenversuche einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Die Aufarbeitung erfolgte im Rahmen eines Programmes des Land Baden-Württemberg - mit Unterstützung des ehemaligen Träger des Heimes, dem Deutschen Roten Kreuz.
Literatur
Siehe auch
Lokalberichterstattung
Einzelnachweise
Bilder