Hans Kleinschmidt: Unterschied zwischen den Versionen
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Nach dem Abitur studierte Kleinschmidt Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Medizinischen Universität Wien. Anschließend ging er 1937 an die Uni-Klinik in Leipzig zu Prof. Dr. [[wikipedia:Werner Catel|Werner Julius Eduard Catel]], der bereits 1933 dem NS-Ärztebund beigetreten war und während des Nationalsozialismus Gutachter im sog. Reichsausschuss im Euthanasieprogramm - und somit maßgeblich an der der [[wikipedia:Kinder-Euthanasie|Kinder-„Euthanasie“]] beteiligt war. In dieser Zeit trat Kleinschmidt dem NS-Ärztebund, der Marine-SA und der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] bei und diente im 2. Weltkrieg als Stabsarzt. Ende der 1930er Jahre ließ sich Kleinschmidt in Ansbach als Kinderarzt nieder und behandelte dort u.a. auch ein Kind, dessen Tod ihn später juristisch belasten sollte. Das Kind Egon M, geboren am 22. Mai 1939, wurde als zartes und oft kränkelndes Achtmonatskind beschrieben, dass mittels Zangengeburt auf die Welt kam. Ende 1941 kam die Mutter Egons erstmals in die Sprechstunde von Kleinschmidt. Das Kind hatte offensichtlich einen bleibenden Gehirnschaden behalten nach einer Gehirnhautentzündung mit sechs Monaten. Kleinschmidt überwies das Kind an die Universitätsklinik in Erlangen mit der Bitte um Beobachtung und Beurteilung des Krankheitsbildes. Die Beurteilung fiel vernichtend aus: "''Macht einen vollkommen idiotischen Eindruck. Schielt. Dicke Zunge. Schnorchelnde Atmung. Blöder Gesichtsausdruck.''" Das Resümee: "''Besserung wohl kaum zu erwarten''." Was folgt ist die Überweisung von Egon M. durch Kleinschmidt an die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach - mit dem Wissen - dass dies das Todesurteil für das Kind war.<ref>Hilke Lorenz: Ein Nazi-Arzt im Kindersolbad. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Dezember 2021</ref> Wie nicht anders zu erwarten - und stereotypisch für die Ermordung von Kindern in solchen Einrichtungen zur damaligen Zeit - starb Egon M. am 16. Dezember 1942 an den "Folgen einer Lungenentzündung". Letztes war häufig die Umschreibung der Tötung von Kindern durch die Gabe des Medikamentes Luminal - ein | Nach dem Abitur studierte Kleinschmidt Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Medizinischen Universität Wien. Anschließend ging er 1937 an die Uni-Klinik in Leipzig zu Prof. Dr. [[wikipedia:Werner Catel|Werner Julius Eduard Catel]], der bereits 1933 dem NS-Ärztebund beigetreten war und während des Nationalsozialismus Gutachter im sog. Reichsausschuss im Euthanasieprogramm - und somit maßgeblich an der der [[wikipedia:Kinder-Euthanasie|Kinder-„Euthanasie“]] beteiligt war. In dieser Zeit trat Kleinschmidt dem NS-Ärztebund, der Marine-SA und der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] bei und diente im 2. Weltkrieg als Stabsarzt. Ende der 1930er Jahre ließ sich Kleinschmidt in Ansbach als Kinderarzt nieder und behandelte dort u.a. auch ein Kind, dessen Tod ihn später juristisch belasten sollte. Das Kind Egon M, geboren am 22. Mai 1939, wurde als zartes und oft kränkelndes Achtmonatskind beschrieben, dass mittels Zangengeburt auf die Welt kam. Ende 1941 kam die Mutter Egons erstmals in die Sprechstunde von Kleinschmidt. Das Kind hatte offensichtlich einen bleibenden Gehirnschaden behalten nach einer Gehirnhautentzündung mit sechs Monaten. Kleinschmidt überwies das Kind an die Universitätsklinik in Erlangen mit der Bitte um Beobachtung und Beurteilung des Krankheitsbildes. Die Beurteilung fiel vernichtend aus: "''Macht einen vollkommen idiotischen Eindruck. Schielt. Dicke Zunge. Schnorchelnde Atmung. Blöder Gesichtsausdruck.''" Das Resümee: "''Besserung wohl kaum zu erwarten''." Was folgt ist die Überweisung von Egon M. durch Kleinschmidt an die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach - mit dem Wissen - dass dies das Todesurteil für das Kind war.<ref>Hilke Lorenz: Ein Nazi-Arzt im Kindersolbad. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Dezember 2021</ref> Wie nicht anders zu erwarten - und stereotypisch für die Ermordung von Kindern in solchen Einrichtungen zur damaligen Zeit - starb Egon M. am 16. Dezember 1942 an den "Folgen einer Lungenentzündung". Letztes war häufig die Umschreibung der Tötung von Kindern durch die Gabe des Medikamentes [[wikipedia:Phenobarbital|Luminal]] - ein Barbiturat, das zur Atemlähmung führt. | ||
== Entnazifizierung == | == Entnazifizierung == |
Version vom 29. Oktober 2024, 14:51 Uhr
- Namenszusatz
- Dr.
- Vorname
- Hans
- Nachname
- Kleinschmidt
- Geschlecht
- männlich
- Geburtsdatum
- 9. November 1905
- Geburtsort
- Fürth
- Todesdatum
- 1999
- Todesort
- Niederbayern
- Beruf
- Arzt
- Partei
- NSDAP
Adressart | VonObjekt |
---|---|
Wohnanschrift | Tannenstraße 10 |
Dr. Hans Georg Kleinschmidt (geb. 9. November 1905 in Fürth; gest. 1999 in Niederbayern) war Kinderarzt und ärztlicher Direktor des Kinderkurheim in Bad Dürrheim. Während der Zeit des Nationalsozialismus beteiligte er sich an der Kinder-Euthanasie. Nach dem 2. Weltkrieg nahm er Medikamentenversuche widerrechtlich im Kindersolbad Bad Dürrheim vor.
Leben und Wirken
Nach dem Abitur studierte Kleinschmidt Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Medizinischen Universität Wien. Anschließend ging er 1937 an die Uni-Klinik in Leipzig zu Prof. Dr. Werner Julius Eduard Catel, der bereits 1933 dem NS-Ärztebund beigetreten war und während des Nationalsozialismus Gutachter im sog. Reichsausschuss im Euthanasieprogramm - und somit maßgeblich an der der Kinder-„Euthanasie“ beteiligt war. In dieser Zeit trat Kleinschmidt dem NS-Ärztebund, der Marine-SA und der NSDAP bei und diente im 2. Weltkrieg als Stabsarzt. Ende der 1930er Jahre ließ sich Kleinschmidt in Ansbach als Kinderarzt nieder und behandelte dort u.a. auch ein Kind, dessen Tod ihn später juristisch belasten sollte. Das Kind Egon M, geboren am 22. Mai 1939, wurde als zartes und oft kränkelndes Achtmonatskind beschrieben, dass mittels Zangengeburt auf die Welt kam. Ende 1941 kam die Mutter Egons erstmals in die Sprechstunde von Kleinschmidt. Das Kind hatte offensichtlich einen bleibenden Gehirnschaden behalten nach einer Gehirnhautentzündung mit sechs Monaten. Kleinschmidt überwies das Kind an die Universitätsklinik in Erlangen mit der Bitte um Beobachtung und Beurteilung des Krankheitsbildes. Die Beurteilung fiel vernichtend aus: "Macht einen vollkommen idiotischen Eindruck. Schielt. Dicke Zunge. Schnorchelnde Atmung. Blöder Gesichtsausdruck." Das Resümee: "Besserung wohl kaum zu erwarten." Was folgt ist die Überweisung von Egon M. durch Kleinschmidt an die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach - mit dem Wissen - dass dies das Todesurteil für das Kind war.[1] Wie nicht anders zu erwarten - und stereotypisch für die Ermordung von Kindern in solchen Einrichtungen zur damaligen Zeit - starb Egon M. am 16. Dezember 1942 an den "Folgen einer Lungenentzündung". Letztes war häufig die Umschreibung der Tötung von Kindern durch die Gabe des Medikamentes Luminal - ein Barbiturat, das zur Atemlähmung führt.
Entnazifizierung
In dem Entnazifizierungsverfahren in Ansbach fand Kleinschmidt eine Vielzahl von Fürsprechern aus dem Bereich der Kirche und Musik, die ihm attestierten, dass das er sich politisch niemals engagiert hatte. Als auch noch Prof. Dr. Catel ihm einem sog. Persilschein im Spruchkammerverfahren ausstellte, schien der Bogen überspannt worden zu sein. Kleinschmidt wurde zunächst als "minderbelastet", im Revisionsverfahren als "Mitläufer" eingestuft. Eine weitere Revision zog Kleinschmidt zurück, da ein befreundeter Arzt ihm zu verstehen gab, dass Dr. Catel als Leumund ihm eher schaden als nutzen würde.[2] Somit erhielt er eine Haftstrafe von einem Jahr und eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Mark. Nach seiner Haftentlassung zog er mit seiner Familie nach Bad Dürrheim, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1973 wohnhaft war.
Menschenversuche in Bad Dürrheim
1956 wechselte Kleinschmidt an das Kindersolbad in Bad Dürrheim in Baden-Württemberg, südlich von Villingen-Schwenningen. Zu dieser Zeit war das Kindererholungsheim eines der größten in Deutschland. Als ärztlicher Direktor des DRK-Kindersolbads war Kleinschmidt von 1959 bis 1973 und zudem Arzt in mehreren privaten Kinderkurheimen. In dem Kindersolbad wurden Verschickungskinder betreut und an ihnen ohne deren Wissen oder Zustimmung der Eltern Medikamententests durchgeführt. Die Kinder wurden hierzu meinst mit Sedativa ruhiggestellt. Mit unbehandelten Vergleichsgruppen nahm Kleinschmidt wissenschaftliche Studien vor, über die er später publizierte. So testete er demnach Antibiotika, Hustentherapeutika, Asthma-Präparate, Tabletten gegen Masern und Mittel gegen Wurmmaden-Befall für namhafte deutsche Hersteller wie Janssen-Cilag in Neuss oder Schaper & Brümmer in Salzgitter. Nach einem später erstellten Gutachten der Landesärztekammer Baden-Württemberg nahm er dabei auch billigend in Kauf, dass Unverträglichkeiten bei den Probanden auftragen. Auch die Überdosierung von Schlaf- und Beruhigungsmittel wurde in Kauf genommen.
Weiterhin sind während seiner Amtszeit verschiedene Formen der Misshandlung belegt. In über 70 von Hans Kleinschmidt verfassten Schriften findet man auch einen zweiseitigen Strafenkatalog für Kurkinder, der überschrieben ist mit dem Begriff: „Sanktionen“. Die Sanktionen dienten vor allem den sog. ungezogenen Kindern, die für Kleinschmidt nicht anderes waren als "straffällige". Die Sanktionen bestanden im Wesentlichen aus Schlägen gegen den Körper, aber nicht ins Gesicht, Demütigungen und Ausschluss einzelner Kinder aus der Gemeinschaft bis hin zu prangerartiger Bestrafung.[3] Selbst nachdem 1963 körperliche Strafen an Kindern in Kurheimen verboten wurden, kamen diese weiter vor, wie ein Gutachten des NRW-Landtages in Düsseldorf unter Einbeziehung dieser 1964 veröffentlichten Schrift von Kleinschmidt verdeutlicht. In dem 1964 erschienen Band zum Thema "Kinderheime, Kinderheilsätten" empfahl Kleinschmidt weiterhin dem Aufsichtspersonal als Reaktion auf Straftaten: "Man soll sich dann aber nicht hinreißen lassen, ins Gesicht zu schlagen - es gibt eines bessere Stelle."[4]
Ruhestand
Im Alter von 68 Jahren beendete Kleinschmidt seine berufliche Laufbahn in Bad Dürrheim, ohne sich jemals für sein Handeln juristisch verantworten zu müssen. Der Tod von Egon M. war zwar im Rahmen eines Prozesses 1963/64 gegen den ehemaligen Chefarzt der Universitätsklinik Erlangen Albert Viethen öffentlich geworden, führte aber nicht zu einer weiteren juristischen Belastung Kleinschmidts. Kleinschmidt siedelte in das niederbayerische Pfarrkirchen über. Mit dabei seine deutlich jüngere Ehefrau, samt fünf Kinder.
Seinen Lebensabend beendete mit 94 Jahren im niederbayerischen Pfarrkirchen, ohne erneut juristisch belangt zu werden. Erst im Jahr 2021 bzw. 2024 wurden die Mißhandlungen und Medikamentenversuche einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Die Aufarbeitung erfolgte im Rahmen eines Programms des Land Baden-Württemberg - mit Unterstützung des ehemaligen Trägers des Heimes, dem Deutschen Roten Kreuz.
Veröffentlichungen
- Hans Kleinschmidt: Über die Durchführung von Kindererholungs- und Heilkuren, in: Sepp Folberth (Hg.), Kinderheime, Kinderheilstätten in der westdeutschen Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz, 2. Auflage 1964, S. 25-90.
Literatur
- Sebastian Funk, Johannes Karl Staudt: Haus Hohenbaden: Das DRK-Kindersolbad Bad Dürrheim in der Überlieferung des Badischen Roten Kreuzes. Akademische Verlagsgemeinschaft, München, 2024, ISBN 3954771721, 736 Seiten
Siehe auch
(Lokal-)Berichterstattung
- SWR: Bericht bestätigt: Ehemaliger Nazi-Arzt testete Medikamente an Verschickungskindern. In: Tagesthemen vom 24. Oktober 2024 - online
- Alexander Michl: Die Versuchskaninchen von Bad Dürrheim: Früherer NS-Arzt testete an Kindern heimlich Medikamente. In: Südkürier vom 31. August 2023 - online
Weblinks
- Hans Kleinschmidt - Wikipedia
- Verschickungsheime - Das vergessene Trauma - Dr. Kleinschmidt - online
Einzelnachweise
- ↑ Hilke Lorenz: Ein Nazi-Arzt im Kindersolbad. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Dezember 2021
- ↑ Spruchkammerakte Ansbach - Findmitteldatenbank der Staatlichen Archive Bayerns - online
- ↑ Hilke Lorenz: Ein Nazi-Arzt im Kindersolbad. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Dezember 2021
- ↑ Prof. Dr. Marc von Miquel: Verschickung in Nordrhein-Westfalen nach 1945. Auftraggeber: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW. sv:dok - Dokumentations- und Forschungsstelle der Sozialversicherungsträger - 11. Januar 2022 - S. 44 ff. online
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