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== Antisemitische Publikationen ==
 
== Antisemitische Publikationen ==
 
===Reichswauwau===
 
===Reichswauwau===
Seit dem 1. Juli 1871 erschien die Zeitschrift "Volksstimme", die zuvor unter dem Titel "Nürnberg-Fürther Stadtherold" herausgegeben worden war mit der Beilage "Reichswauwau" zum Bezugspreis von 2 fl.<ref>Verordnungs- und Anzeigeblatt für die Königlich Bayerischen Verkehrs-Anstalten vom 26. August 1873, S. 487</ref> Der Reichswauwau galt als "humoristisch-satirisches" Wochenblatt<ref>Alfred Eberlein: "Die Presse der Arbeiterklasse und der sozialen Bewegungen", 2022, S. 1432</ref> und wurde in Nürnberg herausgegeben. Angeblich erhielt Weber dafür auch seinen Spitznamen. In Anzeigen tauchte der [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503884_00636/pct:67.73343,41.41781,30.12048,13.99636/full/0/default.jpg Wauwau] bereits 1866 auf<ref>Fürther Tagblatt vom 23. Dezember 1866</ref>. Zu dieser Zeit wurde das Blatt noch in Nürnberg herausgegeben, in Fürth über [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503885_00005/pct:1.93333,36.33917,31.8,14.22162/full/0/default.jpg Jean Borsch, Weinstraße 6]<ref>Fürther Tagblatt 1. Januar 1867</ref> verteilt.
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Seit dem 1. Juli 1871 erschien die Zeitschrift "Volksstimme", die zuvor unter dem Titel "Nürnberg-Fürther Stadtherold" herausgegeben worden war mit der Beilage "Reichswauwau" zum Bezugspreis von 2 fl.<ref>Verordnungs- und Anzeigeblatt für die Königlich Bayerischen Verkehrs-Anstalten vom 26. August 1873, S. 487</ref> Der Reichswauwau galt als "humoristisch-satirisches" Wochenblatt<ref>Alfred Eberlein: "Die Presse der Arbeiterklasse und der sozialen Bewegungen", 2022, S. 1432</ref> und wurde in Nürnberg herausgegeben. Angeblich erhielt Weber dafür auch seinen Spitznamen. In Anzeigen tauchte der Wauwau bereits 1866 auf.<ref>Fürther Tagblatt vom 23. Dezember 1866 - [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503884_00636/pct:67.73343,41.41781,30.12048,13.99636/full/0/default.jpg Ausschnitt]</ref> Zu dieser Zeit wurde das Blatt noch in Nürnberg herausgegeben, in Fürth über Jean Borsch, Weinstraße 6 verteilt.<ref>Fürther Tagblatt vom 1. Januar 1867 - [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503885_00005/pct:1.93333,36.33917,31.8,14.22162/full/0/default.jpg Ausschnitt]</ref>  
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Vor dem Schwurgericht musste sich Weber 1868 wegen ''staatsgefährdender Äußerungen'' (Art. 118 des St.G.B.), ''Betrugsvergehens'' (gefälschter Wechsel) und ''Religionsfriedenstörung'' verantworten. Von Letzterem wurde er freigesprochen. Die übrigen Vorwürfe brachten ihm ein Jahr Gefängnis ein<ref>Fürther Tagblatt vom 17. Juni 1868</ref>.
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Vor dem Schwurgericht musste sich Weber 1868 wegen ''staatsgefährdender Äußerungen'' (Art. 118 des St.G.B.), ''Betrugsvergehens'' (gefälschter Wechsel) und ''Religionsfriedenstörung'' verantworten. Von Letzterem wurde er freigesprochen. Die übrigen Vorwürfe brachten ihm ein Jahr Gefängnis ein.<ref>Fürther Tagblatt vom 17. Juni 1868</ref>
Den Prozess vor dem Schwurgericht 1868 wollte Weber trefflich zu seinen Gunsten [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503888_00304/pct:66.33333,43.75587,29.86667,7.74648/full/0/default.jpg vermarkten]<ref>Fürther Tagblatt vom 20. September 1868; auch schon Fürther Tagblatt vom 17. September 1868</ref>. Allerdings wurde die entsprechende Nummer 3 des Wauwau [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503888_00310/pct:5.53333,55.70406,46,3.29356/full/0/default.jpg konfisziert] und damit aus dem Verkehr gezogen<ref>Fürther Tagblatt 23. September 1868</ref>.</br>
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Den Prozess vor dem Schwurgericht 1868 wollte Weber trefflich zu seinen Gunsten vermarkten.<ref>Fürther Tagblatt vom 20. September 1868 - [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503888_00304/pct:66.33333,43.75587,29.86667,7.74648/full/0/default.jpg Ausschnitt]; auch schon Fürther Tagblatt vom 17. September 1868</ref> Allerdings wurde die entsprechende Nummer 3 des Wauwau konfisziert und damit aus dem Verkehr gezogen.<ref>Fürther Tagblatt 23. September 1868 - [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503888_00310/pct:5.53333,55.70406,46,3.29356/full/0/default.jpg Ausschnitt]</ref> Aufgrund etlicher Injurien wurde Adam Weber als Herausgeber des Wauwau 1873 wiederum vor das Schwurgericht zitiert.<ref>Fürther Tagblatt 21. August 1873 - [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb11032165_00180/pct:3.93333,66.32878,46.06667,7.09564/full/0/default.jpg Ausschnitt]</ref>
Aufgrund etlicher Injurien wurde Adam Weber als Herausgeber des Wauwau 1873 wiederum vor das [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb11032165_00180/pct:3.93333,66.32878,46.06667,7.09564/full/0/default.jpg Schwurgericht]<ref>Fürther Tagblatt 21. August 1873</ref> zitiert.
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Mit rücksichtsloser Offenheit und ungeachtet der Schwierigkeiten, die ihm das damals bereitete, schrieb er immer wieder gegen Obrigkeiten und Judentum. 1874 wurde er vom Schwurgericht in Ansbach als Redakteur des "Deutschen Reichswauwau" wegen Beleidigung des Kaisers und des Reichskanzlers zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt.<ref>Tag- & Anzeigeblatt für Kempten und das Allgäu, 21. Oktober 1874; ebenso Münchner Bote für Stadt und Land, 20. Oktober 1874</ref> Eine erneute [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb11176858_00605/pct:47.95477,65.25974,45.5271,13.7013/full/0/default.jpg Verhandlung]<ref>Fürther Tagblatt 20. Dezember 1874</ref> brachte Weber dann eine Gesamthaftstrafe von neun Mionaten ein. Am 3. Februar 1879 wurde das Erscheinen der "periodischen Druckschrift ''Reichswauwau mit Freigeist''" durch die Landespolizeibehörde verboten.<ref>Amtsblatt der Königlichen Preußischen Regierung zu Bromberg, 14. Februar 1879</ref>
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Mit rücksichtsloser Offenheit und ungeachtet der Schwierigkeiten, die ihm das damals bereitete, schrieb er immer wieder gegen Obrigkeiten und Judentum. 1874 wurde er vom Schwurgericht in Ansbach als Redakteur des "Deutschen Reichswauwau" wegen Beleidigung des Kaisers und des Reichskanzlers zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt.<ref>Tag- & Anzeigeblatt für Kempten und das Allgäu, 21. Oktober 1874; ebenso Münchner Bote für Stadt und Land, 20. Oktober 1874</ref> Eine erneute Verhandlung brachte Weber dann eine Gesamthaftstrafe von neun Monaten ein.<ref>Fürther Tagblatt 20. Dezember 1874 - [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb11176858_00605/pct:47.95477,65.25974,45.5271,13.7013/full/0/default.jpg Ausschnitt]</ref> Am 3. Februar 1879 wurde das Erscheinen der "periodischen Druckschrift ''Reichswauwau mit Freigeist''" durch die Landespolizeibehörde verboten.<ref>Amtsblatt der Königlichen Preußischen Regierung zu Bromberg, 14. Februar 1879</ref>
    
===Reichskobold===
 
===Reichskobold===
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[[Datei:Freier Beobachter Amtsblatt für das K. Bezirksamt Rothenburg o. d. T., 30. Dezember 1891.png|mini|right|Anzeige "Freier Beobachter"]]
 
[[Datei:Freier Beobachter Amtsblatt für das K. Bezirksamt Rothenburg o. d. T., 30. Dezember 1891.png|mini|right|Anzeige "Freier Beobachter"]]
 
Adam Weber gründete die Wochenschrift: „[[Freier Beobachter]] - Organ der süddeutschen Antisemiten“.<ref>Theodor Fritsch: "Antisemiten-Katechismus: eine Zusammenstellung des wichtigsten Materials zum Verständnis der Judenfrage", 1893, S. 351. Dahinter versteckte sich der alte Reichskobold; siehe "Adressbuch aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden ...", 1892 - 1895, S. 799 a</ref> In dieser antisemitischen Publikation versuchte Weber nach Kräften über die sog. "Judenfrage" seinen Beitrag zur Aufklärung zu leisten. Für sein publizistisches Wirken wurde er wiederholt strafrechtlich verfolgt und bekam u. a. eine fünfjährige Haftstrafe.<ref>Stadtarchiv Fürth, AR 14/88, Beschwerden und Disziplinaruntersuchungen gegen die Polizeimannschaft, 1892 Bericht über einen Beleidigungsprozess eines Juden gegen einen Polizisten, Band 5, 1889 - 1897</ref>
 
Adam Weber gründete die Wochenschrift: „[[Freier Beobachter]] - Organ der süddeutschen Antisemiten“.<ref>Theodor Fritsch: "Antisemiten-Katechismus: eine Zusammenstellung des wichtigsten Materials zum Verständnis der Judenfrage", 1893, S. 351. Dahinter versteckte sich der alte Reichskobold; siehe "Adressbuch aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden ...", 1892 - 1895, S. 799 a</ref> In dieser antisemitischen Publikation versuchte Weber nach Kräften über die sog. "Judenfrage" seinen Beitrag zur Aufklärung zu leisten. Für sein publizistisches Wirken wurde er wiederholt strafrechtlich verfolgt und bekam u. a. eine fünfjährige Haftstrafe.<ref>Stadtarchiv Fürth, AR 14/88, Beschwerden und Disziplinaruntersuchungen gegen die Polizeimannschaft, 1892 Bericht über einen Beleidigungsprozess eines Juden gegen einen Polizisten, Band 5, 1889 - 1897</ref>
In der Magistratssitzung vom 29. Oktober 1891 wurde über die Ausweisung Webers verhandelt. Dabei wurde auch auf seine 28malige Verurteilung hingewiesen<ref>Allgemeine Zeitung des Judentums vom 13. November 1891</ref>.
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In der Magistratssitzung vom 29. Oktober 1891 wurde über die Ausweisung Webers verhandelt. Dabei wurde auch auf seine 28-malige Verurteilung hingewiesen.<ref>Allgemeine Zeitung des Judentums vom 13. November 1891</ref>
    
So war Weber als Sonderling, rabiater Mensch und außergewöhnliche Erscheinung bekannt. Die örtliche Presse der 1930er Jahre (April bis August 1938) widmete dem 1902 Verstorbenen als fanatischem Judengegner durch mehrere Abhandlungen breiten Raum. In den Jahren bis 1938 veröffentlichte die Presse unter dem Titel „Hier spricht der deutsche Michel“ Artikel aus Webers „Beobachter“ als antisemitische Pamphlete.  
 
So war Weber als Sonderling, rabiater Mensch und außergewöhnliche Erscheinung bekannt. Die örtliche Presse der 1930er Jahre (April bis August 1938) widmete dem 1902 Verstorbenen als fanatischem Judengegner durch mehrere Abhandlungen breiten Raum. In den Jahren bis 1938 veröffentlichte die Presse unter dem Titel „Hier spricht der deutsche Michel“ Artikel aus Webers „Beobachter“ als antisemitische Pamphlete.  
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[[Datei:Josephina Weber, Das Recht auf Arbeit.jpg|mini|right|Aufruf Josephina Weber, 3. November 1884]]
 
[[Datei:Josephina Weber, Das Recht auf Arbeit.jpg|mini|right|Aufruf Josephina Weber, 3. November 1884]]
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==Aufruf der Ehefrau==
 
==Aufruf der Ehefrau==
 
Im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren des Reichskobold startete die Ehegattin Josephina Weber einen Aufruf in der überregionalen Zeitung "Das Recht auf Arbeit"<ref>Am 28. Mai 1884 erschien in München die erste Ausgabe der Wochenzeitung "Das Recht auf Arbeit. Sozialpolitische Wochenschrift", die nach ihrem programmatischen Leitartikel der in der letzten Zeit "aufgeblühten" Fachvereins/Hilfskassenbewegung ihre besondere Aufmerksamkeit widmen wollte. Herausgeber war der sozialdemokratische Zeitungsverleger und Reichstagsabgeordnete Louis Viereck. siehe [https://library.fes.de/fulltext/bibliothek/tit00148/00148021.htm Chronologie 1884, Friedrich-Ebert-Stiftung]</ref>. Sie bat aufgrund ihrer ''trostlosen Lage mit drei Kindern'' durch die Haftstrafen des Ehegatten und Redakteurs Adam Weber um Unterstützung. Als Zeugen für ihre Situation benannte sie den Fürther Bürgermeister [[Georg Friedrich von Langhans|Langhans]].
 
Im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren des Reichskobold startete die Ehegattin Josephina Weber einen Aufruf in der überregionalen Zeitung "Das Recht auf Arbeit"<ref>Am 28. Mai 1884 erschien in München die erste Ausgabe der Wochenzeitung "Das Recht auf Arbeit. Sozialpolitische Wochenschrift", die nach ihrem programmatischen Leitartikel der in der letzten Zeit "aufgeblühten" Fachvereins/Hilfskassenbewegung ihre besondere Aufmerksamkeit widmen wollte. Herausgeber war der sozialdemokratische Zeitungsverleger und Reichstagsabgeordnete Louis Viereck. siehe [https://library.fes.de/fulltext/bibliothek/tit00148/00148021.htm Chronologie 1884, Friedrich-Ebert-Stiftung]</ref>. Sie bat aufgrund ihrer ''trostlosen Lage mit drei Kindern'' durch die Haftstrafen des Ehegatten und Redakteurs Adam Weber um Unterstützung. Als Zeugen für ihre Situation benannte sie den Fürther Bürgermeister [[Georg Friedrich von Langhans|Langhans]].
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