Flächensanierung

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Als Flächensanierung wird ein historisches stadtplanerisches Konzept bezeichnet, welches die Stadtsanierung durch großflächigen Abriss von Altbausubstanz und anschließender Neubebauung nach dem Leitbild der „autogerechten Stadt“ zum Gegenstand hatte. Erst später setzte sich mit zunehmender Sensibilisierung der Bevölkerung der Gedanke einer behutsamen Stadterneuerung durch.

In Fürth sollte in den 1960er Jahren die gesamte Altstadt diesem Kahlschlagkonzept unterworfen werden. Durchgeführt wurde hiervon nur der Sanierungs-Abschnitt 1: Gänsberg, das Altstadtviertel St. Michael konnte gerettet werden.

Flächensanierung in Fürth

Ausgangssituation

Gedankenspiele zur Neubebauung

Die Fürther Altstadt hatte den Zweiten Weltkrieg verhältnismäßig unbeschadet überstanden, eine der wenigen Baulücken war der im Dritten Reich zerstörte Schulhof der jüdischen Gemeinde. Die organisch gewachsene, kleinteilige Stadtstruktur galt in den 1950er Jahren nach dem Geist der Zeit als in weiten Teilen unsanierbarer Problemfall.

Seinerzeit stellte der Freistaat Bayern nur für den Neubau von Wohnraum Gelder zur Verfügung, nicht aber für die Sanierung von Altbauten, auch der Denkmalschutzgedanke mit entsprechenden Gesetzen setzte sich erst viel später durch. Die vorherrschende, mittlerweile wieder völlig überholte, Ideologie der autogerechten Stadt sah im Zuge der fortschreitenden Motorisierung die Anpassung der Städte an reibungslosen Individualverkehr als oberstes Ziel an: Breite Straßen und ausreichende Parkmöglichkeiten wurden erforderlich.

Die Landesgruppe Bayern der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung fasst die zeitgenössische Doktrin in ihrem Gutachten 1960 wie folgt zusammen:

"Eine überwiegende Zahl der Gebäude der Altstadt ist überaltert und zumeist in schlechtem baulichen Zustand. Die sanitären Verhältnisse sind unzureichend. Dennoch ist die Altstadt, insbesondere das näher untersuchte Gänsbergviertel äußerst dicht bewohnt. Auch das Straßengefüge ist im ganzen veraltet und ungeeignet, einen Ziel- und Quellverkehr wie er heute in einem wirtschaftlich gesunden Stadtkerngebiet erwartet werden muss, aufzunehmen."

Zuschnitt und Expertise

Die komplette Fürther Altstadt wurde in drei Sanierungsgebiete aufgeteilt:

Das beauftragte Büro stellte für alle drei Sanierungsgebiete die selbe Expertise aus: Nicht sanierungswürdig - Eine Kahlschlagsanierung wurde als unumgegänglich empfohlen.

Sanierungsgebiet 1: Gänsberg

Die Expertise bescheinigte dem Gänsberg-Viertel einen Anteil von 88,7 % mangelhafter bis abbruchreifer Substanz. 1958 wurde über den Gänsberg eine Bausperre verhängt der 1962 die ersten Abrissaktivitäten rund um das alte Gefängnis an der Katharinenstraße folgten. Doch bis zur endgültigen Neubebauung, die erst mit der Einweihung der Stadthalle im Jahr 1982 als beendet betrachtet werden kann, dauerte es wegen zwischenzeitlichem Finanzierungsstopp noch so lange, dass das Areal zwischenzeitlich besser unter dem Namen Scherzer Wüste bekannt war - benannt nach dem damaligen Oberbürgermeister Kurt Scherzer. Aus heutiger städtebaulicher Sicht ist der einstweilige Baustopp eine Art Schadensbegrenzung, da später nicht mehr die ursprünglich angedachten Bebauungsformen realisiert wurden, sondern neuere Architektur realisiert wurde. An der Stelle des noch vorher realisierten Baubeginns entlang der Katharinenstraße gegenüber des jüdischen Friedhofs kann man sich heute ein Bild vom ursprünglich angedachten Stil der Neubebauung machen.

Beurteilung

Sozialer Aspekt

Da bei der Flächensanierung die Bevölkerung umgesiedelt werden musste, zerbrach das soziale Gefüge der zentralen Innenstadt in weiten Teilen. Dies hatte für den näheren Umkreis des Gänsbergs enorme Folgen. So änderte sich z.B. die Struktur der Gastronomie folgenden Jahren drastisch und viele Geschäfte um den Gänsberg verschwanden aus dem Stadtbild.

Am Gänsberg wohnten die sozial schwächeren Bevölkerungsteile Fürths. Ein Problem dessen man sich vorsätzlich mit der Flächensanierung auf einfachstem Wege entledigen wollte.

Geschichtliche Aufarbeitung

Auch die Grundstücke rund um den ehemaligen jüdischen Schulhof waren politisch heikel: Einer tiefergehenden Auseinandersetzung entzog man sich hier mit der Flächensanierung. Durch die Verschiebung der Straßenachsen sollte die alte Wunde unkenntlich und unlokalisierbar werden.

Wirtschaftlicher Aspekt

Aus wirtschaftlicher Sicht wäre die schnelle und reibungslose Flächensanierung seinerzeit ein Erfolg für die Stadt Fürth gewesen, da wie oben beschrieben nur für den Neubau von Wohnraum staatliche Gelder zur Verfügung standen, nicht aber für die Sanierung von Altbauten. Durch die heutige Denkmalschutz- und Sanierungsförderung wurde der Flächensanierung später auch wirtschaftlich die Notwendigkeit entzogen.

Gutachterische Beliebigkeit

Die unter Ausgangssituation zitierte Begründung der Gutachter lässt die Beliebigkeit dieser Beurteilung erkennen. Und in der Tat stellten die selben Gutachter ein ebensolches vernichtendes Urteil auch der Regensburger Alstadt aus, deren Flächensanierung glücklicherweise nicht durchgesetzt wurde und die heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Und auch der in Fürth als 2. Stufe angedachte Kahlschag der Altstadt von St. Michael entlang der Gustavstraße konnte nicht durchgesetzt werden und straft mit seiner heutigen Gestalt die damaligen Gutachter lügen.

Eine Passage des Gutachtens beschreibt schon damals ganz genau das Wissen um das, was hier am Gänsberg verloren ging. Denn auch wenn das Erneuerungsgebiet "keine Einzelobjekte" enthalte, "die im Sinne der Denkmalpflege als solche als unbedingt schutzwürdig anzusprechen sind", finde sich gleichwohl "eine ganze Anzahl von Gebäuden, die in ihrer baulichen Erscheinung und städtebaulichen Stellung erhebliche Reize aufweisen. Ebenso zeichnet sich das ganze Gebiet durch eine ausgesprochen menschliche Atmosphäre aus, die aufzuopfern der Akademie schwerfällt."

Siehe auch

Weblinks